BERLIN. Weitreichende Folgen für Deutschland dürfte eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs haben. So sei die bisher geltende Visumspflicht für türkische Staatsangehörige in Deutschland hinfällig, schätzen Rechtsexperten die Wirkung des sogenannten Soysal-Urteils ein. Demzufolge können Türken „zur kurzfristigen Inanspruchnahme der Dienstleistungsfreiheit“ ohne Visum nach Deutschland einreisen.
Hintergrund ist ein Rechtsstreit zwischen den Fernfahrern Mehmet Soysal und Ibrahim Savatli, welche die Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihrer gesetzlichen Visumspflicht für türkischen Staatsangehörige verklagt hatten. Grundlage der Klage ist dabei das Assoziierungsabkommen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit der Türkei, das 1973 in Kraft trat.
Deutsche Visumspflicht durch EU-Recht hinfällig
Artikel 12 des Abkommens hält dabei das Bestreben der Vertragsparteien fest, „untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen“. Im Artikel 41 des Zusatzprotokolls heißt es: „Die Vertragsparteien werden untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen.“
Auf diese „Stillhalteklausel“ beruft sich die Klage, da die allgemeine Visumspflicht von der Bundesrepublik erst 1980 eingeführt wurde. Demzufolge hätte diese keine rechtliche Grundlage gehabt. Eine Argumentation, welcher der Europäische Gerichtshof in seinem Entscheid vom 19. Februar dieses Jahres folgte.
Diese Entscheidung hat in der Türkei für großes Aufsehen gesorgt. Zwar wird von seiten der Bundesregierung verlautbart, dies sei eine Einzelfallentscheidung, doch sind Rechtsexperten anderer Ansicht. „Laut dem Urteil darf die Masse der Türken visumfrei nach Deutschland kommen“, sagte der Experte für Ausländerrecht Edgar Stoppa der Frankfurter Rundschau. (FA)