BERLIN. Der Widerstand gegen die von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) geplante Extremismusklausel bei der Vergabe von Fördermitteln im „Kampf gegen Rechts“ wächst. Am Donnerstag berät der Bundestag über zwei Anträge von SPD und Grünen sowie der Linkspartei, in denen die Streichung der Klausel gefordert wird.
Diese sieht vor, daß Träger von Projekten gegen Rechtsextremismus künftig nur noch Fördergelder aus den entsprechenden Bundesprogrammen erhalten, wenn sie sich schriftlich zum Grundgesetz bekennen. Zudem sollen die Initiativen verpflichtet werden, auch potentielle Partner auf ihre Verfassungstreue zu überprüfen. Damit soll verhindert werden, daß Linksextremisten im „Kampf gegen Rechts“ Gelder vom Staat erhalten. Linke Organisationen und Initiativen laufen seit Wochen Sturm gegen die Regelung.
Nach Ansicht der Linkspartei schwächt die durch die Erklärung „initiierte Verdachtskultur“ die Arbeit gegen den Rechtsextremismus und führe zu einer großen Verunsicherung der Projekte. „Mittels des Extremismusparadigmas wird ein Verdacht und zum Teil eine Stigmatisierung gegen Initiativen und Gruppen gefördert, die seit vielen Jahren verläßliche und engagierte Partner in die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus sind“, heißt es zur Begründung des Antrages der Linksfraktion.
Zentralrat der Juden droht mit Klage
Auch SPD und Grüne warnen vor einem „Generalverdacht“ gegen Initiativen, die sich im „Kampf gegen Rechts“ engagieren. Es sei eine Selbstverständlichkeit, daß Empfänger von Zuwendungen des Bundes auf dem Boden des Grundgesetzes stehen müßten. „Mit ihrer Arbeit beweisen diese Initiativen mehr als viele andere, daß sie für die Geltung des Grundgesetzes eintreten, die demokratische Kultur stärken und die Demokratie vor ihren Feinden schützen wollen“, begründen Grüne und SPD ihren Antrag. Eine „Sondererklärung zur Verfassungstreue“ sei daher „paradox und widersinnig“.
Unterstützung erhalten die Gegner der Extremismuserklärung durch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) in Auftrag gegeben wurde. Demnach habe der Staat bei der Zahlung von Fördergeldern anders als bei der Verbeamtung oder einer Einbürgerung „wohl kein Recht“, ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu verlangen. Dem stehe die verfassungsrechtliche Meinungsfreiheit entgegen. „In einem Klima des Mißtrauens und der gegenseitigen Gesinnungsüberprüfung dürfte sich das Erleben von demokratischer Teilhabe kaum organisieren lassen“, lautet die Einschätzung der Gutachter.
Bereits am Mittwoch hatten sich der Zentralrat der Juden in Deutschland und der Zentralrat der Muslime den Protesten gegen die Extremismusklausel angeschlossen. Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, warf der Familienministerin eine gezielte Behinderung der Zivilgesellschaft vor und kündigte eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht an, sollte die Klausel nicht zurückgenommen werden. Seiner Ansicht nach zeige ein Engagement im „Kampf gegen Rechts“ bereits, daß der Betreffende auf dem Boden des Grundgesetzes stehe. Der Vorstandsvorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazeyk, warnte vor einem „Bekenntniszwang“ und sprach mit Blick auf die Extremismusklausel von einem „Mißtrauensdiskurs“.
Unterdessen reagierte Sachen, das als erstes Bundesland eine Extremismusklausel eingeführt hatte, auf die Kritik und legte dem Kabinett eine neue Demokratieerklärung vor. Nach dieser müssen sich Vereine, die Fördermitteln beantragen, zur „freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennen“ und versichern, keine Aktivitäten zu entfalten, „die der freiheitlichen demokratischen Grundordnung widersprechen“. Zudem müssen sie dafür Sorge tragen, daß die von ihnen ausgewählten Partnerorganisationen ebenfalls die Demokratieerklärung abgeben.
„Verharmlosung der Verbrechen des DDR-Regimes“
In der früheren Version mußten die Vereine noch garantieren, daß ihre Partner „sich ebenfalls den Zielen des Grundgesetzes verpflichten“, um auszuschließen, „daß einer Unterstützung extremistischer Strukturen durch die Gewährung materieller oder immaterieller Leistungen Vorschub geleistet wird.“
Der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) sagte am Mittwoch, wer den neuen Entwurf der Demokratieerklärung noch als unzumutbar empfinde, entlarve sich damit selbst: „Wenn Vereine und Initiativen, die sich vorgeblich der Demokratie verschrieben haben, sich kritisch zu den elementaren Grundwerten des Grundgesetzes äußern, können sie auch keine staatlichen Gelder zur Förderung von Demokratie und Toleranz empfangen.“ Von „Gesinnungsprüfung“ könne daher auch keine Rede sein. Dies als „Stasimethoden“ zu bezeichnen, sein nicht nur realitätsfremd, sondern relativiere und verharmlose zugleich die Verbrechen des DDR-Regimes.
Ähnlich äußerte sich auch der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Volker Bandmann: Es sei selbstverständlich, von jemandem ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu verlangen, wenn er im Gegenzug Fördergelder erhalte. „Man stelle sich bloß vor, Rechtsextremisten würden sich die Gelder erschleichen. Dann wäre das Geschrei aber groß“, sagte Bandmann. (ms/krk)