Anzeige
Anzeige

Gewalt in Essen und Castrop-Rauxel: Debatte über Clan-Gewalt: Draußen Boxen, drinnen Balgen

Gewalt in Essen und Castrop-Rauxel: Debatte über Clan-Gewalt: Draußen Boxen, drinnen Balgen

Gewalt in Essen und Castrop-Rauxel: Debatte über Clan-Gewalt: Draußen Boxen, drinnen Balgen

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sah sich mit einer hitzigen Ausschußdebatte über Clangewalt konfrontiert Foto: picture alliance/dpa | David Young
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sah sich mit einer hitzigen Ausschußdebatte über Clangewalt konfrontiert Foto: picture alliance/dpa | David Young
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sah sich mit einer hitzigen Ausschußdebatte über Clangewalt konfrontiert Foto: picture alliance/dpa | David Young
Gewalt in Essen und Castrop-Rauxel
 

Debatte über Clan-Gewalt: Draußen Boxen, drinnen Balgen

Die Bilder der Straßenschlachten zwischen Syrern und Libanesen im Ruhrgebiet erschüttern ganz Deutschland. Nun diskutiert die Politik im nordrhein-westfälischen Innenausschuß über die Ereignisse. Sofort kochen die Emotionen hoch.
Anzeige

Die Clan-Krawalle im Ruhrgebiet dominierten tagelang die Schlagzeilen in Deutschland. Klar, daß der Innenausschuß des Landtages von Nordrhein-Westfalen das Thema am Mittwoch nicht ausklammern kann. So landete das Thema kurzfristig auf der Tagesordnung. Doch ans Eingemachte ging es erst kurz vor Ende der Sitzung. Denn zuvor erörterten die Vertreter der Parteien einen spektakulären Polizeieinsatz in dem Bundesland in epischer Breite – fast so, als wollten sie das Thema Clan-Kriminalität aus Zeitgründen aus der Sitzung halten.

Als die Ausschreitungen zwischen Syrern und Libanesen dann doch zur Sprache kamen, knallte es im Ausschuß sofort: Die SPD warf Innenminister Herbert Reul (CDU) Versagen bei der Bekämpfung der Clan-Kriminalität vor. Die AfD kritisierte fehlende Abschiebungen von Clan-Mitgliedern. Die Frontverläufe waren klar.

700 Polizisten im Einsatz – 37 Strafanzeigen

In seinem Bericht zu den Ereignissen der vergangenen Tage sprach Reul von „gewalttätigen Auseinandersetzungen im Clan-Milieu“, an denen Syrer und Libanesen beteiligt waren. Der zeitliche Zusammenhang der Massenschlägerei in Castrop-Rauxel und der einen Tag später in Essen sehe für ihn „nicht nach einem Zufall aus“. Es habe auf beiden Seiten „eine enorme Mobilisierung in den sozialen Netzwerken“ gegeben.

Insgesamt sind rund 700 Polizisten im Einsatz gewesen, führte Reul aus. Fünf davon wurden verletzt. Die Polizisten haben bei 113 Personen deren Personalien festgestellt sowie 224 Platzverweise und 23 Betretungsverbote ausgesprochen. Darüber hinaus habe es eine vorläufige Festnahme und 41 Ingewahrsamnahmen gegeben. Bei Kontrollen sind unter anderem eine Maschinenpistole sowie 41 Messer sichergestellt worden. 37 Strafanzeigen wurden gestellt.

Reul: „Solche Zustände werden wir nicht dulden“

Am Rande seiner Ausführungen räumte Reul ein, daß es möglicherweise unzureichend gewesen sei, bislang nur die libanesischen Clans im Auge gehabt zu haben. Die jüngsten Krawalle seien ein Anlaß, „intensiv zu prüfen“, ob das Augenmerk auch auf die syrischen Großfamilien zu richten sei.

Später relativierte er diese Aussage wieder und sagte, daß es dafür möglicherweise „noch zu früh“ sei. Am Ende seines Berichts griff Reul auf seine seit Jahren in diesem Kontext genutzte Rhetorik zurück: „Solche Zustände werden wir nicht dulden“, sagte er. „Bei uns gilt das Gesetz des Staates, nicht irgendwelcher Familien.“

 „Die Clans zeigen Ihnen den Mittelfinger“

Kaum hatte die Erörterung seines Berichts begonnen, kochten die Emotionen hoch. „Dafür, daß Sie sagen, Sie dulden solche Fälle nicht, kommen die aber sehr häufig vor“, kritisierte die Landtagsabgeordnete Christina Kampmann den Innenminister. Der unterbrach die SPD-Politikerin sofort und wollte dafür Beispiele haben. Kampmann aber parierte souverän und verwies darauf, daß es bereits im Sommer 2022 in Essen Clan-Krawalle gegeben habe. „Sie haben bei diesem Thema in sechs Jahren keinen Presseauftritt ausgelassen“, setzte sie ihre Kritik an Herbert Reul fort. „Und trotzdem zeigen Ihnen die Clans den Mittelfinger.“

Auch der Landtagsabgeordnete Markus Wagner von der AfD sparte nicht an Kritik: Er sei zu Beginn seiner Zeit im Landtag immer „milde belächelt“ worden, wenn er konkrete Nachfragen zum Clan-Milieu gestellt habe. Viele seiner Nachfragen seien von der Landesregierung gar nicht beantwortet worden, oftmals mit der Begründung, daß es dazu keine Statistik gebe. Dann verwies er auf das Zahlenwerk eines Experten, nach dem in Essen 2010 nur rund 500 Syrer gelebt hätten.

AfD fragt nach Abschiebungen

Im Zuge der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung sei diese Zahl aber inzwischen auf rund 16.000 angestiegen. „Ich bin mal gespannt, ob das Ruhrgebiet demnächst brennt, wenn sich die kleinen Racker wieder in den Haaren liegen“, kommentierte er ironisch. An der offenen Kritik der SPD an Herbert Reul wollte sich Wagner dennoch nicht beteiligen: Daß der Innenminister jetzt etwas gegen Clans unternehme, sei „begrüßenswert“, sagte er knapp.

Daß sich der AfD-Politiker bei seinen Ausführungen mehrfach auf die Frage nach Abschiebungen krimineller Clan-Mitglieder fokussierte und er dazu erneut Antworten haben wollte, mißfiel jedoch der Ausschußvorsitzenden Angela Erwin. Die CDU-Politikerin unterbrach ihn dabei und forderte, sich bei Wortbeiträgen zu diesem Tagesordnungspunkt auf die Ereignisse in Castrop-Rauxel sowie in Essen zu beschränken und keine anderen Themen anzusprechen. Markus Wagner aber widersprach: „Was wir hier am Wochenende erlebt haben, ist auch das Ergebnis eines sich lange abzeichnenden Versagens. Und dementsprechend müssen die Fragen auch gestellt werden können.“

 CDU verweist auf hohe Zustimmungswerte

Damit kam Landtagsfraktionsvize Gregor Golland (CDU) die wenig dankbare Aufgabe zu, Reuls Bekämpfung von Clan-Kriminalität verteidigen zu müssen. Diese sei erfolgreich und werde fortgesetzt, sagte der CDU-Politiker. Gegen die Kritik von SPD und AfD ging Golland sehr robust vor: Der SPD warf er vor, sie würde „in einem Paralleluniversum leben“ und nicht zur Kenntnis nehmen, daß Herbert Reul in der Bevölkerung ungleich beliebter sei als dessen sozialdemokratischer Amtsvorgänger Ralf Jäger. Markus Wagner kanzelte er mit dem Verweis darauf ab, daß er selbst das Thema Clan-Kriminalität schon im Landtag thematisiert habe, als der AfD-Politiker dort noch gar kein Mandat hatte. .

Wie schlecht Herbert Reul jedoch beim Thema Clan-Kriminalität im Düsseldorfer Landtag inzwischen dasteht, zeigte sich daran, daß Golland bei dessen Verteidigung in Ermangelung anderer Erfolge immer wieder auf die laut Umfragen hohen Zustimmungswerte des Innenministers in der Bevölkerung verweisen mußte. Als der CDU-Abgeordnete dann auch noch davon sprach, daß „Leute, die sich hier nicht benehmen und die keinen deutschen Paß haben“, das Land wieder „verlassen sollten“, geriet das zur unfreiwilligen Steilvorlage für Markus Wagner: „Ein starker Staat hat diese Leute abzuschieben und nicht zu bitten, freiwillig zu gehen“, merkte der AfD-Politiker trocken an. (wp)

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sah sich mit einer hitzigen Ausschußdebatte über Clangewalt konfrontiert Foto: picture alliance/dpa | David Young
Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag