BERLIN. Ein Berliner Gymnasiast darf laut einem Urteil des Verwaltungsgerichts an seiner Schule nach islamischem Ritus beten. Die Richter in der Hauptstadt gaben damit am Dienstag der Klage eines 16jährigen Schülers des Diesterweg-Gymnasiums in Berlin-Wedding statt.
Bereits im vergangenen Jahr hatte das Gericht dem jungen Moslem zunächst vorläufig erlaubt, einmal am Tag während einer Unterrichtspause gen Mekka zu beten. Die Berliner Senatsverwaltung für Bildung befürchtete jedoch, durch diese Entscheidung würden staatliche Schulen ihre Neutralität einbüßen und es könnten „Glaubensinseln“ entstehen.
Die Verwaltungsrichter sahen im Gegensatz dazu keine Beeinträchtigung des Schulbetriebs vorliegen und verwiesen in ihrer Urteilsbegründung auf die im Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit.
Hoher Stellenwert der Gebetszeiten
Dieses Grundrecht erstrecke sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden.
Nachdem in der Verhandlung auch ein Islamwissenschaftler befragt worden war, inwiefern für einen gläubigen Muslim auch die Gebetszeiten einen hohen Stellenwert hätten, könne nach Meinung der Richter von einem strenggläubigen Schüler nicht erwartet werden, grundsätzlich nur außerhalb der Schulzeit zu beten.
Voraussetzung sei, daß der Gymnasiast bereit ist, für sein Gebet nur die unterrichtsfreie Zeit in Anspruch zu nehmen und daß hierdurch „keine konkreten und unzumutbaren Beeinträchtigungen des Schulbetriebes“ einträten.
Neutralitätspflicht des Staates nicht verletzt
Der 16jährige Schüler hatte gegenüber dem Gericht glaubhaft dargelegt, daß es für ihn eine religiöse Verpflichtung sei, fünfmal täglich zu festgelegten Zeiten die islamischen Ritualgebete zu verrichten und daß er dies auch so praktiziere.
Im März 2008 war ihm per einstweiliger Anordnung dieses in einem extra zugewiesenen Raum ermöglicht. In ihrem aktuellen Urteil stellten die Richter fest, daß die Neutralitätspflicht des Staates es keineswegs gebietet, prinzipiell gegen religiöse Betätigungen einzelner vorzugehen; auch nicht, um Andersgläubige oder Nichtgläubige in ihrer negativen Bekenntnisfreiheit zu schützen. Dies gelte solange, „wie durch organisatorische Vorgaben eine ungewollte Konfrontation vermieden“ werden könne.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das Verwaltungsgericht die Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zugelassen. (vo)