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Wahl des Görlitzer Oberbürgermeisters: Eine zweigeteilte Stadt

Wahl des Görlitzer Oberbürgermeisters: Eine zweigeteilte Stadt

Wahl des Görlitzer Oberbürgermeisters: Eine zweigeteilte Stadt

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Octavian Ursu und Sebastian Wippel Foto: picture alliance/Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa, picture alliance/Peter Endig/dpa / JF-Montage
Wahl des Görlitzer Oberbürgermeisters
 

Eine zweigeteilte Stadt

Die Fronten sind verhärtet, durch die Stadt geht ein Riß: Am 16. Juni müssen sich die Görlitzer entscheiden, ob Sebastian Wippel (AfD) oder Octavian Ursu (CDU) neuer Oberbürgermeister in der östlichsten Stadt Deutschlands wird. Franziska Schubert von den Grünen hatte zuvor ihre Bewerbung zurückgezogen, um die Wahl des AfD-Politikers zu verhindern.
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Durch Görlitz geht ein Riß. Er geht mitten durch Familien, durch Betriebe, durch Sport- und Kulturvereine. Und er ist so tief, so emotional, daß sich viele Bürger, die um die andere Meinung des Verwandten, Kollegen oder Freundes wissen, einander in diesen Tagen aus dem Weg gehen oder krampfhaft nach unverfänglichen Themen suchen, um Streit zu vermeiden.

Es geht darum, wo die Wähler am 16. Juni bei der Wahl des Oberbürgermeisters ihr Kreuz setzen: bei Octavian Ursu von der CDU oder Sebastian Wippel von der AfD, für den beim ersten Wahlgang knapp 37 Prozent der Görlitzer gestimmt hatten.

Das Interessante an der Konstellation ist, daß beide Kandidaten für Görlitz im Sächsischen Landtag sitzen: Ursu, ein aus Rumänien stammender diplomierter Musiker, als direkt gewählter Abgeordneter; Polizist Wippel, im OB-Wahlkampf mit dem Slogan „Ein Görlitzer für Görlitz“ angetreten, über die Landesliste seiner Partei.

Grünen-Bewerberin zieht Kandidatur zurück

Zwei weitere Bürger der 56.000-Einwohner-Stadt sitzen im Dresdner Parlament: Mirko Schulze für die Linken und Franziska Schubert von den Grünen. Letztere gehörte ebenfalls zu den Bewerbern um das zu besetzende OB-Amt. Wer als unbedarfter Tourist dieser Tage durch die aus einem polnischen und einen deutschen Teil bestehende Stadt spaziert, könnte glauben, daß Schubert die gemeinsame Oberbürgermeisterin der geeinten Europastadt Görlitz/Zgorzelec werden möchte. Den mit einem riesigen Poster wirbt sie noch immer an einem alten Siloturm östlich der Neiße in deutscher und polnischer Sprache um Wählerstimmen.

Tatsächlich hat Schubert ihre Kandidatur nach einigem Zögern zurückgezogen, seit sie im ersten Wahlgang nur auf Platz drei gelandet ist. Und mit dem Bekanntwerden dieses Ergebnisses begann in Görlitz ein von den sozialen Medien zusätzlich angeheiztes, mit Gerüchten, Halbwahrheiten und Lügen gespiktes Spektakel, was seinen vorläufigen Höhepunkt am Dienstagabend im Saal des ehrwürdigen Theaters fand, das die Bürger stolz ob seiner inneren Pracht als „unsere kleine Semperoper“ bezeichnen.

Die örtliche Tageszeitung hatte die beiden verbliebenen Kandidaten, Wippel und Ursu, zu einer letzten gemeinsamen Diskussionsrunde einschließlich Bürgerfragestunde eingeladen. Beide brachten reichlich Sympathisanten mit, zudem waren auch viele gekommen, die noch unsicher waren, wen sie wählen sollten.

Görlitz gilt als CDU-Stadt

Zur Vorgeschichte gehört, daß die Liebe der Görlitzer zu ihren seit 1990 demokratisch gewählten Oberbürgermeistern immer schnell erkaltet war. Der erste, ein Christdemokrat, schaffte es zwar noch in eine zweite Amtszeit, wurde dann aber per Volksentscheid gestürzt. Ihm folgte ein Fachhochschulprofessor mit SPD-Parteibuch, der ebenfalls ein zweites Mal antreten wollte, aber als er bemerkte, wie schlecht seine Chancen stehen, schnell zurückzog. Erneut gewann ein Christdemokrat, der sich aber mit der Partei überwarf und während der laufenden Legislatur die CDU verließ. Als er es nach sieben Jahren erneut wissen wollte, schmiedete die gekränkte CDU gemeinsam mit den linken Parteien und einer Wählervereinigung ein Bündnis gegen diesen Oberbürgermeister und setzten ihren Kandidaten durch, ein ehemaliges SED-Mitglied. Dieser lenkt seit dem als früherer Manager die Geschicke der Stadt.

Zur Vorgeschichte gehört auch, daß Görlitz fast drei Jahrzehnte als schwarze Stadt galt, in der man, dankbar für die wiedergewonnene Einheit, CDU wählte. Der erste Bruch kam, als der damalige sächsische Generalsekretär, der gebürtige Görlitzer und heutige Ministerpräsident Michael Kretschmer, seiner Partei als Landtagsdirektkandidaten den zugezogenen Solotrompeter Octavian Ursu präsentierte. Der hatte zuvor eine Blitzkarriere in der örtlichen Partei hingelegt. Es war das erste Mal, daß die CDU in Görlitz tatsächlich zittern musste, ob die Bürger ihr folgen würden. Sie taten es, wenn auch nicht mehr so viele.

Zur weiteren Vorgeschichte gehört, daß der Landtagsabgeordnete Ursu, nach dem sein Gönner Kretschmer das Bundestagsdirektmandat an einen Herausforderer von der AfD verlor, bekannt gab, seinen Landtagswahlkreis für eine Kandidatur Kretschmers freizugeben. Der regiert zwar seit anderthalb Jahren als Sachsen-Premier, benötigt aber dringend eine demokratische Legitimation.

Ursu lehnt Kooperation mit AfD ab

Und die jüngste Vorgeschichte ist, daß Ursu, nachdem am Morgen des 27. Mai die Ergebnisse der ersten Runde des OB-Wahlkampfes feststanden, sofort bekannt gab, als Zweitplatzierter in der zweiten Runde anzutreten. Damit brüskierte er die Grünen, deren Kandidatin Schubert knapp hinter ihm auf dem dritten Platz gelandet war. Aber Ursus Kalkül ging auf. Letztlich blieb Schubert nichts anderes übrig, als zurückzuziehen. Geht es doch nun darum, die „Machtergreifung“ der AfD, wie es die Linken formulierten, in Görlitz zu verhindern. Zum zweiten Mal schmieden Parteien und Bürgerverein eine Einheitsfront gegen einen ihnen mißliebigen Kandidaten.

Demokratie sei ihm wichtig, versichert Ursu im Görlitzer Theater. Als Oberbürgermeister werde er im Stadtrat mit allen reden, auch mit der AfD. Deren Stadträte sollten sich aber nicht einbilden, daß sie etwas bewirken könnten, auch wenn sie mit 13 Abgeordneten die stärkste Fraktion und ein Drittel des Rates stellen: „Ich kenne die Haltung Ihrer Partei. Ich teile diese nicht. Und werde daher mit Ihnen nicht zusammenarbeiten.“ Sollte die Mehrheit der Görlitzer Wähler jedoch für seinen Konkurrenten Wippel stimmen, müßten sie sich schon heute gewiß sein, daß gegen dieses Stadtoberhaupt immer eine Mehrheit des Stadtrates stehen werde. Ein OB Wippel werde nichts von seinen Ideen umsetzen können.

Octavian Ursu und Sebastian Wippel Foto: picture alliance/Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa, picture alliance/Peter Endig/dpa / JF-Montage
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