POTSDAM. Das AfD-Bundesvorstandsmitglied Steffen Königer ist aus der Partei ausgetreten. „Für mich ist jetzt ein Zeitpunkt erreicht, an dem ich mit meinem Gewissen nicht mehr vereinbaren kann, was geschieht“, sagte Königer bei einer Pressekonferenz am Donnerstag vormittag in Potsdam. Die Bürgerlichen in der AfD hätten in seinen Augen „den Kampf gegen die destruktiven Kräfte verloren“, resümierte der Politiker. Das liege auch daran, daß die Moderaten häufig zu leise seien, selbst wenn sie die Mehrheit stellten.
Königer zeigte sich zudem enttäuscht von den Parteivorsitzenden, die seine Versuche „den Igitt-Faktor in der Partei zu senken“, nicht genug unterstützt hätten. Während er sich beispielsweise als Bundesvorstandsmitglied dafür ausgesprochen hatte, der Jungen Alternative (JA) den Status als offizielle Jugendorganisation abzuerkennen, hätten sich ganze AfD-Landesverbände wie etwa der Brandenburger pauschal hinter die JA gestellt. Dies sei auch gegenüber dem Bundesvorstand unsolidarisch gewesen. Zudem habe er den Eindruck gewonnen, daß viele Funktionsträger eine Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz fahrlässig in Kauf nähmen.
Auf dem Weg zur „Björn-Höcke-Partei“
Königer war seit Dezember 2017 Beisitzer im Bundesvorstand. Mitte November hatte er sich erfolglos um einen vorderen Platz auf der Liste seiner Partei für die Europawahl beworben. Ausdrücklich widersprach Königer der Interpretation, daß dies der Grund für seinen Parteiaustritt sei. Allerdings sei der Parteitag in Magdeburg tatsächlich auch ein Auslöser gewesen. Ihn habe dort erschreckt, wieviel Beifall und zum Teil stehende Ovationen manche Verschwörungstheorien bekommen hätten. „Die Partei hat sich in den Jahren meiner Mitgliedschaft grundlegend verändert. Viele politische Mitstreiter aus den Anfangsjahren haben die Partei bereits verlassen, Vertreter verbalradikalen Gedankenguts sind an ihre Stelle getreten.“
Bisher habe er geglaubt, daß die Bürgerlichen es noch schaffen, das Ruder herumzureißen, die Verbalradikalen hinauszudrängen. Dieser Glaube sei geschwunden. „Der Flügel agiert nach dem Motto ‘Wir wollen nicht den Kuchen, sondern die ganze Bäckerei.’ Und ich habe keine Lust darauf, darin ein Krümel zu sein“, so Königer. Die AfD sei auf dem Weg, eine Björn-Höcke-Partei zu werden. Dem Thüringer Landesvorsitzenden warf Königer vor, einen Kult um seine Person noch weiter anzuheizen. In diesem Zusammenhang sprach er von „sektenartigen Zusammenschlüssen“ in der Partei.
Ob er seinen Austritt auch als eine Art Fanal verstanden wissen will? Nein, dahinter stehe ausschließlich eine Gewissensentscheidung. „Erst auszutreten, wenn die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet wird, wäre zu spät“, ergänzte Königer gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Die Hoffnung, daß aus dem „gärigen Haufen“ AfD doch noch eine konservative Volkspartei werde, habe er aufgegeben. Daher werde er „ehrliche konservativ-bürgerliche Politik“ künftig als fraktionsloser Abgeordneter machen.
AfD-Fraktion prüft Ausschluß von Sayn-Wittgenstein
Unterdessen hat die AfD-Fraktion im Landtag von Schleswig-Holstein angekündigt, den Ausschluß der Landesvorsitzenden und Landtagsabgeordneten Doris von Sayn-Wittgenstein zu beraten. Dies werde am 4. Dezember während einer Sitzung der Fraktion geschehen. Zuvor war durch Recherchen der Welt bekanntgeworden, daß Sayn-Wittgenstein für einen Verein geworben hatte, der sich laut niedersächsischem Verfassungsschutzbericht einer „revisionistischen, antisemitischen und fremdenfeindlichen Geschichtsbetrachtung und -verbreitung“ verschrieben habe. Die erste Vorsitzende des 1992 gegründeten Vereins war demnach die mehrfach verurteilte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck. (tb/vo)