Heiße Phase im Wahlkampf. Bald wird sich zeigen, ob der Einsatz belohnt wird. Nicht nur in Thüringen, sondern zuerst in der AfD-Bundestagsfraktion. Die nämlich wählt am kommenden Dienstag ihren neuen Fraktionsvorstand, turnusgemäß zwei Jahre nach dem Einzug 2017. Zwar hatten bereits im Mai Abgeordnete vorgeschlagen, die Vorstandswahlen vorzuziehen – auf die Sitzungswoche vor der Sommerpause.
Begründung war unter anderem, daß dann die sitzungsfreie Zeit für die Einarbeitung genutzt werden könnte und außerdem eine zeitliche Entzerrung von den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen sowie vom Parteitag mit der Neuwahl des AfD-Bundesvorstands möglich wäre. Doch die Fraktion folgte dem nicht und beließ es beim ursprünglichen Prozedere.
Nun wählt die AfD-Fraktion also am Dienstag im „Paulskirchen-Saal“ ihre neue Spitze. Daß dabei die beiden Co-Vorsitzenden im Amt bestätigt werden, gilt als sicher. Bereits frühzeitig hatte Alexander Gauland bekannt gegeben, er trete wieder an – am liebsten „wieder zusammen mit Frau Weidel“. Offener ist die Besetzung der Vize-Posten. Hier gilt eine Veränderung als sicher: Roland Hartwig tritt aus eigenem Antrieb nicht wieder als stellvertretender Vorsitzender an, sondern möchte sich – protokollarisch eine Stufe unterhalb – als Parlamentarischer Geschäftsführer (PGF) bewerben, um künftig mehr „im operativen Geschäft“ zu sein.
Nichts wäre fataler, als einen „Brinkhaus-Moment“
Ziemlich wahrscheinlich gilt die Wiederwahl der Vizes Tino Chrupalla und Leif-Erik Holm. Der Sachse Chrupalla gilt in der AfD generell als kommender Mann, der sich lagerübergreifend vieler Sympathien erfreut. Als Mann der Finanzen hat er ähnlich wie der für Personalfragen zuständige Holm zwar ein Aufgabenfeld, mit dem man sich nicht nur Freunde macht, aber immer wieder wird den beiden von Kollegen eine professionelle Arbeit attestiert – kein schlechtes Zeichen im „gärigen Haufen“ (Gauland). Zumal ein externes juristisches Gutachten gerade ihre Position bestätigte, wonach die Anwendung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) für Angestellte der Fraktion dringend geboten sei, wenn es nicht zur Kollision mit dem Bundesrechnungshof kommen soll.
Daß sie diejenigen wieder an der Seite haben möchten, auf deren fachlich gute Arbeit und Unterstützung sie sich in den vergangenen zwei Jahren verlassen konnten, daraus machen die Vorsitzenden keinen Hehl. Namen der Wunschkandidaten werden nach außen indes nicht kommuniziert. Offenbar mit Bedacht. Denn nichts wäre fataler, als einen „Brinkhaus-Moment“ zu erleben – so wie Angela Merkel, als die CDU/CSU-Fraktion ihren Protegé Volker Kauder durchfallen ließ.
Auch der stellvertretende Vorsitzende Peter Felser kann lobende Worte („sehr strukturiert“, „hängt sich rein“) für seine Arbeit verbuchen. Insbesondere die holprig gestartete IT-Versorgung der Fraktion habe er in den Griff bekommen. Ob sich das positiv auswirkt auf die Chancen zur Wiederwahl, läßt sich in der AfD schwer vorhersagen.
Von Storch gegen Curio
Im Hintergrund scheint es – glaubt man den Gerüchten – den Versuch gegeben zu haben, Felser zum Wechsel auf einen PGF-Posten zu bewegen. Doch der Abgeordnete aus dem bayerischen Schwaben tritt als Vize wieder an. Ebenso wie Beatrix von Storch, deren Wahlchancen manche als wackelig bezeichnen. Andere verweisen darauf, daß sie zu den prominentesten Gesichtern der AfD gehöre und ein Aushängeschild des christlich-konservativen und wirtschaftsliberalen Flügels sei.
Konkurrenz könnte sie ausgerechnet aus dem eigenen Landesverband bekommen: wie der Flurfunk eifrig verbreitet, beabsichtigt Gottfried Curio zu kandidieren, der mit seinen durchkomponierten Reden im Plenum die Klickzahlen in den sozialen Medien regelmäßig durch die Decke gehen läßt und es so unter AfD-Anhängern zu einem gewissen Kultstatus gebracht hat.
Daß es weitere Kandidaten geben wird, gilt als sicher. Sehr wahrscheinlich auch solche, die bereits vor zwei Jahren – erfolglos – einen Posten in der Führung der Fraktion anstrebten. Mancher, der sich dafür im Vorfeld die Unterstützung von Alexander Gauland holen wollte, wurde abschlägig beschieden. Leute, denen Ambitionen für einen leitenden Posten nachgesagt werden, gibt es viele in der AfD-Fraktion. Aber es gibt auch nicht wenige, die solche Ambitionen ihrer Kollegen zu verhindern wissen.
Wechsel sind sicher
Bei den Parlamentarischen Geschäftsführern sind Wechsel sicher. Nicht beim Ersten PGF Bernd Baumann. Er gehört zu den zwei Kandidaten, die von einem Vorsitzenden ins Rennen geschickt wird, in seinem Fall von Gauland. Hier ist Kontinuität gefragt. Auf dem „Ticket“ von Alice Weidel geht Roland Hartwig an den Start.
Er soll sich um Strategien und Kampagnen kümmern. Das wiederum schmälert die Wiederwahlaussichten für den derzeitigen PGF Jürgen Braun, zumal er sich mit der ebenfalls zur Landesgruppe Baden-Württemberg gehörenden Fraktionschefin Weidel überworfen hat.
Ganz sicher nicht mehr antreten wird Michael Espendiller, der junge Abgeordnete aus Nordrhein-Westfalen hatte bereits im Frühjahr seinen Verzicht angekündigt. Auch Hansjörg Müller, frisch gewählter stellvertretender Landesvorsitzender in Bayern, kandidiert nach eigenen Worten nicht wieder. Mit seiner Initiative für Mitgliederparteitage auf Bundesebene kommt er bei Teilen der Basis offenbar an, in der Fraktion dagegen nicht.
Strömung egal, Professionalität nicht
Seinen Hut auf jeden Fall in den Ring werfen wird der Brandenburger René Springer. Seine Unterstützer verweisen darauf, daß der Sozialpolitiker sehr erfolgreich parlamentarische Anfragen in den Medien platzieren und so Themen – wie etwa die Überweisungen von Kindergeld in EU-Staaten– öffentlichkeitswirksam „bespielen“ konnte.
Bemerkenswert ist, daß die Frage, welcher innerparteilichen Strömung ein potentieller Kandidat angehört, in der Fraktion kaum eine Rolle spielt. Eine etwas größere Bedeutung wird dem regionalen Proporz beigemessen. Offenbar ist für die überwiegende Mehrheit der Abgeordneten aber ganz entscheidend, daß kompetente Leute in den Vorstand der Fraktion ziehen sollen. In Gesprächen mit AfD-Politikern hört man bezeichnenderweise immer wieder die Formulierung, man müsse „professioneller“ werden.
Indes wäre die AfD nicht die AfD, wenn exakte Vorhersagen über die Wahl des Fraktionsvorstands am Dienstag möglich wären. Womit allenthalben zu rechnen ist: daß es eine längere Sitzung wird.