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Transparenz: Piratenpartei beerdigt eigene Grundsätze

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Transparenz
 

Piratenpartei beerdigt eigene Grundsätze

Bislang haben sich die Piraten Transparenz, Basisdemokratie und Informantenschutz auf die Fahne geschrieben. Jetzt sorgen Gerüchte über Vetternwirtschaft für eine Wende. Die Partei erlebt einen Kulturschock der besonderen Art – und will von Offenheit nichts mehr wissen.
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Christian Jacken, Mitglied der Piratenpartei, wird an einem Interview von „Parteifreunden“ gehindert Foto: Youtube/Dennis Plagge

BERLIN. Bislang haben sich die Piraten Transparenz, Basisdemokratie und Informantenschutz auf die Fahne geschrieben. Jetzt sorgen Gerüchte über Vetternwirtschaft für eine Wende. Die Partei erlebt einen Kulturschock der besonderen Art – und will von Offenheit nichts mehr wissen.

Am Montagnachmittag wird die Berliner Abgeordnetenhausfraktion der Piratenpartei in einer nichtöffentlichen Sitzung beraten. Grund für die Zusammenkunft sind Vorwürfe der Vetternwirtschaft. Bislang konnte die Öffentlichkeit die Sitzungen in der Regel im Internet verfolgen. Es ist jedoch nicht das erste Mal, daß sich die junge Partei von ihren zentralen Anliegen wie Transparenz verabschiedet.

Der Grund für das Treffen und die neue Heimlichtuerei ist ein Zerwürfnis in der Berliner Fraktion, der ersten Piratenfraktion überhaupt. Dem Co-Vorsitzenden Christopher Lauer wird Vetternwirtschaft vorgeworfen. Seine Freundin arbeitet als Assistentin für die Abgeordnete Susanne Graf. Die Mutter der Freundin ist obendrein Fraktionssprecherin.

Vetternwirtschaft-Vorwürfe

Lauer weist entsprechende Amigo-Vorwürfe von sich. Er habe die Assistentin seiner Kollegin erst kennengelernt, als diese bereits die Arbeit aufgenommen habe. Dafür wirft er seinen Fraktionskollegen gezielte Indiskretionen vor, um ihn zu beschädigen. Am Freitag hatte Lauer kurzfristig zu einer Pressekonferenz geladen, auf der er die Vorwürfe gegen sich ausräumen wollte. Er forderte den Parteiausschluß des bislang unbekannten Urhebers der Gerüchte.

Dies brachte ihm wiederrum den Vorwurf ein, er verhalte sich unkooperativ gegenüber seinen Fraktionskollegen. Bei Twitter empört sich die Basis über das PK-Gate. Die Abgeordnete Susanne Graf schreibt in ihrem Blog: „Maßgeblich bin ich von Christopher Lauer enttäuscht.“ Sie warnt zudem vor einem „Klima der Angst“ und erklärt, sie schäme sich für die Partei.

Vorwürfe der Vetternwirtschaft tauchen nicht zum ersten Mal in der Piratenfraktion auf. Eben jene Susanne Graf, die nun Lauer kritisiert, wollte 2011 ihren Lebensgefährten Christopher Lang als persönlichen Referenten einstellen. Und auch der linke Abgeordnete Oliver Höfinghoff beschäftigte monatelang seine Freundin Mareike Peter. Diese beendet im Mai ihr Arbeitsverhältnis, ist dann allerdings Kandidatin der Piratenpartei für den Bundestag.

Auch auf dem zurückliegenden Bundesparteitag hat die Partei die eigenen Forderungen nach Transparenz und Basisdemokratie konterkariert: Der Parteitag beschloß am 11. Mai in Neumarkt einen Unvereinbarkeitsbeschluß mit der Alternative für Deutschland (AfD).

Zwar ist so ein Beschluß nicht spektakulär. Der Umgang mit einem Piraten-Mitbegründer und gleichzeitigen AfD-Mitglied hingegen war bizarr. Christian Jacken  wurde gewaltsam vom Parteitag entfernt.

Jacken ist nicht irgendein Pirat. Er hat gemeinsam mit einem amerikanischen Computerhacker das basisdemokratische Konzept Liquid Democracy erfunden. Es hat teilweise in Form der Parteisoftware Liquid Feedback Eingang in den Alltag der Piratenpartei gefunden.

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In jetzt aufgetauchtem Filmmaterial ist zu sehen, wie zwei Ordner Jacken hinausbefördern. Eine Angehörige des parteiinternen Wachpersonals attackiert zudem die Person, die die Szene filmt. Sie ruft in Stasi-Manier „Abmarsch, Abmarsch“ und „Kamera runter“. Die Ordner haben zudem Journalisten am Gespräch mit Jacken gehindert. Er kommt nur dazu, zu sagen: „Ich dachte, wie sind hier unter Demokraten.“

Dann hält ein Ordner die Hand vor die Kamera. Später berichtet er davon, daß er grundlos vom Parteitag entfernt wurde, als er eine ESM-kritische Rede hielt. Er wird später durch die eigens herbeigerufene Polizei dazu gezwungen, seinen Akkreditierungsausweis abzugeben, um zu verhindern, daß er noch einmal auf den Parteitag zurückkehrt.

Parteimitglieder konstatieren „Nazijägertum“

Auf der Youtube-Seite, auf der das Video zu sehen ist, wird ausgiebig über den Vorfall diskutiert. Ein Mitglied der Piratenpartei berichtet, er habe in der Partei schon öfter „dieses Nazijägertum erlebt“. Die Ordner hingegen beklagen sich darüber, daß die Aufnahmen von ihnen nicht verpixelt worden sind.

Verpixelte Filmaufnahmen von einem Parteitag. Das wäre mal etwas Neues, hätte aber wenig mit dem Anspruch der Partei zu tun, für die ein „transparenter Staat“ ein Kernanliegen ist. Und über das Verbreiten von internen Informationen, wie sie Christopher Lauer am liebsten bei Strafe unterbunden sehen möchte, heißt es im Parteiprogramm: „Whistleblowing ist eine Form der Zivilcourage.“ (rg)

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