Daniel S. ist ein großer Mann mit Bauchansatz. Er hat ein Informatikstudium abgebrochen, arbeitet jetzt als Programmierer – 25 Stunden die Woche. Früher war er Mitglied bei den Piraten. Jetzt ist er angeklagt.
„Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften 1. die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft oder böswillig verächtlich macht oder 2. Die Farben , die Flaggen , das Wappen oder die Hymne der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder verunglimpft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft“, steht in Paragraph 90 Strafgesetzbuch.
Der goldene Streifen fehlte
Und genau deshalb steht Daniel S. vor Richterin Kerstin Guse-Manke in Saal 863 im Amtsgericht Berlin-Tiergarten. Der Prozeß beginnt mit zehnminütiger Verspätung um 12.40 Uhr. In dem großen Saal ist es heiß. Zuhörer fächeln sich Luft zu. Der Angeklagte blickt zu seiner Anwältin, versucht sich, so scheint es, klein zu machen.
Noch vor dem Beginn des Prozesses, im Warteraum vor dem Saal, stand er abseits, lächelte schüchtern. Schüchtern, verhuscht – dabei ist der Mann – wenn man seine Internetkommentare liest – eher der linken Szene zuzuordnen.
Der ledige Vater soll, so die Anklage, am 7. Juni 2016 eine zerschnittene Deutschlandfahne in seinem Büro aufgehängt haben. Der goldene Streifen fehlte, zu sehen waren nur schwarz und rot. Sie war für die Kollegen sichtbar.
Der Angeklagte schweigt
Darüber hinaus soll er ein Foto davon in seinen Sozial-Media-Accounts hochgeladen haben. Unter dem hashtag: #cutTheGold, soll er folgenden Satz abgesetzt haben: „I found a flag on our officedoor und hat to set a sign.“ (Ich fand eine Flagge an unserer Bürotür und mußte ein Zeichen setzen.)
Zu seinem Verdienst mag sich Daniel S. nicht äußern. „Dann schätze ich ihn auf 1.900 Euro netto“, sagt die Richterin. Aber auch zur Anklage will er sich nicht einlassen. Das Reden überläßt der sonst – jedenfalls im Internet – nicht auf den Mund gefallene Mann dann vor Gericht doch lieber seiner Anwältin. Die sagt: „Das Zerstören der Fahne kommt hier nicht in Betracht.“
Ihr Mandant fand lediglich eine rotschwarze Fahne im Büro vor, die habe er gepostet, das sei keine Verunglimpfung. Sie fordert für Daniel S. Freispruch. Für die Staatsanwaltschaft ist hingegen klar, daß er die zerschnittene Fahne gepostet habe. Allein durch das Posten habe er sie öffentlich verunglimpft. Die Forderung: 2.400 Euro Geldstrafe.
Richterin verweist auf Hambacher Fest
Um 12.58 Uhr verkündet Guse-Manke ihr Urteil: „Die Zerstörung der Fahne war dem Angeklagten nicht zu beweisen. Aber es ist auf dem Foto zu erkennen, daß es noch einen goldenen Rand gibt.“ Die Richterin weiter: „Sie haben bewußt die deutsche Fahne verunglimpft. Die Fahne geht zurück auf das Hambacher Fest. Sie steht für die freiheitliche demokratische Grundordnung. Sie haben die Rechte, die Ihnen über Artikel 5 zugesichert sind, überschritten.“
Die Strafe: 50 Tagessätze zu 50 Euro, also 2.500 Euro Geldstrafe – oder bei Nichtbezahlen 50 Tage Haft. Der Angeklagte muß die Kosten des Verfahrens tragen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Schnell nach der Urteilsverkündung verschwindet Daniel S. mit seiner Anwältin aus dem Saal.