BERLIN. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vermutet hinter den türkischen Spionageversuchen in Deutschland eine gezielte Provokation. „Da gibt es vielleicht noch einen Plan dahinter, über den muß man nachdenken“, sagte er im ZDF-Morgenmagazin. Vielleicht habe der türkische Geheimdienst den Bundesnachrichtendienst (BND) dazu bringen wollen, gegen bestimmte Personen zu ermitteln und dies dann zu veröffentlichen. Hintergrund ist ein Gesuch des türkischen Nachrichtendienstes an den BND, in Deutschland lebende Mitglieder der Gülen-Bewegung zu überwachen.
Der Chef des türkischen „Nationalen Nachrichtendienstes“ hatte dem BND-Präsidenten Bruno Kahl am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar eine Liste mit circa 300 Namen von angeblichen Gülen-Anhängern in Deutschland übergeben, berichteten NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung. Auf der Liste sollen unter anderem die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering und die Berliner CDU-Politikerin Emine Demirbüken-Wegner stehen.
Uhl sieht Parallelen zum Ermächtigungsgesetz
Ähnlich wie de Maizière hatte sich zuvor der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Stephan Mayer (CSU), gegenüber der Passauer Neuen Presse geäußert: „Offenbar will die türkische Regierung durch das offene Einräumen der Spionagetätigkeit die Bundesregierung bewußt provozieren und herausfordern.“ Es sei nicht davon auszugehen, „daß die türkische Seite so naiv war, davon auszugehen, daß das Dossier nicht ans Licht der Öffentlichkeit kommt“.
Anders bewertet sein Parteikollege, der Bundestagsabgeordnete und Innenpolitiker Hans-Peter Uhl, die türkische Bitte: „Zu glauben, daß die deutschen Dienste dem türkischen Dienst hierbei Amtshilfe leisten, zeigt die Borniertheit der türkischen Regierung“, sagte er dem Handelsblatt. Unter Präsident Recep Tayyip Erdogan entferne sich die Türkei „in Sieben-Meilen-Stiefeln“ von rechtsstaatlichen und demokratischen Prinzipien. Das Verfassungsreferendum sei nichts anderes als ein Ermächtigungsgesetz. „Die Ähnlichkeiten zum Führerprinzip Adolf Hitlers“ seien beängstigend. (tb)