Der Klima-Zirkus gastiert wieder, diesmal bei den Scheichs am Golf. Das Publikumsinteresse hält sich freilich in bescheidenen Grenzen, da mögen die Medien noch so viel Wind machen. Seit die Rechnung für die eilig zusammengemerkelte Energiewende in Form von munter kletternden Strompreisen präsentiert wird, dämmert auch immer mehr gutwilligen Deutschen der Zusammenhang: Mode-Ideologien à la „Klimaschutz“ versprechen zwar Heil und Erlösung irgendwann in ferner Zukunft, kosten aber heute erst mal viel, viel Geld, das sofort und reichlich im Kasten zu klingen hat.
Ideologien sind geschlossene Gedankensysteme mit dogmatischen Voraussetzungen und simplen Lösungen, die keinen Widerspruch zulassen und Skeptiker oder Abweichler automatisch zu Ketzern und Verrätern an der quasireligiös überhöhten „guten Sache“ stempeln. Wenn solche Ideenkonstrukte den Elfenbeinturm besessener Wissenschaftler verlassen und von Politikern mit Machtinstinkt adoptiert werden, wird’s teuer und gefährlich.
Probleme lösen, die man ohne Ideologie erst gar nicht hätte
Nicht nur, weil sie einen unschlagbaren Vorwand bieten, um die Bürger nach Belieben zu gängeln und zu kujonieren und ihr Geld in fragwürdige Subventionen zu verpulvern – für das hehre Ziel, und um sich von der bevorstehenden Apokalypse freizukaufen, ist ja wohl kein Opfer zu groß, oder? So werden – die „Energiewende“ ist das beste Beispiel – immense Ressourcen gebunden, um Probleme zu lösen, die man ohne die vorangegangene ideologische Hauruckentscheidung gar nicht hätte.
Die Freiheit bleibt dabei auf der Strecke. Die persönliche Freiheit der Bürger, wenn sie genötigt werden, sich mit ideologisch vorgeschriebenen teureren und schlechteren Produkten zu begnügen – Symbol dafür: die geächtete Glühbirne; aber auch die politische, wenn sich selbst ermächtigende Bürokratien, die jede Ideologie-Politik unvermeidlich mit sich bringt, immer mehr Kompetenzen an sich reißen und Entscheidungen von den repräsentativen Institutionen weg auf unkontrollierbare graue Eminenzen im Hintergrund verlagert werden.
Die Exekutive soll den „Bürgerwillen mobilisieren“
Das klingt dann so wie beim obersten Klimaschutzberater der Bundesregierung: Die Klimaforscher müßten „wie eine planetarische Ratingagentur“ den Politikern „Problemfakten“ und Lösungswege „auf den Tisch knallen“, verkündet Klima-Papst Hans Joachim Schellnhuber im Vollbewußtsein der eigenen Unfehlbarkeit; die „Rolle der Politik ist es dann, den Bürgerwillen zu mobilisieren, um wissensbasierte Entscheidungen umzusetzen“. Die Exekutive dient nicht dem Bürgerwillen, sie macht und steuert ihn; streng „wissenschaftlich“ natürlich, auch der Sozialismus, hieß es einst, ist allmächtig, weil er wahr ist. Dr. Seltsam läßt grüßen.
Wolfgang Schäuble ist diese Denkweise wohlvertraut. Was die „Klimaschützer“ global anstreben, exerzieren die „Euro-Retter“ schon längst im kontinentalen Maßstab: die Diktatur der „Alternativlosigkeit“. Die „Rettung des Weltklimas ist mindestens so wichtig wie die des Euro“, predigte dieser Tage eine süddeutsche Provinzzeitung in entwaffnender Naivität. Der Vergleich trifft trotzdem: Was den einen die Sintflut, ist den anderen der Euro-Zusammenbruch; beide malen apokalyptische Höllenszenarien aus, sollte man ihre Forderungen nicht erfüllen, und erpressen die verängstigten Untertanen mit Schuldkomplexen („menschengemacht“ und „europäische Verantwortung“).
So funktioniert Ablaßhandel heute
Und eigentlich sind die Bürger und selbst ihre gewählten Repräsentanten zu dumm, um das ganze Ausmaß zu überblicken und richtig zu entscheiden, das überläßt man lieber den Schellnhubers und Draghis, den „Klimaforschern“ und „Stabilitätsmechanismen“, die uns versichern, daß die paar Fantastillionen, die sie zur Verhinderung des Weltuntergangs brauchen, doch recht eigentlich ein Schnäppchen sind. So funktioniert Ablaßhandel heute.
In überreifen westlichen Wohlfahrtsstaaten fällt das auch deswegen auf so fruchtbaren Boden, weil in ihnen Ideologie-Politik seit Jahrzehnten eingeübt worden ist. Die Ökoreligion rettet den von uns Konsum-Sündern verschmutzten Planeten mit Dosenpfand, Mülltrennung und Sondersteuern, der Gender-Glaube verheißt Befreiung von patriarchalischer Erbschuld durch totale Gleichheit der Gleicheren, mit Multikulturalismus und „Kampf gegen Rechts“ erlösen wir uns von der Vergangenheit und ihrer zentnerschweren Sündenlast.
Wer verdient am schlechten Gewissen?
Und auch wenn das Himmelreich auf Erden, wo all das wahr wird, noch immer in weiter Ferne liegen mag und wir uns noch ordentlich anstrengen und Buße tun müssen, um vielleicht auch einmal zu den Guten zu gehören – siehe da, einigen geht es schon jetzt ganz gut dabei. Wer zählt all die Gleichstellungsbeauftragten und Genderforscher, Integrations- und Sozialindustriellen, Sozialarbeiter und „Nazi“-Jäger, die gut verdienen am schlechten Gewissen, das sie uns einreden?
Mit Ideologie-Politik lassen sich bürokratische Ermächtigung, private Profitinteressen und Klientelversorgung prächtig vereinen. Alle drei haben gemeinsam, daß die Rechnung am Ende immer den Steuerzahlern aufgedrückt wird, die vom anwachsenden Heer moderner Bußprediger und Ablaßhändler ausgesaugt werden. Das Treiben all dieser Dunkelmänner verlangt geradezu nach einer neuen Aufklärung. Wenn das nächste Mal die Klima- und Euro-Retter oder sonstige Weltverbesserer klingeln und an euer Geld wollen: Habt Mut, euch des eigenen Verstandes zu bedienen.
JF 49/12