BERLIN. Die CSU hat Kompromißbereitschaft beim Familiennachzug gegenüber den Sozialdemokraten signalisiert. „Die SPD muß jetzt einen Vorschlag machen, wie sie sich die konkrete Ausgestaltung beim Thema Familiennachzug vorstellt“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann der Passauer Neuen Presse. Entscheidend sei, daß der Korridor von 180.000 bis 220.000 humanitärer Zuzüge pro Jahr nicht überschritten werde.
In den Sondierungsgesprächen hatten sich SPD und Union auf einen Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz von 1.000 Personen pro Monat verständigt. Die SPD hat Nachbesserungen und eine Härtefallregel verlangt. Herrmann betonte, daß nach dem Verständnis der CSU die Härtefälle in der Zahl von 1.000 Nachzugsberechtigten bereits enthalten seien.
Söder: Sind sehr skeptisch
Wenig Raum für Kompromisse sieht der designierte bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU). „Wo erkennbar ist, daß jemand wieder in sein Land auch zurückkehren wird, wenn der Krieg zu Ende ist – daß dann die ganze Verwandtschaft nachkommt, da sind wir sehr, sehr skeptisch“, zitiert ihn der Bayerische Rundfunk.
Auch die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) äußerte sich ablehnend. Das Sondierungspapier beinhalte genügend Spielraum für Härtefälle, sagte sie der Bild am Sonntag.
Heftige Kritik an der Nachverhandlungsabsicht der SPD kommt von den Kommunen. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sprach sich gegen eine Wiederaufnahme des Familiennachzugs aus. „Die derzeitige Übergangsregelung verschafft den Städten und Gemeinden die dringend notwendige Zeit, um sich auf die Integration derjenigen Geflüchteten mit Bleibeperspektive konzentrieren zu können“, sagte Landsberg dem Handelsblatt.
Zweitfrau darf nachkommen
Mit Blick auf die Integrations- und Sprachkurse sowie den noch wachsenden Bedarf an Plätzen in Schulen, Kitas und auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt seien die Voraussetzungen für den Familiennachzug für viele Städte und Gemeinden nicht gegeben.
Unterdessen haben sich Politiker von Union und SPD unter bestimmten Bedingungen auch offen für den Nachzug von Zweitfrauen gezeigt. Er sei dabei zwar skeptisch, schließe aber nicht völlig aus, daß man im Einzelfall im Sinne des Kindeswohls „auch anders entscheiden“ könne, sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) der Rheinischen Post.
Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Eva Högl, betonte, der Nachzug einer Zweitfrau könne dann erlaubt werden, wenn dieser zur Vermeidung einer „außergewöhnlichen Härte“ erforderlich sei. „Das kann unter Umständen der Fall sein, wenn Kinder ohne ihre leibliche Mutter in Deutschland aufwachsen müssen“, präzisierte sie. Hintergrund ist ein Fall im schleswig-holsteinischen Pinneberg. Die dortigen Behörden hatten zunächst den Familiennachzug von vier weiteren Kindern eines Flüchtlings genehmigt und dann die Mutter jener Kinder zu deren Wohl nachgeholt. Dabei handelte es sich um die Zweitfrau des Flüchtlings. (tb)