KARLSRUHE. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat das Verbot einer Demonstration aufgehoben, die am 8. November in Aachen am Vorabend des 70. Jahrestages der sogenannten Reichkristallnacht geplant war und sich gegen eine „einseitige Vergangenheitsbewältigung“ richten sollte.
Mit der Entscheidung bestätigte das Gericht ein Urteil des Aachener Verwaltungsgerichtes und hob eine Eilentscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster auf, das der Forderung des Polizeipräsidenten von Aachen nach einem Versammlungsverbot nachgekommen war.
Nach Ansicht der Verfassungsrichter reiche eine bloße „zeitliche Nähe“ einer Demonstration von Rechtsextremisten zu einem Gedenktag, der an das Unrecht des Nationalsozialismus und an den Holocaust erinnern soll, nicht für ein Demonstrationsverbot aus.
„Recht verlangt nur äußere Gefolgschaft“
Zudem begründe weder das Motto der Demonstration, „Gegen einseitige Vergangenheitsbewältigung! Gedenkt der deutschen Opfer“, noch das Datum der geplanten Veranstaltung einen ausreichenden Anhaltspunkt für die Begehung von Straftaten.
Zwar habe nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes die Annahme nahegelegen, daß die zeitliche Nähe zum 9. November von den Veranstaltern bewußt auch im Hinblick auf den 70. Jahrestag der Novemberpogrome gewählt worden sei. „Auch mag das Motto in zeitlichem Zusammenhang mit dem 9. November aus Sicht einer in der Öffentlichkeit lange errungenen Geschichtsdeutung als moralisch verwerflich gelten. Meinungsäußerungen sind aber unabhängig von ihrer inhaltlichen ‘Richtigkeit’ oder ihrem ethischen Wert grundrechtlich geschützt“, heißt es in der Begründung der gestern veröffentlichten Entscheidung weiter.
Da das Recht nur äußere Gefolgschaft verlange, könnten Ermächtigungen zur Beschränkung grundrechtlicher Freiheiten nicht an die Gesinnung als solche, sondern stets nur an Gefahren anknüpfen, die aus konkreten Handlungen folgten.