BERLIN. SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach hat den 100 Lungenärzten und Wissenschaftlern widersprochen, die in einem Brandbrief eine Neubewertung der Feinstaub- und Stickoxid-Grenzwerte gefordert hatten. „Wir haben keine Studien, die derzeit die Gefährdung in Frage stellen würden“, sagte Lauterbach MDR Aktuell.
Im Gegenteil bewiesen neuere Studien, „daß die Grenzwerte eher zu hoch als zu niedrig sind“. Man müsse hier vor allem an den Schutz von älteren Menschen und Kindern denken. Es sei ausgeschlossen, daß 100 deutsche Lungenärzte den europäischen Grenzwert beeinflussen könnten – „insbesondere, wenn es sich um eine Position handelt, die international von Wissenschaftlern nicht geteilt wird“.
Lob von Scheuer
An Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) appellierte Lauterbach, die Bevölkerung noch stärker über Gesundheitsrisiken durch Feinstaubbelastung aufzuklären. „Wir sehen immer klarer, daß Feinstaubbelastungen bei Kindern zu Entwicklungsstörungen des Gehirns führen und bei älteren Menschen zu Demenz. Um dem zu begegnen, muß mehr aufgeklärt werden, daß der Einzelne sich auch schützen kann. Und da fehlt mir bisher die Stimme des Gesundheitsministers.“
Auch die EU-Kommission verteidigte nach dem Brandbrief der Wissenschaftler die Grenzwerte. „Tatsache ist, daß wir leider die Auswirkungen auf die alltägliche Realität von Hunderttausenden von alten und jungen Menschen in Städten in ganz Europa sehen können, die aufgrund der schlechten Luftqualität mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen haben“, sagte EU-Umweltkommissar Karmenu Vella den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Lob erhielten die Mediziner dagegen von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU. Die Initiative sei ein wichtiger und überfälliger Schritt. Er helfe mit, „Sachlichkeit und Fakten in die Diesel-Debatte zu bringen“. Die Unterzeichner des Briefs sehen dagegen „derzeit keine wissenschaftliche Begründung für die aktuellen Grenzwerte für Feinstaub und NOx“, heißt es laut Welt und NDR in dem Papier.
„Völlig unsinnig“
Der frühere Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP), Dieter Köhler, der den Brief zusammen mit drei Ko-Autoren verfaßt hat, kritisierte die von der EU festgelegten Stickoxid-Werte als „völlig unsinnig“. Wenn man die Belastung durch Zigarettenrauch mit der angeblichen Belastung durch Feinstaub vergleiche, „müßte eigentlich jeder Raucher binnen weniger Wochen tot umfallen“. (tb/ls)