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Landesparteitag der AfD in Nordrhein-Westfalen: Im Westen noch nichts Neues

Landesparteitag der AfD in Nordrhein-Westfalen: Im Westen noch nichts Neues

Landesparteitag der AfD in Nordrhein-Westfalen: Im Westen noch nichts Neues

Rüdiger Lucassen (l.) sowie Verena Wester und Thomas Röckemann
Rüdiger Lucassen (l.) sowie Verena Wester und Thomas Röckemann
Rüdiger Lucassen (l.) sowie Verena Wester und Thomas Röckemann Fotos: picture alliance/Carsten Koall/dpa / Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa / Swen Pförtner/dpa / JF-Montage
Landesparteitag der AfD in Nordrhein-Westfalen
 

Im Westen noch nichts Neues

Der tief zerstrittene AfD-Landesverband in Nordrhein-Westfalen wählt am Samstag einen neuen Vorstand – vielleicht. Denn noch ist nicht klar, was auf die Teilnehmer des Parteitags zukommen wird. Vorhersagen, ob und wie der Konflikt entschieden wird, sind unmöglich, Überraschungen nicht unwahrscheinlich.
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An Sorgenkindern herrscht kein Mangel unter den AfD-Landesverbänden. Vor allem im Westen dominieren Flügelkämpfe, Personalquerelen, ja sogar erbitterte Feindschaften die Schlagzeilen, ob in Bayern, Baden-Württemberg oder Schleswig-Holstein. Kein Wunder, daß auch der mitgliederstärkste Verband – Nordrhein-Westfalen – seit jeher ein besonders zerstrittener Unruheherd ist. Veranschaulicht wird das in dem Umstand, daß seit Juli nur noch ein Rumpfvorstand amtiert.

Beim Parteitag in Warburg waren neun der zwölf Vorstandsmitglieder von ihren Ämtern zurückgetreten, unter anderem der Vorsitzende Helmut Seifen. Einzig sein Co-Landeschef Thomas Röckemann und die beiden stellvertretenden Vorsitzenden Christian Blex und Jürgen Spenrath, Vertreter des „Flügels“, hielten an ihren Posten fest (interner Spottname „Pattex-Boys“). Ein Antrag auf Abwahl der drei verfehlte knapp die erforderliche Zweidrittelmehrheit.

Nun soll am Samstag der zweite Anlauf zur Vorstandsneuwahl genommen werden, das war eine klare Forderung des AfD-Bundesvorstands, der andernfalls mit Amtsenthebung gedroht hatte. Nur einen Tag sieht die Tagesordnung der Noch-Vorstände für die Neuwahl vor; ein Trick, denn erfahrungsgemäß reicht die Zeit dafür hinten und vorne nicht, vermuten Röckemanns innerparteiliche Kontrahenten. Sie unterstützen die Kandidatur des Bundestagsabgeordneten Rüdiger Lucassen. Der hatte sich bereits im Juli bereit erklärt, „aber ausdrücklich nur als Einzelspitze und nur für den Fall einer Neuwahl eines Vorstandes“, betonte der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion.

Vorgehensweise unsicher

Die Befürchtung seiner Unterstützer: Die Gegenseite könnte vorhaben, eine echte Neuwahl zu hintertreiben und lediglich einen Schatzmeister nachwählen lassen; so wäre der bisherige Rumpfvorstand wieder beschlußfähig. Aus dem Umfeld des Noch-Vorsitzenden wird das bestritten. Es werde definitiv eine Neuwahl des gesamten Vorstands geben, sagte Verena Wester der JUNGEN FREIHEIT. Die Juristin, derzeit Beraterin des dreiköpfigen Rumpfgremiums, kündigte an, sie werde am Samstag gemeinsam mit Röckemann als Doppelspitze für den Vorsitz kandidieren.

Nach Lage der Dinge müßten die Delegierten dann jedoch zunächst über die Frage Einer- oder Doppelspitze abstimmen. Daß unter diesen Umständen dann noch ein kompletter Vorstand an lediglich einem Tag gewählt werden kann, gilt unter AfD-Umständen – zumal in einer aufgeheizten Stimmung des zerstrittenen Landesverbands – als höchst unwahrscheinlich. Unter den Röckemann-Gegnern kursiert die Vermutung, daß im Falle einer Wahl Lucassens eine weitere Besetzung des Vorstands verzögert werden soll. „Die setzen auf Verfahrenstricks und eine destruktive Strategie, da bin ich mir sicher“, äußert ein Mitglied seinen Verdacht. Doch im Unterschied zu früheren Parteitagen habe man sich dagegen mit einer eigenen Strategie besser gewappnet, gibt sich der AfD-Mann zuversichtlich.

Veranstaltungen mit Flügel-Politikern geplatzt

Ursprünglich hatte Lucassen sogar vorgehabt, versöhnliche Signale Richtung „Flügel“ zu senden. Ein Weg: mehrere Bürgerdialoge oder „Politische Frühstücke“ gemeinsam mit dem Brandenburger Partei- und Fraktionsvorsitzenden Andreas Kalbitz, dem Sieger der jüngsten Landtagswahl und nach Björn Höcke prominentesten Gesicht der Parteirechten. Die Verabredung zwischen dem Oberst a.D. Lucassen und dem ehemaligen Oberfeldwebel Kalbitz hatte eine Bedingung: keine Veranstaltungen mit Lucassens Konkurrenten. Doch unmittelbar vor dem ersten geplanten Dialog wurden Orte und Zeiten der Veranstaltungen durchgestochen; die Rede war zudem von Bedrohungen der Gastwirte durch die linksextreme Antifa.

Stattfinden dagegen konnte ein AfD-Oktoberfest mit Röckemann in Mühlheim an der Ruhr; als prominenter Gast dabei: Bundesvorstandsmitglied Andreas Kalbitz. Zuvor waren Röckemann und Blex außerdem Gäste der Brandenburger AfD-Wahlparty am 1. September in Werder an der Havel. Lucassen sah sich hintergangen und kündigte die Vereinbarung. Seine geplanten Veranstaltungen mit Kalbitz in den Kreisverbänden Münster, Aachen und Krefeld wurden abgesagt.

Diejenigen der unter dem Motto „Eine Stimme“ firmierenden Unterstützer Lucassens, die das Vorhaben von vornherein skeptisch beäugt hatten, fühlten sich bestätigt. Mit welch harten Bandagen innerparteilich gekämpft wird, machen via Facebook geteilte „offene Briefe“ deutlich, in denen dem verteidigungspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion unterstellt wird, er sei „Ex(?)-Waffenhändler“ und, „von wem auch immer, gut instruiert“ in die AfD „geschickt worden“. Eine weitere Verschwörungstheorie lautet: Der „Saubermann“ sei von „Alt-Pretzellianern“ – also Anhängern des 2017 aus der AfD ausgetretenen früheren Landessprechers Marcus Pretzell – „ausgesucht“ worden, um den nordrhein-westfälischen Verband „in deren Sinne weiterzuführen“.

Vorhersagen sind unmöglich

Dabei gehören zu denen, die für Lucassen als alleinigem Vorsitzenden plädieren, auch Leute, die sich innerparteilich eher dem „Flügel“ zuordnen. Schließlich habe der frühere Kampfhubschrauber-Pilot, so heißt es bei seinen Unterstützern, stets betont, es wolle das gesamte Spektrum der AfD abgedeckt und im Vorstand vertreten wissen. Er sprach sich zudem gegen innerparteiliche Gesinnungsschnüffelei aus.

Eine Befähigung, den zerstrittenen Landesverband führen und langfristig auch wieder einen zu können, wird Lucassen offenbar auch von der Spitze der Bundespartei attestiert. Allerdings vermissen manche, so ist zu hören, eine deutlichere Fürsprache aus dem Mund von Alexander Gauland oder Jörg Meuthen. Kritisch vermerkt ein Mitglied außerdem, das keiner der beiden Vorsitzenden seine Teilnahme am Parteitag zusagte.

Vorhersagen, ob und wie der Konflikt am Samstag entschieden wird, sind unmöglich, Überraschungen nicht unwahrscheinlich. Sicher scheint nur: Es dürfte hoch hergehen beim Sorgenkind im Westen.

JF 41/19

Rüdiger Lucassen (l.) sowie Verena Wester und Thomas Röckemann Fotos: picture alliance/Carsten Koall/dpa / Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa / Swen Pförtner/dpa / JF-Montage
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