NÜRTINGEN. Das Amtsgericht Nürtingen hat entschieden, daß ein Rentner seine Gemeindewohnung verlassen muß, damit Asylsuchende einziehen können. Der 75 Jahre alte Klaus Roth war vor dem Gericht gegen eine Räumungsklage der Gemeinde Neckartailfingen in der Region Stuttgart vorgegangen.
„Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, daß die Beendigung des Mietverhältnisses auf Seiten der Beklagten zwar eine Härte … darstellt, diese jedoch unter Würdigung der berechtigten Interessen der Vermieterin nicht überwiegt“, zitierte die Bild-Zeitung aus dem Urteil.
Hintergrund ist eine Entscheidung des Landkreises Esslingen. Dieser hatte dem 3.800 Seelen großen Dorf vor über einem Jahr zu den 40 bestehenden Asylsuchenden weitere Flüchtlinge zugewiesen. Der Gemeinderat beschloß daraufhin, die Einwanderer in Roths rund 150 Quadratmeter großen Wohnung unterzubringen. Der Rentner solle dafür eine kleinere Wohnung mieten können.
„Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben“
Das zuständige Landratsamt hatte damals auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT nicht beurteilen wollen, ob es sich dabei um einen Härtefall handle und verwies auf die „kommunale Solidarität“ und auf die rechtlichen Vorgaben zur „gleichmäßigen Verteilung der Flüchtlinge auf die Kommunen“.
Weil sich Roth und seine zwei Jahre jüngere Partnerin weigerten, die Räumlichkeiten zu verlassen, klagte die Gemeinde auf Herausgabe der Sechs-Zimmer-Wohnung. Sie begründete das mit der „Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben“. Mittlerweile müsse der Ort neun Zuwanderer aufnehmen und bis zu sechs davon sollen in Roths Wohnung einquartiert werden, hieß es.
Roth, der mehrere Schlaganfälle hatte und an Asthma sowie Diabetes leidet, muß die Wohnung nun bis zum 30. September verlassen. Kommunalmedien zufolge gilt Roth in dem Dorf als sehr bekannt. Zuletzt half er als Fahrer für den Krankenpflegeverein und betreute Senioren. Als 2015 innerhalb weniger Monate Hunderttausende Asylsuchende nach Deutschland strömten, sei Roth im Arbeitskreis Asyl aktiv gewesen. (ls)