BERLIN. Zahlreiche Bundestagsabgeordnete haben sich fraktionsübergreifend für die Kostenübernahme von Bluttests bei ungeborenen Kindern auf Trisomie durch die Krankenkassen ausgesprochen. Ihre Gegner argumentierten, dadurch wachse der Druck auf Eltern und die Zahl der Abtreibungen werde steigen.
Die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Schmidtke (CDU) warb für die Übernahme durch die Kassen. Die seit Jahren zugelassenen Bluttests ließen sich per Gesetz nicht mehr vom Markt nehmen. Zudem wies sie auf die deutlich höhere Gefahr bei den Fruchtwasseruntersuchungen hin, die von den Kassen bezahlt werden.
Auch der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Karl Lauterbach argumentierte vor diesem Hintergrund für die Bluttests. Der weniger riskante Test dürfte Frauen, die sich ihn nicht leisten könnten, nicht vorenthalten werden.
Diese schwierige Frage ist weniger eine medizinische als eine ethische, argumentiert @Karl_Lauterbach. „Wir können nicht sagen: ‚Den besseren Test können wir Ihnen nicht anbieten, weil Sie das Geld nicht haben.‘ Das ist aus meiner Sicht falsch.“ #Trisomie21 pic.twitter.com/KVZjq9JYeF
— SPD im Bundestag (@spdbt) 11. April 2019
Gegner warnen vor Selektion
Seine Parteikollegin und frühere Gesundheitsministerin, Ulla Schmidt (SPD), argumentierte ebenso wie die behindertenpolitische Sprecherin der Grünen, Corinna Rüffer, dagegen. Kostenlose Bluttests dienten letztlich der Selektion. Rüffer sagte: „Dieser Test kann nicht dazu dienen zu heilen, weil das Down-Syndrom keine Krankheit ist.“ Eine entsprechende Diagnose führe meistens zu einer Abtreibung.
Die stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende Beatrix von Storch sprach sich entschieden gegen die Kostenübernahme aus. Sie befürchte, die Debatte über die pränatale Diagnostik schaffe ein gesellschaftliches Klima, daß die Berechtigung, sich für ein behindertes Kind zu entscheiden, in Frage stelle. Zugleich warnte sie vor einer Entwicklung hin zu einer Welt, in der nur „optimierte Menschen“ lebten und kranke Menschen aussortiert würden.
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Hingegen forderte ihr Parteikollege Axel Gehrke, der für die AfD als Obmann im Gesundheitsausschuß sitzt, den Test zur Kassenleistung zu machen. Zugleich mahnte er eine höhere „Wertschätzung des ungeborenen Lebens“ an.
Ärzte, Kassen und Kliniken wollen im August Entscheidung treffen
Die SPD-Abgeordnete Dagmar Schmidt plädierte für eine „Willkommenskultur für alle Kinder“. Außerdem dürften Ärzte Frauen nicht zu derartigen Untersuchungen drängen. Es gebe auch ein „Recht auf Nichtwissen“.
Der FDP-Abgeordnete Jens Beeck betonte die Verantwortung der Politik in dieser Frage. Die Debatte im Parlament könne nur ein Auftakt sein und werde nicht alle ethischen Dilemmata lösen können.
Hintergrund der Diskussion ist ein laufendes Verfahren im gemeinsamen Bundesausschuß von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken, der über neue Kassenleistungen entscheidet. Eine Entscheidung über die mögliche Kostenübernahme der Bluttests soll im August fallen. (ag)