Die Empörung ließ nicht lange auf sich warten: SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sprach von einem Schaden für die Demokratie, Grünen-Chefin Claudia Roth warnte vor der „Sumpflandschaft zwischen Rechtsextremismus und Ultrakonservatismus“, und der Zentralrat der Juden zeigte sich „enttäuscht“ und zweifelte gar an der „Kampfbereitschaft“ gegen Rechtsradikalismus.
Und das alles, weil Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) Mitte vergangener Woche angekündigt hatte, sein Kabinett umzubilden und dabei dem CDU-Vorsitzenden des Kreisverbandes Weimar und Landtagsabgeordneten Peter Krause das Amt des Kultusministers zu übertragen.
Jenem Peter Krause, der 1998 als Redakteur für die JUNGE FREIHEIT tätig gewesen war und der es sogar gewagt hatte, diese in einem Interview in der Thüringischen Landeszeitung als „anerkanntes Medium in der Presselandschaft“ zu bezeichnen.
Doppelmoral bei der Linkspartei
Es dauerte keine 24 Stunden, bis die Entrüstungsmaschinerie über Althaus’ Ministervorschlag anlief. Spiegel online sah Krause wegen seiner Tätigkeit für die JF politisch „schlecht beleumundet“, immerhin fungiere die Zeitung „als Scharnier zwischen demokratischem Konservatismus und der extremen Rechten“. Und auch die Opposition in Thüringen witterte ihre Chance, gegen die alleinregierende CDU zu schießen. Der SPD-Landesgeschäftsführer Jochen Staschewski warf Althaus vor, einen Minister „aus der Grauzone der extremen Rechten“ ins Kabinett zu holen.
Carsten Schneider, Sprecher der SPD-Landesgruppe Thüringen im Bundestag, forderte Krause auf, seine in der Thüringer Landeszeitung geäußerte Einschätzung der JF zurückzunehmen und diese eindeutig als „Sprachrohr der Rechtsextremisten“ zu verurteilen. Andernfalls stehe Krauses „Haltung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung weiter in Frage“ und er sei als verantwortlicher Minister für Schüler und Lehrer nicht geeignet.
Bodo Ramelow von der Linkspartei, der im nächsten Jahr thüringischer Ministerpräsident werden will, warf Krause sogar vor, bislang „keine klare Grenze zwischen Ultra-Konservativen und Neofaschisten gezogen“ zu haben. Daß seine Empörung dabei nicht einer gewissen Doppelmoral entbehrte – schließlich verfügt die Linke selbst über einige Spitzenfunktionäre, die früher für das eine oder andere vom Verfassungsschutz beobachtete Blatt tätig waren –, schien Ramelow allerdings nicht zu stören.
Niemand interessierte sich für Krauses JF-Texte
Am Freitag dann kam Krause seinen Kritikern entgegen und relativierte seine Aussage zur JF. Sie vertrete eine politische Linie, die er als CDU-Politiker nicht teile. Daher arbeite er auch nicht mehr für die Zeitung, ließ Krause mitteilen. Doch auch das vermochte die Stimmung nicht zu beruhigen. Schließlich hatte die taz sich bereits entschlossen, die Angelegenheit als Aufmacher zu bringen.
„Vom rechten Rand in Merkels Mitte“, prangte es auf der Titelseite der Samstagsausgabe. Und das Blatt fuhr schweres Geschütz auf: Es sei unverständlich, warum die Bundes-CDU bislang nicht eingegriffen habe. Krause sei als Ansprechpartner für die Jüdische Gemeinde und als Mitglied des Stiftungsrats der Gedenkstätte Buchenwald „unzumutbar“.
Um das wissenschaftlich zu untermauern, bemühte die taz sogar den emeritierten Politologen Wolfgang Gessenharter um eine Einschätzung der JF. Die Wahl Gessenharters dürfte kein Zufall gewesen sein: Immerhin gehört er zu den eifrigsten Warnern vor der JF und der von ihm erfundenen „Neuen Rechten“.
Gessenharter warnte wie bestellt
Und Gessenharter warnte wie bestellt: Die JF negiere das Grundgesetz. Allerdings so geschickt, daß sie dabei nicht in das Visier des Verfassungsschutz gerate. Außerdem stelle sie immer wieder „die angeborene und unveräußerliche Würde jedes Menschen in Frage“.
Was das alles noch mit Krause zu tun hatte, erschloß sich dem Leser allerdings nicht. Eine Analyse der Texte, die Krause in der JUNGEN FREIHEIT geschrieben hatte, fand jedenfalls nicht statt. Die taz zog es lieber vor, den Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, um eine Stellungnahme zu bitten. Dieser zeigte sich dann auch enttäuscht, daß ausgerechnet das Amt des Kultusministers mit einer Person besetzt werde, „die sich in der Grauzone“ bewege.
Andere Zeitungen wollten und konnten in Sachen „Aufstand der Anständigen“ nicht zurückstecken. Frank Jansen behauptete im Tagesspiegel, die JF gelte „bei Sicherheitsexperten als anrüchig“. Ein Verfassungsschützer habe als Beleg für die problematische Richtung des Blattes einen Artikel vom August 2007 genannt. Darin sei der Begriff „Überfall“ für den Angriff auf Polen 1939 als „unpassend und tendenziös“ bezeichnet worden.
Althaus hält an Krause fest
Trotz des Protests will Ministerpräsident Althaus vorerst an seinem designierten Kultusminister festhalten. Das zumindest sagte Regierungssprecher Fried Dahmen gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Der Mitteldeutschen Zeitung teilte er zudem mit, die JF war und sei nicht verboten und Krause werde ein guter Minister sein, der die Politik der Mitte der Landesregierung stärken werde. Die Zeitung jedoch sieht das anders, denn auf Krauses Internetseite „tauchen Gottfried Benn und Ernst Jünger auf – bedeutende Dichter sicherlich, Dichter aber auch, die die Trennlinie zum NS-System nicht immer sauber zogen“.