BERLIN. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ist sowohl von den Befürwortern als auch den Gegnern des Euro-Rettungsschirms überwiegend positiv aufgenommen worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von einem „guten Tag für Deutschland und Europa“. Das Gericht sei den Weg gegangen, „der auch mich geleitet hat“, sagte Merkel im Bundestag.
Auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sprach im Parlament von einer „guten Botschaft aus Karlsruhe“. Die Linie der großen Mehrheit des Bundestages und des Bundesrates sei auch von den Richtern des höchsten deutschen Gerichtes gebilligt worden. Ähnlich äußerte sich auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP). Er sprach sprach von einem Urteil „im pro-europäischen Geist unserer Verfassung“. Daß die deutsche Haftung auf 190 Milliarden Euro begrenzt wurde, sei notwendig. „Die deutsche Leistungskraft darf nicht überfordert werden“, betonte Westerwelle.
Der Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler (CSU), einer der Beschwerdeführer gegen den ESM, sprach indessen von einer „rechtlichen Sensation“ und einem „riesigen Erfolg der Kläger“. Denn noch nie, so Gauweiler, habe das Bundesverfassungsgericht „die Ratifikation eines völkerrechtlichen Vertrages davon abhängig gemacht, daß der Bundespräsident bei der Ratifikation völkerrechtliche Vorbehalte erklärt“.
Von Arnim zieht durchwachsenes Resümee
So hatten die Karlsruher Richter unter anderem festgestellt, daß es Deutschland völkerrechtlich erlaubt sei, den Fiskalpakt zu kündigen, auch wenn in dem Vertrag ein Kündigungsrecht nicht vorgesehen ist. Der Verfassungsrechtler und prominente Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim sagte gegenüber der Welt, das Karlsruher Urteil sei politisch ein Sieg für die Bundesregierung, juristisch aber nur eine Teil-Niederlage der Kläger. Denn deren Beschwerden seien zwar abgewiesen worden, „aber mit gewissen Einschränkungen für die Politik“.
Dazu zähle, daß die deutsche Haftungsgrenze von 190 Milliarden Euro nicht mehr ohne Zustimmung des Bundestages ausgeweitet werden könne und daß das Gericht die Immunität der Mitarbeiter des ESM, die im ESM-Vertrag steht, „zumindest teilweise aufgelockert“ habe. Entsprechend durchwachsen ist auch von Arnims Resümee; „Das Gericht hat alle Kompetenz in die Hände der Abgeordneten gelegt. Die Frage ist, ob sie dort in guten Händen ist. Da herrscht auch in der Öffentlichkeit Skepsis, nicht zu Unrecht, wie ich finde. Ich fürchte, dass der Bundestag auch in Zukunft dazu tendiert, das abzusegnen, was die Bundesregierung ihm vorlegt.“
Nehmerländer zeigen sich begeistert
Auch der CDU-Politiker und ESM-Kritiker Wolfgang Bosbach blickte mit gemischten Gefühlen auf die Entscheidung. Positiv sei, daß dadurch die Parlamentsrechte gestärkt wurden. „Auf der anderen Seite ist die Haftungsobergrenze von 190 Milliarden Euro nur scheinbar beruhigend“, stellte der Christdemokrat fest. Gregor Gysi, Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag lobte das Vorgehen der Kläger, zu denen auch seine Fraktion gehört: „Da haben wir doch was geleistet für die Demokratie.“ Sein Parteivorsitzender Bernd Riexinger äußerte sich dagegen deutlich negativer: Das Urteil sei „die Geburtsstunde der Vereinigten Schulden von Europa“.
Positive Reaktionen kamen vor allem aus anderen Mitgliedsstaaten der EU. Italiens Premier Mario Monti sprach mit Blick auf den Karlsruher Richterspruch von einer „großartigen Nachricht“, auch Frankreichs Europa-Minister Bernard Cazeneuve nannte die Entscheidung „eine gute Nachricht für uns alle“. (vo)