STUTTGART. Die Drohung des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer (Grüne), privaten Wohnraum für Asylbewerber zu konfiszieren, ist auf scharfe Kritik gestoßen. Der Eigentümerverband „Haus und Grund“ teilte mit, ein derartiges Vorgehen sei rechtlich unhaltbar.
Wenn einzelne Personen freien Wohnraum nicht vermieten wollten, müsse dies toleriert werden, sagte der baden-württembergische Geschäftsführer des Verbandes, Ottmar Wernicke, den Stuttgarter Nachrichten. Palmer hatte zuvor Haus- und Wohnungsbesitzer in Tübingen angeschrieben, die ihr leerstehendes Eigentum bisher nicht vermietet haben und ihnen dabei indirekt auch mit der Beschlagnahme gedroht. Zudem müßten Städte, Gemeinden und Landkreise zuvor alles getan haben, selbst eine Lösung zu finden, um solche Enteignungen durchzusetzen.
Gemeinden überfordert
Auch der Städtetag zeigte sich skeptisch. Angesichts des starken Anstiegs der Asylanträge fielen „ein paar leerstehende Wohnungen“ nicht ins Gewicht. Palmer zeigte sich unbeeindruckt. „Den sinnlosen Leerstand müssen die Kommunen in den Griff bekommen, zur Not auch mit einer Beschlagnahmung, damit wir über den Winter kommen.“ Zwar gebe es strenge Vorgaben für Enteignungen, durch den Bau von Zeltstädten und der Belegung von Sporthallen mit neuen Asylbewerbern seien diese jedoch erfüllt, betonte der Grünen-Politiker.
Unterstützung bekam Palmer vom Tübinger Bundestagsabgeordneten Christian Kühn (Grüne). Dieser regte an, ein „Zweckentfremdungsverbot“ zu erlassen, das es Immobilienbesitzern verbietet, ihr leerstehendes Eigentum länger als sechs Monate unvermietet zu lassen. „Ein Zweckentfremdungsverbot ist einer rechtlich problematischen Beschlagnahme vorzuziehen und bedarf keiner Genehmigung durch den Landkreis oder das Land“, unterstrich Kühn.
Die Debatte um Zwangsenteignungen gewinnt damit weiter an Fahrt. Bereits Anfang der Woche hatte der Oberbürgermeister von Salzgitter, Frank Klingebiel (CDU), gefordert, das Grundrecht auf Eigentum wegen der nötigen Unterbringung von Asylbewerbern einzuschränken. (ho)