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Internet: Aussichtsloser Kampf gegen Wikipedia

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Internet
 

Aussichtsloser Kampf gegen Wikipedia

Die Wählervereinigung „Bürger in Wut“ stößt im Streit um eine kritische Formulierung in dem Online-Lexikon auf unüberwindliche Hindernisse.
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Wikipedia-Loge: Häufig genutztes und bedeutsames Lexikon Screenshot: JF

Die „Bürger in Wut“ sind sauer auf Wikipedia. Auf der Seite der Online-Enzyklopädie stand in einem Beitrag über die bundesweite Wählervereinigung bis vergangene Woche die Behauptung, diese sei „rechtspopulistisch“. Mit dieser Bewertung sind die „Bürger in Wut“ nicht einverstanden.

Außerdem wehren sie sich gegen die in dem Wikipedia-Beitrag aufgestellte Behauptung, die Gruppierung sei aus der Schill-Partei hervorgegangen. Dies könne nicht sein, da die „Bürger in Wut“ bereits 2004 gegründet, die Schill-Partei jedoch erst 2007 aufgelöst wurde. Die Wählervereinigung verlangt daher eine entsprechende Änderung des Wikipedia-Beitrags. Doch dies gestaltet sich schwierig.

Grundsätzlich kann jeder Nutzer der Wikipedia-Seiten Artikel und Beiträge verfassen und Texte ändern. So haben auch die „Bürger in Wut“ zunächst versucht, den Beitrag in ihrem Sinne zu ändern. Diese Version hat allerdings ein anderer Autor bereits eine Stunde später wieder in die ursprüngliche Version umformuliert. Eine gängige und oft kritisierte Praxis bei Wikipedia.

Der Betreiber der Seite sitzt in San Francisco

Zwar können dauerhaft umstrittene Artikel von nicht angemeldeten oder neu angemeldeten Benutzern nicht bearbeitet werden und es kommt auch vor, daß Artikel, die stark umstritten sind, von den Administratoren für jegliche Bearbeitung voll gesperrt werden. Der Beitrag über die „Bürger in Wut“ wird jedenfalls derzeit von angemeldeten Benutzern in mehr oder weniger kurzen Abständen im jeweiligen Sinne geändert.

Will man sich also gegen falsche Tatsachenbehauptungen bei Wikipedia dauerhaft wehren, so ist dies durch Änderungen als Benutzer unmöglich, wie auch die „Bürger in Wut“ feststellen mußten.

Daher wollen sie nun eine Änderung des Artikels bei Wikipedia rechtlich durchsetzen. Doch hier fangen die Probleme erst richtig an: Der Betreiber der deutschsprachigen Seite de.wikipedia.org ist die amerikanische Wikimedia Foundation Inc. mit Sitz in San Francisco.

Auf ein Schreiben des Anwalts der „Bürger in Wut“ reagierte die Foundation mit dem Hinweis, für das Internetangebot inhaltlich nicht verantwortlich zu sein, was nach amerikanischem Recht auch richtig ist. Zwar kann bei Rechtsverletzungen durch einen im Internet abrufbaren Artikel auch vor deutschen Gerichten geklagt werden, wenn der Artikel deutliche Bezüge nach Deutschland aufweist, aber der praktische Nutzen eines Urteils gegen den kalifornischen Betreiber ist gleich Null.

Auf Klagen aus Deutschland hat die Wikimedia Foundation bislang nicht reagiert. Eine Vollstreckung wäre sowieso nur bei einer Verurteilung nach amerikanischem Recht möglich, aber in den Vereinigten Staaten haften die Betreiber von Internetseiten grundsätzlich nicht für fremde Beiträge.

Daher suchen die „Bürger in Wut“ einen Verantwortlichen in Deutschland, den sie auf Änderung des Artikels verklagen können. Angeschrieben haben sie auch die „Wikimedia Deutschland – Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens e. V.“, die die Seite wikipedia.de betreibt. Auf dieser Seite kann zwar eine Verbindung zur deutschsprachigen Seite von Wikipedia angeklickt werden und man gelangt auch über ein Suchportal auf diese Seite, aber Betreiber der deutschsprachigen Seite ist der Verein eben nicht. Gleichwohl wollten schon mehrfach Kläger den Verein auf Unterlassung in Anspruch nehmen, bislang sind aber alle Klagen gescheitert.  

Im Mai haben die „Bürger in Wut“ nun die Wikimedia Foundation bei der Medienanstalt Berlin-Brandenburg angezeigt, weil diese ein journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot betreibe und verpflichtet sei, einen Verantwortlichen mit ständigem Wohnsitz in Deutschland mit Name und Anschrift zu benennen. Die Medienanstalt antwortete darauf schlicht, daß Wikipedia „kein journalistisch-redaktionelles Angebot, sondern eine Datenbank“ sei.

Von der Meinungsfreiheit geschützte Äußerung

Nun will die Wählervereinigung Beschwerde bei der Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten  einlegen. Die Erfolgsaussichten sind aber gering, denn eine Redaktion, die über Inhalte entscheidet, gibt es bei Wikipedia tatsächlich nicht. Auch das Landgericht Hamburg hat 2008 eine redaktionelle Gestaltung bei Wikipedia verneint (Aktenzeichen 324  O 847/07).

Selbst wenn es gelänge, einen Verantwortlichen in Deutschland zu finden, so sind doch die Erfolgsaussichten einer Klage fragwürdig, denn die Bezeichnung der „Bürger in Wut“ als rechtspopulistisch ist eine von der Meinungsfreiheit geschützte Äußerung. Die Behauptung, die Gruppierung sei 2004 aus der Schill-Partei hervorgegangen, wäre ebenfalls eine zulässige Aussage, wenn neben dem Vorsitzenden Jan Timke noch weitere Gründungsmitglieder zuvor bei der Schill-Partei waren.

Die Auseinandersetzung ist durchaus von Bedeutung. So fragwürdig die Entstehung und Bearbeitungsweise von Artikeln bei Wikipedia auch ist, es ist ein häufig genutztes und bedeutsames Lexikon. Somit können falsche Darstellungen den betroffenen Personen oder Vereinigungen erheblich schaden. Gegen falsche Darstellungen bei Wikipedia gibt es dagegen kein effektives rechtliches Mittel.

Seit vergangener Woche steht in dem Beitrag übrigens nicht mehr die eindeutige Bewertung als „rechtspopulistisch“. Nun heißt es unter Angabe der Quelle, daß die „Bürger in Wut“ „von Politikwissenschaftlern als rechtspopulistisch eingeordnet“ werden. Gegen eine solche Formulierung können sich die „Bürger in Wut“ kaum wehren, wie auch deren Vorsitzender Jan Timke weiß. Er prüft jetzt, ob er gegen die zitierten Politikwissenschaftler vorgeht.

JF 30/10

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