BERLIN. Bund und Länder haben sich auf eine weitere Verschärfung der Corona-Maßnahmen geeinigt. Dazu beschlossen die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungschefs der Länder am Donnerstag gleich mehrere Auflagen.
- So gilt deutschlandweit beim Zugang zu Kulturveranstaltungen und der Freizeitgestaltung wie Kino-, Theater- oder Restaurantbesuch die 2G-Regel. Das heißt: Nur Geimpfte und Genesene erhalten Zutritt. „Ergänzend kann ein aktueller Test vorgeschrieben werden“ (2GPlus), heißt es in dem gemeinsamen Beschluß. Die Einschränkungen gelten nicht für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.
- Ebenfalls wird die 2G-Regel im ganzen Land auf den Einzelhandel ausgeweitet. Ausgenommen sind Geschäfte des täglichen Bedarfs wie Supermärkte, Drogerien oder Tankstellen.
- Gleichzeitig verständigte sich die Bund-Länder-Runde auf strenge Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte. Private Zusammenkünfte sind in der Öffentlichkeit oder in den eigenen vier Wänden höchstens mit zwei Personen eines weiteren Haushalts gestattet. Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres sind davon ausgenommen.
- Überregionale Sport- und Kulturveranstaltungen wie Fußballspiele oder Konzerte werden deutlich eingeschränkt. Es gilt die 2G-Regel. Gleichzeitig darf die Kapazität bei Veranstaltungen in geschlossenen maximal zu 50 Prozent ausgelastet werden, die Höchstzahl an Zuschauern beträgt 5.000. Bei Veranstaltungen im Freien sind es 15.000 Zuschauer. Zudem ist bei entsprechenden Veranstaltungen Maske zu tragen.
- Bei eine Inzidenz von mehr als 350 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern werden Clubs und Diskotheken in Innenräumen geschlossen. Ebenso wird für Genesene und Geimpfte die Teilnehmergrenze bei privaten Feiern und Zusammenkünften auf 50 Personen in Innenräumen und 200 Personen im Freien herabgesetzt.
- In Schulen gilt wieder eine generelle Maskenpflicht.
- Das Infektionsschutzgesetz soll zudem dahingehend geändert werden, daß die Länder die Möglichkeit erhalten, Gaststätten und Bars befristet zu schließen und den Alkoholverkauf zu verbieten.
- Der Bund wird eine einrichtungsbezogene Impfpflicht für Beschäftige bestimmter Bereiche wie Altenheime oder Krankenhäuser erlassen.
- Eine allgemeine Impfpflicht ist noch nicht vorgesehen. Allerdings soll der Bundestag zeitnah eine Entscheidung über eine solche Maßnahme treffen. Diese dürfe aber erst greifen, wenn sichergestellt sei, daß alle zu Impfenden auch zeitnah geimpft werden könnten. „Also etwa ab Februar 2022“, heißt es in dem Beschluß.
- An Silvester und Neujahr herrscht ein striktes Feuerwerksverbot sowie ein An- und Versammlungsverbot. Der Verkauf von Pyrotechnik wird generell untersagt, die Händler sollen dafür entschädigt werden.
- Bund und Länder wollen zudem das Impfprogramm ausweiten. Dies könne bis zu 30 Millionen Impfungen erfordern. Hierzu sollen zeitlich begrenzt auch Apotheker und Altenpflegekräfte impfen dürfen.
- Keine Entscheidung hat die Runde bislang über die Gültigkeitsdauer des Impftstatusses getroffen. In der EU werde derzeit diskutiert, ob der Impftstatus neun Monate nach der zweiten Impfung ohne Auffrischung wieder erlösche. „Bund und Länder werden sich unter Berücksichtigung der Impfkampagne und der zur Verfügung stehenden Impfstoffe bis zum Jahresende verständigen, ab wann und wie eine entsprechende Regelung in der Bundesrepublik Deutschland Anwendung finden soll.“
Söder erntet Kritik für Vorstoß zu Kinderimpfungen
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat unterdessen scharfe Kritik für seine Äußerung über eine Impfpflicht für Kinder ab zwölf Jahren geerntet. „Das muß man diskutieren“, sagte Söder im Bayerischen Rundfunk. „Generell wäre es natürlich gut, wenn die Impfpflicht zumindest bei denen, bei denen der Impfstoff schon erprobt ist – ab zwölf – auch stattfinden würde.“
Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte stellte sich dagegen. „Markus Söder soll mal diejenigen impfen, die sich notorisch der Impfung verweigern. Das sind nicht die Kinder, das sind die Erwachsenen“, sagte dessen Präsident Thomas Fischbach am Donnerstag der Bild-Zeitung. Die Impfung sei bei Kindern anders zu bewerten als bei Erwachsenen: „Kinder haben von der Impfung nicht so viel.“ Sie erkrankten nur selten schwer an Corona, weshalb der Nutzen der Impfung für sie weniger hoch sei als bei Erwachsenen.
Auch Bayerns FDP-Landes- und Fraktionsvorsitzender Martin Hagen kritisierte: „Die Alten nicht rechtzeitig boostern, aber eine Impfpflicht für 12jährige diskutieren? Ein völlig verfehlter Vorschlag von Markus Söder.“ Der Großteil der Corona-Intensivpatienten sei über 50 Jahre alt. „Diese Altersgruppe sollte man in den Blick nehmen, wenn man über eine Impfpflicht diskutiert“, unterstrich der FDP-Politiker.
Stiko-Chef würde Kind nicht impfen lassen
Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, sprach sich erneut gegen eine Impfung für unter Zwölfjährigen aus. Er würde sein eigenes, sieben Jahre altes Kind derzeit nicht gegen das Coronavirus impfen lassen. Es gebe unabhängig der Daten aus der Zulassungsstudie „keinerlei Daten“ über die Verträglichkeit des Impfstoffs in der Gruppe der Kinder zwischen fünf und elf Jahren, sagte Mertens in einem Podcast der FAZ. Aktuelle Publikationen zeigten, daß Aussagen über Langzeitschäden kaum möglich seien.
Die Europäische Arzneimittelbehörde hatte vor wenigen Tagen den Impfstoff der Unternehmen von Biontech und Pfizer für Kinder ab fünf Jahren zugelassen. Die ersten Dosen sollen noch vor Weihnachten verabreicht werden. (krk/ls)