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Afghanistankrieg: Nicht im deutschen Interesse

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Afghanistankrieg: Nicht im deutschen Interesse

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Afghanistankrieg
 

Nicht im deutschen Interesse

Weder Besatzung noch Bombenkrieg konnten Afghanistan eine „westliche“ Ordnung aufzwingen. Von Zivilgesellschaft und Demokratie ist Afghanistan – trotz militärischer Kraftakte und gutgemeinter Projekte – weit entfernt.
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Unwort, Umfrage, Alternativ

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Der Befehlshaber der Isaf-Schutztruppe, General David Petraeus, am Bundeswehr-Ehrenmal: Entgrenzung des Verteidungsauftrags Foto: Bundeswehr/Rütters

Im Dezember hatte das Bundeskabinett ein neues Mandat für den schon mehrfach verlängerten Afghanistaneinsatz beschlossen. Jetzt hat der Bundestag darüber abgestimmt. Zugleich wird mit dieser Verlängerung der Abzug der Truppen eingeleitet. Damit soll „die Nachhaltigkeit der Übergabe der Verantwortung in Afghanistan und der Abzug der internationalen Truppen bis Ende 2014 gewährleistet werden“, wie es in dem Kabinettsbeschluß heißt.

Ein Fragezeichen hinter diese Absicht setzte allerdings die jüngste Bonner Afghanistankonferenz. Schon am Eröffnungstag war sie ein Opfer des amerikanisch-pakistanischen Konflikts geworden. Daß Pakistan, Schlüsselstaat für die Zukunft am Hindukusch, demonstrativ fernblieb, ließ die Konferenz wie ein Staatsbegräbnis für Afghanistan aussehen. Weder Befriedung noch Rettung und schon gar nicht eine Umformung des Krisenstaats nach westlichem Gusto können noch als Optionen gelten. Jenseits des Schönredens der Politiker sind die Illusionen verflogen.

Seit über zehn Jahren führen die USA und ihre Verbündeten Krieg in Afghanistan, länger als der Erste und der Zweite Weltkrieg dauerten. Was haben sie in dieser Zeit erreicht? Ein klein wenig mehr als „nichts“, auf jeden Fall aber ein politisches Debakel. Nach dem Abzug werden alle Strukturen wieder eingerissen werden. Von Zivilgesellschaft und Demokratie ist Afghanistan – trotz militärischer Kraftakte, Milliardenspritzen und gutgemeinter Projekte – weit entfernt.

Das afghanische Staatswesen wurde nicht berücksichtigt

Realität ist, daß Isaf- und Nato-Truppen (inklusive Bundeswehr) ein Afghanistan verlassen werden, dessen Herz sie nicht gewinnen konnten und dessen eigenes Lebensgesetz sich durch Bombenkrieg und Besatzung eher gefestigt hat. Fraglich ist, ob eine tribalistisch organisierte, ethnisch zerklüftete und religiös fixierte Gesellschaft sich überhaupt „westlich“ entwickeln kann. Die Sicherheitslage bleibt angespannt, die Taliban beherrschen schon jetzt weite Gebiete, Korruption und Opiumanbau blühen. Pakistan, das Afghanistan als strategisches „Hinterland“ betrachtet, bereitet sich darauf vor, „zu übernehmen“.

Isaf und Nato konnten der Realität des unverstandenen Landes nicht die Stirn bieten. Bereits im Konzept der Isaf-Mission hatte man die komplizierten Strukturen des afghanischen Staatswesens – eines mißratenen Wechselbalgs britischer Kolonialarroganz – nicht berücksichtigt: Die Planer hatten auf eine hoffnungsvoll wartende Bevölkerung gerechnet, nicht mit wachsendem Widerstand. Richtig ist, daß der US-Militärschlag 2001 in erster Linie der Rache für „9/11“ geschuldet war. Mag sein, daß der sich anschließende Krieg zusätzlich mit einer Art „Seidenstraßenstrategie“ zu tun hat oder dem geostrategischen Interesse, an Chinas Südflanke engagiert zu sein.

Möglich wurde der Übermut, weil das Ende des Kalten Kriegs den USA eine „Position des überlegenen Abstands“ zu allen anderen Mächten beschert hatte. Washingtons neue Sicherheitsdirektive war inspiriert von der Anmaßung, in der zukünftigen Weltordnung komme allein den USA eine „globale Souveränität“ zu. Der „Rausch der einzig verbliebenen Supermacht“ (Scholl-Latour) zeigte eine ausgeprägte Tendenz, den Globus nach eigenem Gutdünken neu zu „ordnen“, und in der Folge formulierte auch die Nato eine neue Bündnisstrategie, die eine Selbstmandatierung für Kriegseinsätze in aller Welt vorsah.

Präzedenzfall „humanitäre Intervention“ im Kosovokrieg

Als 1999 der Kosovokrieg begann, ließ sich zum ersten Mal auch Deutschland in den Sog dieses Denkens ziehen, der die deutsche Außenpolitik neu ausgerichtet hat. Im Kosovo beteiligte sich die Bundesrepublik erstmals an einem Krieg – der noch dazu nicht ihrer Verteidigung diente. Zum ersten Mal hatte die Nato, der die Bundeswehr Truppen stellte, einen souveränen Staat angegriffen, ohne ihm einen Bruch des äußeren Friedens vorwerfen zu können. Für das neue Kriegsbild, das einen vom Angreifer definierten Bruch des „inneren Friedens“ als Interventionsgrund nannte, wurde eine neue Kategorie erfunden – die „humanitäre Intervention“.

Für Deutschland wurde die Teilnahme am Kosovokrieg zum Präzedenzfall. Sie verwies die „deutschen Interessen“ als Maxime der Außenpolitik auf einen hinteren Rang – und öffnete den Weg für fremdorientierte Interpretationen der „sicherheitspolitischen Verantwortung“ Deutschlands, wie sie dann in Afghanistan ihre umstrittene Fortsetzung fand. Hinter den USA und Großbritannien stellt Deutschland dort das drittgrößte Kontingent. Der Einsatz kostete bisher 52 Bundeswehrsoldaten das Leben.

Die „Entgrenzung“ des Verteidigungsbegriffs spiegelt sich in der außen- und sicherheitspolitischen Praxis Deutschlands seit dem Epochenwandel 1989/90 – in der langen Liste von Auslandseinsätzen vom Kosovo über Somalia bis Afghanistan. In der amtlichen Begründung der Bundesregierung zur Fortsetzung des Afghanistaneinsatzes heißt es: „Die Stabilisierung, der Wiederaufbau und die Entwicklung Afghanistans bleiben vorrangige Ziele der internationalen Gemeinschaft und damit der Bundesrepublik Deutschland.“

Deutsche Soldaten sterben nicht für Deutschland

Der Kölner Staatsrechtsprofessor Otto Depenheuer kritisierte dies in der FAZ als „Begriffsverwirrung“: „Deutsche Soldaten kämpfen also unter Einsatz ihres Lebens für den Wiederaufbau Afghanistans, weil die internationale Gemeinschaft und damit die Bundesrepublik dies so will. Von deutschen Sicherheitsinteressen kein Wort. Die deutsche Republik verteidigt nicht sich, sondern die Freiheit Afghanistans.“

Der Begriff der Verteidigung nehme aber „Bezug auf den Staat“ und damit notwendig auf: Staatsgebiet, Staatsvolk und Souveränität. Nur bei einer „nationalen Erdung“ des Verteidigungsauftrags könnten deutsche Soldaten auch wissen, wofür sie ihr Leben riskieren sollen: „nämlich für den Staat des Grundgesetzes, dem sie vieles zu verdanken haben und dem sie solidarisch verpflichtet sind“.

JF 05/12

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