BERLIN. In einem Offenen Brief haben Diplomaten und hochrangige Militärs die Aufnahme sogenannter afghanischer Ortskräfte der Bundeswehr in Deutschland gefordert. „Während die Truppe unter verstärkten Sicherheitsvorkehrungen längst bei den Vorbereitungen zur Rückkehr ist, wachsen die Befürchtungen der afghanischen Ortskräfte, die oft viele Jahre für die Bundeswehr, die deutsche Polizeiausbildungsmission, diplomatische Missionen und die staatlichen Zwecke der Entwicklungszusammenarbeit tätig waren. Sie fürchten um ihre Sicherheit und ihr Leben – wie auch um das ihrer Familienangehörigen“, heißt es in dem Schreiben, das unter anderem mehrere Generäle, Bundestagsabgeordnete und Botschafter unterzeichnet haben.
Daher verlangen sie von der Bundesregierung die „zügige und unbürokratische Aufnahme der Ortskräfte und ihrer Familienangehörigen parallel zum laufenden Abzug des deutschen Kontingents“. Zudem sollten zu diesem Zweck Informationen über das vereinfachte Verfahren im Land verbreitet werden. Angesichts der sich verschlechternden Sicherheitslage in Afghanistan plädieren die Unterzeichner dafür, auf das bisherige Prüfungsverfahren zu verzichten. Sie begründen das damit, daß es dies in der Praxis weitgehend unmöglich sei und für die Antragsteller unzumutbar wäre.
Bislang gilt, daß ehemalige Ortskräfte sich um eine Ausreise nach Deutschland bewerben können, wenn ihr Engagement weniger als zwei Jahre zurückliegt. Auch diese Vorschrift solle abgeschafft werden, fordern die Unterzeichner. Sie erinnerten zugleich daran, daß Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) noch im April von der tiefen Verpflichtung der Bundesrepublik für die afghanischen Hilfskräfte gesprochen habe.
450 Ortskräfte haben Anträge gestellt
Am vergangenen Freitag hatte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes betont, es sei das gemeinsame Ziel von Außen-, Verteidigungs- und Innenministerium, die Ausreiseverfahren für die Ortskräfte „so schnell und unkompliziert wie möglich zu gestalten“. In diesem Zusammenhang werden demnach „kreative Lösungen im Sinne der Betroffenen“ geprüft.
Laut einem Sprecher des Bundesentwicklungsministeriums waren zwischen 2011 und 2020 bis zu 1.750 Ortskräfte für die staatliche Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan tätig. Derzeit seien noch knapp 1.100 Afghanen für rund 40 Projekte beschäftigt.
Unterdessen berichtete die Nachrichtenagentur dpa, daß bereits mehr als 450 Ortskräfte entsprechende Anträge zur Einreise nach Deutschland gestellt haben. Hinzu kämen weitere 300 Anträge von Afghanen, die vor mehr als zwei Jahren für deutsche Organisationen und Institutionen gearbeitet hätten.
Bundeswehr könnte Afghanistan bis Mitte August verlassen
Der Fall eines ehemaligen afghanischen Dolmetschers für die Bundeswehr zeigt, wie die ehemaligen Ortskräfte in Deutschland mitunter behandelt werden. Abdullah Arian schilderte der JUNGEN FREIHEIT, wie es ihm in Deutschland erging.
Nach Plänen der Verteidigungsministerin könnten die deutschen Truppen bis Mitte August Afghanistan verlassen. Zuvor hatten die USA, die vor Ort das größte Kontingent stellen, ihren Abzug bekannt gegeben. (ag)