Auch im dritten Winter des Ukraine-Krieges ist kein Ende der Kämpfe in Sicht. Jedoch steht der Januar im Zeichen politischer Bewegung. Nicht nur, daß mit dem erneuten Einzug von Donald Trump ins Weiße Haus ein Paradigmenwechsel in der Außenpolitik der USA bevorsteht. Denn der Enthusiasmus der ersten Wochen ist einem zermürbenden Abnutzungskrieg gewichen und der Verschleiß an Material, aber vor allem an Menschen, ist für beide Seiten enorm hoch.
Norwegen hat Anfang Januar verlautbaren lassen, daß es mit dem bis dato für das Land größten Hilfspaket beginnen wird. 2025 soll die Ukraine von dem skandinavischen Land Hilfslieferungen an Waffen, Munition und Material in Höhe von zwei Milliarden Dollar erhalten, heißt es aus dem ukrainischen Verteidigungsministerium. Aus Nordeuropa kommt seit Kriegsbeginn starke und kontinuierliche Unterstützung für den ukrainischen Abwehrkampf. Innenpolitisch ist die unterstützende Haltung der norwegischen, schwedischen und dänischen Regierungen kein heiß umkämpftes Thema, sondern basiert auf breiter Unterstützung in den Bevölkerungen.
Der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha lobte die Rüstungskooperation des „Dänischen Modells“, wonach skandinavische Länder insgesamt 556 Millionen Dollar im Jahr 2024 in den ukrainischen Rüstungssektor investiert hätten. Teilnehmer der Initiative waren unter anderem Island, Schweden, die Niederlande, Litauen, Norwegen und Dänemark.
Polen und Tschechien bleiben wichtige Lieferanten
Auch Großbritannien hat in dieser Woche verkündet, daß 2025 die bis dato größte Lieferung an Artilleriemunition aus britischer Produktion an die Ukraine gehen wird. Premierminister Keir Starmer sagte, die erste Lieferung Artilleriegranaten werde in den nächsten Wochen erfolgen. Immerhin die ersten Artilleriegranaten seit über 20 Jahren, die heimisch im Königreich hergestellt wurden. Der einst beeindruckende britische Militärkomplex war noch in den 80ern in der Lage, Zehntausende von Granaten und Hunderte eigene Kampffahrzeuge zu produzieren, wurde aber spätestens mit dem Ende des Kalten Krieges zusammengeschrumpft.
Weitere Geberländer sind wie gewohnt Kanada, das beabsichtigt, weitere 300 Millionen US-Dollar in Militärgütern wie Munition zu liefern, aber auch Polen, das ebenfalls noch im Frühjahr ein Hilfspaket im Wert von 200 Millionen US-Dollar schnürt. Über den genauen Inhalt verlor Warschau bisher kein Wort und hielt sich mit Details auch in der Vergangenheit bedeckt.
Analysten gehen jedoch davon aus, daß Polen ähnlich wie Tschechien vor allem versucht, ältere sowjetische Systeme, die noch in der ukrainischen Armee unterhalten werden, wie zum Beispiel T-Panzer und Artilleriegeschütze und Flugzeuge vom Typ Mig, mit Ersatzteillieferungen und passender Munition am Laufen zu halten. Gerade Polen und Tschechien waren in den ersten zwei Jahren des Krieges unersetzlich für die Nato, weil beide Länder größere Reserven an sowjetischer Technik besaßen, die sie der Ukraine schnell zur Verfügung stellen konnten. Diese Depots haben sich mittlerweile zwar geleert, aber über Prag und Warschau laufen weiterhin Beschaffungsnetzwerke für Waffen sowjetischen Typs.
Deutsche RCH 155 geht sofort in die Ukraine
Schlagzeilen machte zuletzt die Übergabe der ersten RCH 155, eines selbstfahrenden Artilleriegeschützes auf Rädern. Es funktioniert ähnlich wie die Panzerhaubitze 2000, die bereits in der Ukraine im Einsatz ist und sich großer Beliebtheit erfreut. Die Neuerung ist jedoch, daß das Waffensystem auf Rädern fährt, schneller ist und aus der Bewegung präzise Ziele beschießen kann, was die Überlebensfähigkeiten der RCH 155 deutlich erhöht. Die RCH 155 kann Ziele bekämpfen und sofort wieder ausweichen, um möglichem Beschuß zu entgehen. Die Radhaubitze aus deutscher Produktion wird in Fachkreisen als die wahrscheinlich modernste und beste Waffe ihres Typs angepriesen.
🇩🇪🤝🇺🇦
Germany handed over the first of a planned 54x RCH 155 wheeled howitzers to Ukraine’s Ambassador in Germany today.
Ukraine will receive the state-of-the-art artillery system produced in Kassel ahead of the Bundeswehr. pic.twitter.com/GQlucdDRo3
— German Embassy London (@GermanEmbassy) January 13, 2025
Der ukrainische Botschafter Oleksij Makejew nahm stellvertretend für sein Land die erste dieser Haubitzen entgegen, 53 weitere sollen der Ukraine im Lauf der nächsten Jahre zulaufen. Sechs davon sollen noch in diesem Jahr kommen, nachdem das Training ukrainischer Soldaten in Deutschland daran abgeschlossen ist.
Bilder von gigantischen Öltanks, die in Flammen aufgehen, sind keine Seltenheit mehr in Rußland. Der Ukraine gelingt es bereits seit über einem Jahr immer wieder, mit Drohnen und Raketen tief ins russische Kernland hineinzuwirken. In dieser Woche traf es eine Raffinerie in der Oblast Woronesch. Laut dem ukrainischen Generalstab fanden drei Drohnen ihr Ziel und zerstörten mehrere Depots, die unter anderem für die russische Armee genutzt wurden. Auch in der Oblast Tambow kam es zu heftigen Explosionen in einer Munitionsfabrik, die von ukrainischen Drohnen getroffen wurde. Von russischer Seite wird behauptet, daß alle Angriffe abgewehrt worden seien und lediglich Trümmerteile bedauerlicherweise die heftigen Schäden verursacht hätten.
Rußland gelingen Geländegewinne
Indessen konnten die ukrainischen Streitkräfte in der Oblast Kursk ihre Positionen nach einer kleineren, begrenzten Offensivoperation stabilisieren und halten. Hier gelang den russischen Kräften in dieser Woche kein bedeutender Geländezurückgewinn.
Etwas anders sieht es hingegen rund um Pokrowsk aus, das mittlerweile pausenlos von russischer Artillerie unter Feuer genommen wird. Hier steht der Fall der Stadt wahrscheinlich unmittelbar bevor. Im Osten der Ukraine gelingt es den russischen Streitkräften weiterhin stete Geländegewinne zu erzielen.
Negative Schlagzeilen machte zuletzt die Meldung, daß das ukrainische Oberkommando beabsichtige, Mechaniker der Luftwaffe und weiteres Personal, das eigentlich nicht für den infanteristischen Dienst vorgesehen ist, direkt an die Front zu schieben, um Personalengpässe auszugleichen. Ähnliche Meldungen und Vorfälle gab es bereits vor zwei Jahren von russischer Seite vor der ersten Mobilisierung. Nach viel öffentlicher Kritik nahm das ukrainische Oberkommando jedoch wieder offiziell Abstand von den Plänen und scheint von einer Verlegung des Luftwaffenpersonals abzusehen. Daran zeigt sich jedoch, wie angespannt die personelle Lage für Kiew mittlerweile geworden ist. Bei allen Materiallieferungen kommt es auf das Personal an, das damit kämpfen soll.