ISTANBUL. Türkische Beamte haben mindestens vier Zeichner des Satiremagazins LeMan festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, eine Karikatur veröffentlicht zu haben, die nach Ansicht von Behörden und islamischen Demonstranten den Propheten Mohammed darstellen soll.
Die Zeichnung, die in der aktuellen Ausgabe der politisch-satirischen Zeitschrift erschien, zeigt einen muslimischen und einen jüdischen Mann mit Heiligenschein und Flügeln, die sich über einem Bombenhagel die Hand reichen. Vier Tage nach Veröffentlichung verbreitete sich das Bild rasch in den sozialen Netzwerken – und löste wütende Proteste unter Moslems aus.
Auf der belebten İstiklal-Straße in Istanbul riefen Hunderte Demonstranten „Allahu akbar“ und forderten die Einführung der Scharia. Die Regierung reagierte prompt. Innenminister Ali Yerlikaya sprach von einer „Provokation“ der Zeichner und kündigte rechtliche Konsequenzen an: „Wer es wagt, so etwas zu tun, wird sich vor dem Gesetz verantworten müssen.“ Die Karikatur sei nicht durch Meinungs- oder Kunstfreiheit gedeckt. Auch der Kommunikationschef von Präsident Recep Tayyip Erdogan, Fahrettin Altun, verurteilte die Veröffentlichung als „niederträchtigen Angriff auf unsere Werte und unseren Glauben“. Das Justizministerium leitete indes unter Berufung auf Artikel 216 des türkischen Strafgesetzbuches Ermittlungen wegen „öffentlicher Herabwürdigung religiöser Werte“ ein.

Zeichnung soll gar nicht Mohammed zeigen
LeMan veröffentlichte unterdessen eine Stellungnahme, in der die Redaktion betont, es handle sich nicht um eine Darstellung des Propheten Mohammed. Vielmehr sei der abgebildete Mann mit dem Namen Mohammed eine fiktive Figur – stellvertretend für Moslems, die bei israelischen Angriffen ums Leben gekommen seien. Die Zeichnung solle die Not des unterdrückten muslimischen Volkes zeigen und enthalte keine Verunglimpfung religiöser Symbole.
„Diese Deutung ist nur mit bösem Willen möglich“, erklärte das Magazin. Dennoch entschuldigte sich die Redaktion bei Lesern, die sich verletzt fühlen könnten. Kurz nach Beginn der Proteste veröffentlichte das Innenministerium Videos, die zeigen, wie Beamte die Karikaturisten barfuß und in Handschellen aus ihren Wohnungen führen. Die Aufnahmen wurden mit der Botschaft versehen: „Ihr werdet unserer Justiz nicht entkommen.“ Aufgebrachte Demonstranten versuchten, in die Redaktionsräume der Zeitschrift einzudringen. In einem Video ruft ein Teilnehmer: „Für unseren Propheten würden wir Leben geben – und nehmen!“ Am Abend beteten Teile der Menge auf offener Straße. (rr)