BERLIN. Der Publizist Thilo Sarrazin hat die europäische Asylpolitik und den Pakt mit der Türkei scharf kritisiert. Jeder Staat müsse seine Grenzen auch selbst schützen, sagte der frühere Berliner Finanzsenator der Bild-Zeitung. „Diese Aufgabe geben wir jetzt ab an einen Staat, der traditionell bei der Durchsetzung weniger Skrupel hat als die Länder West- und Nordeuropas und gegenwärtig im Osten der Türkei die eigene Zivilbevölkerung bombardiert.“
Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sei der Pakt mit Ankara dennoch ein Erfolg, der aber „ein Jahr und 1,2 Millionen Flüchtlinge zu spät“ komme. Die Grenzsicherung der Türkei zu überlassen, bedeute, „das Unangenehme von uns wegzuverlagern“, betonte Sarrazin. „Im Grund verläßt sich Angela Merkel darauf, daß unsere Grenzen von zwei Halbdiktatoren geschützt werden – davon heißt einer Erdogan und der andere Putin.“
AfD und die „nationale Einheitsfront“
Sarrazin zeigte sich zudem sicher, daß CDU und SPD den Erfolg der AfD hätten verhindern können, wenn sie seine Lösungsvorschläge ernst genommen hätten, die er bereits 2010 und 2012 in den Büchern „Deutschland schafft sich ab“ und „Europa braucht den Euro nicht“ präsentiert habe. „Die AfD wäre 2013 gar nicht erst gegründet worden oder hätte zumindest nicht diese Wahlerfolge.“
Viele Bürger hätten das Gefühl, ihre Meinung nicht mehr offen sagen zu können. „So wählten sie in der Stille der Wahlkabine die einzige Alternative, die ihnen auf den Stimmzetteln angeboten wurde.“ Die weitere Entwicklung für den Erfolg der AfD sieht der Autor noch offen. „Merkels Politik hat bundesweit rechts der CDU ein heimatloses Wählerpotential von 20 bis 25 Prozent hinterlassen.“ Er wolle nicht ausschließen, „daß die AfD hier dauerhaft ihre Rolle findet, wenn sie sich nachhaltig und glaubwürdig von rechtsextremen Strömungen abgrenzt“.
In der Einwanderungspolitik gebe es derzeit eine „nationale Einheitsfront“, unterstrich der Publizist. „Zwischen CDU, SPD, Grünen und Linken gibt es bundesweit bei der Flüchtlings- und Einwanderungspolitik keine nennenswerten Unterschiede. Dennoch glaubt Sarrazin, daß Merkel trotz ihrer „falschen Politik“ möglicherweise auch nach 2017 Bundeskanzlerin bleiben wird. (ls)