Früher hatte es Tradition, daß lateinamerikanische Bananenrepubliken von US-Konzernen geschmiert wurden, um wirtschaftliche Interessen vor Ort durchzusetzen. Heute schmiert die rohstoffreiche Kaukasusrepublik Aserbaidschan mit ihrer „Kaviar-Diplomatie“ Politiker der Industriemacht Deutschland. Das kommt alles nicht überraschend. Spätestens 2017 platzte die Bombe, daß das Regime von Präsident İlham Alijew europäische Politiker mit insgesamt 2,5 Milliarden Euro beschenkt hatte.
Das Hauptmotiv: eine positive Darstellung von Regierung und Land. Die Beschränkung von Wiederwahlen wurde in Aserbaidschan per Referendum aufgehoben. Alijews Stellvertreter ist seine Frau Mehriban. Politische Widersacher landen im Gefängnis.
Kein Wunder, daß eine Zielgruppe des ölreichen Staats am Kaspischen Meer die Abgeordneten der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) waren. Sie wählen die Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Schon 2013 lehnte die Versammlung einen Bericht des damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Christoph Strässer ab, der politisch motivierte Inhaftierungen im Land kritisierte.
Hunderttausende Euro aus Baku
Eine Hauptfigur des Widerstands gegen den SPD-Bericht war der italienische EU-Parlamentsabgeordnete und Mitglied der EVP-Fraktion, Luca Volontè, dessen Stiftung Millionen aserbaidschanischer Schmiergelder erhielt. Eine weitere wichtige Rolle spielte schon damals Volontès Fraktionskollege Eduard Lintner von der CSU.
Lintner war von 1991 bis 1998 Parlamentarischer Staatssekretär des Bundesinnenministeriums und ist Chef der „Gesellschaft zur Förderung der deutsch-aserbaidschanischen Beziehungen“. Das Regime von Baku soll ihm über seine Firma Line M-Trade 800.000 Euro zugesteckt haben. Im Oktober 2013 besucht Lintner Aserbaidschan – als Wahlbeobachter. Er attestierte der Kaukasusrepublik „deutsche Standards“ und kassierte zwei Wochen später 61.000 Euro aus dem gelobten Land. Lintners Firma agierte zudem als Verteiler von 500.000 Euro an PACE-Mitglieder.
Zu den Begünstigten dieser Ausschüttungen gehörte auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz, die einen fünfstelligen Betrag erhielt. Als Mitglied der PACE stellte sich Strenz gegen eine Forderung nach Freilassung politischer Gefangener in Aserbaidschan im Jahr 2015. Auch Strenz bescheinigte der aserbaidschanischen Regierung eine saubere Wahl. Am 30. Januar 2020 hob der Bundestag die Immunität von Strenz auf, um der Polizei die Ermittlungsarbeit zu erleichtern.
Beatmungsgeräte für Aserbaidschan
Ähnliches wiederholte sich am 4. März 2021, als der Bundestag die Immunität Axel Fischers aufhob. Fischer soll aserbaidschanische Gelder über britische Briefkastenfirmen erhalten haben. „Damit verbunden war die Aufforderung, bei Anträgen und Abstimmungen zu verschiedenen Resolutionen sowie bei der Besetzung von Funktionen und Kommissionen des Europarates Einfluss im Sinne von Delegierten des Staates Aserbaidschan zu nehmen“, teilt die Generalstaatsanwaltschaft mit. Fischer hatte Aserbaidschan zur „freien, fairen und transparenten Wahl“ gratuliert und in der Frage politsicher Gefangener eine pro-aserbaidschanische Rolle eingenommen.
Seitdem reißen die neuen Erkenntnisse zur „Kaviar-Connection“ von Unionspolitikern zu Aserbaidschan, das noch vergangenes Jahr einen von deutscher Seite kaum kritisierten Krieg gegen das demokratische Armenien geführt hat, nicht ab. Thomas Bareiß (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, fiel dadurch auf, daß er zu Beginn der Corona-Krise auf eine Lieferung von Beatmungsgeräten nach Aserbaidschan bestanden hatte, als diese auch in Deutschland knapp geworden waren. Bareiß betont, er habe eine „humanitäre Hilfestellung“ leisten wollen. Bareiß war Kuratoriumsmitglied des Deutsch-Aserbaidschanischen Forums.
Ein anderes Mitglied des Forums, der Ex-Wirtschaftsminister Michael Glos, flog 2011 zu den Unabhängigkeitsfeiern nach Baku – Businessflug, Luxushotel und Galadinner inklusive. Eberhard Gienger, Sprecher der Arbeitsgruppe Sport der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, warb auf einer regimetreuen Internetplattform für „Sportgroßveranstaltungen in Aserbaidschan“. Der CDU-Abgeordnete Mark Hauptmann legte zuletzt sein Mandat unter anderem wegen aserbaidschanischen Anzeigen nieder, die im „Südthüringer Kurier“ erschienen waren. Hauptmann ist Herausgeber des Blattes und hatte eine Erklärung des Bundestags kritisiert, die auf die Einhaltung der Menschenrechte pochte.
Unionsabgeordnete unterschreiben „Ehrenerklärung“
Nikolas Löbel, der bereits wegen der „Maskenaffäre“ im Kreuzfeuer steht, soll im Jahr 2012 aserbaidschanische Gelder angenommen haben, um einen Parteitag der Jungen Union zu organisieren; im selben Jahr hatte auch der Frankfurter CDU-Kreisverband illegale Spenden aus Baku erhalten. Fischer, Gienger und Löbel versuchten im Bergkarabachkonflikt über Anfragen an die Bundesregierung die armenische Position zu schwächen. Besonders Löbel positionierte sich während der Kriegshandlungen im vergangenen Jahr als pro-aserbaidschanisch.
Mittlerweile haben Unionsabgeordnete eine „Ehrenerklärung“ unterschrieben, daß sie die Corona-Krise nicht zum eigenen Vorteil ausgenutzt hätten. Eine umfangreiche Ehrenerklärung, die jede Form der Bestechung ächtet, bleibt aus. Offensichtlich gibt es auch eine ehrenvolle Form der Korruption.