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Auswirkungen auf Weltwirtschaft: Zwei Jahre Ukraine-Krieg: Den Preis zahlen alle

Auswirkungen auf Weltwirtschaft: Zwei Jahre Ukraine-Krieg: Den Preis zahlen alle

Auswirkungen auf Weltwirtschaft: Zwei Jahre Ukraine-Krieg: Den Preis zahlen alle

Ein Kind in einem Weizenfeld in der Ukraine: Der Krieg hat globale wirtschaftliche Auswirkungen.
Ein Kind in einem Weizenfeld in der Ukraine: Der Krieg hat globale wirtschaftliche Auswirkungen.
Ein Kind in einem Weizenfeld in der Ukraine: Der Krieg hat globale wirtschaftliche Auswirkungen Foto: picture alliance / Zoonar | Kristina Kokhanova
Auswirkungen auf Weltwirtschaft
 

Zwei Jahre Ukraine-Krieg: Den Preis zahlen alle

Zwei Jahre Krieg in der Ukraine: Vor allem der Osten des Landes ist reich an wertvollen Rohstoffen. Die unsichere Lage in der Region hemmt die Wirtschaft und schadet allen Parteien. Ein Überblick.
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Weißmann, Reich, Republik, Nachkriegsrechte

Nichts geht mehr am Grenzübergang zwischen dem ukrainischen Dörfchen Starowojtowe und seiner polnischen Nachbargemeinde Dorohusk: Ursprünglich von polnischen Gewerkschaften für den 20. Februar als Totalblockade sämtlicher Grenzübergänge angekündigt, hatten polnische Bauern und Spediteure schon am vergangenen Sonntag begonnen, mit schweren Maschinen jeglichen Durchgangsverkehr auf der grenzüberschreitenden Europastraße 373 zu unterbinden.

Über Kilometer stauten sich auf polnischer Seite über 600 ukrainische LKW. „Die geschätzte Wartezeit beträgt derzeit 232 Stunden“, berichtete ein polnischer Beamter der Nachrichtenagentur AFP. Bereits vergangene Woche waren die Grenzstreitigkeiten eskaliert, als polnische Protestler die Ladung dreier ukrainischer Getreide-LKW auf offener Straße auskippten. Die Fracht, so Kiew, sei ursprünglich für Litauen bestimmt gewesen. Doch Polens Bauern befürchten, auch ihr heimischer Markt könne von ukrainischem Billiggetreide überschwemmt werden.

Bei aller geostrategischer Sympathie der EU für die Ukraine gehört bedacht, daß die Ukraine nicht nur als Partner, sondern auch als Konkurrent auf dem EU- wie auf dem Weltmarkt agiert. Die Bedenken der polnischen Bauern sind hierbei nicht von der Hand zu weisen: Maß die Einfuhrmenge ukrainischen Weizens nach Polen im Jahr 2021 noch magere dreitausend Tonnen, explodierte das Importvolumen im ersten Kriegsjahr förmlich auf über 580.000 Tonnen.

Die Ukraine hat Unmengen an Erdöl

Die zeitgleiche Blockade ukrainischer Getreidehäfen durch die russische Schwarzmeerflotte betraf vor allem Schwellenländer wie Ägypten und Indonesien, deren eigene Importe drastisch einbrachen – und durch andere Akteure auf dem Weltmarkt ausgeglichen werden mußten. Die Folge bekamen auch deutsche Konsumenten zu spüren; in den ersten drei Kriegsmonaten stieg der Weizenpreis hierzulande um fast 40 Prozent.

Der Ressourcenreichtum der Ukraine erweist sich nicht nur in diesem Beispiel als zweischneidiges Schwert: Die historische „Kornkammer Europas“ darf sich in der Theorie nicht nur eines europaweit einzigartigen Reichtums an landwirtschaftlichen Erzeugnissen, sondern auch an für die EU-Industrie interessanten Bodenschätzen rühmen. Die ungleiche geographische Verteilung dieser, die russische Besetzung der Ostukraine sowie die stete Gefahr eines Angriffs auf westukrainische Förder- und Produktionsstätten machen einen speziell für die Ukraine wichtigen preisstabilen Export jedoch nahezu unmöglich. „Die Ukrainer gießen ihre Felder, auf denen Getreide angebaut wird, buchstäblich mit Blut“, mahnte Lembergs Bürgermeister Andrij Sadowyj unlängst in den sozialen Medien. Für andere Schlüsselindustrien der ukrainischen Wirtschaft gilt diese Mahnung nicht geringer.

Beispielsweise für Erdgas und Erdöl: Im Oktober vergangenen Jahres konstatierten die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags der Ukraine eine Erdölreserve von über 85 Millionen Tonnen, etwa dem Fünffachen Deutschlands, sowie einer Erdgasreserve von mehr als 719 Milliarden Kubikmetern, beinahe dem Zwanzigfachen Deutschlands. 

Rußland hat Zugang zu vielen Ressourcen Kiews

Allein die grobe Einteilung der Fördergebiete zeigt jedoch deutlich das Problem eines kontinulierlichen Abbaus dieser wertvollen Ressourcen. So befinden sich etwa ein Drittel aller Öl- und ein Siebtel aller Gasreserven im westlich gelegenen Fünfländereck zu Polen, der Slowakei, Ungarn und Rumänien. Aufgrund einer Vielzahl von Raketenangriffen lag die Förderung im vergangenen Jahr brach und konnte erst mit der Lieferung westlicher Luftabwehrsysteme wiederaufgenommen werden.

Auch im Schwarzen Meer unweit der Halbinsel Krim findet sich eine Vielzahl an Bohrtürmen, die im vergangenen Jahr allerdings von Marinetruppen beider Kriegsparteien rege umkämpft waren. Das Gros der Reserven erstreckt sich aber quer durch die besetzten Oblasten Charkiw und Luhansk. Schätzungen zufolge liegen derzeit allein 150 Gasförderanlagen brach. Für die Ukraine wie für die EU ein herber Verlust, möchte doch gerade letztere ihre Unabhängigkeit von russchem Erdgas politisch festigen.

Beispielsweise auch für Steinkohle: Zwar gehen die Schätzungen der unter derzeitiger Technik rentablen Vorkommen des fossilen Rohstoffs von 32 bis 41 Milliarden Tonnen weit auseinander. Einigkeit hingegen besteht im Problem, denn über 90 Prozent dieser Vorkommen finden sich im Osten der Ukraine, im Donezkbecken, und mehr als 60 Prozent der Kohleflöze sind direkt von Rußland besetzt.

Der Krieg als Bremsklotz für die Klimaziele

Mit dem Einmarsch russischer Truppen in Cherson im März 2022 dürfte ursprünglich auch eine Offensive auf die rund hundert Kilometer nördlich gelegene Stadt Krywyj Rih geplant gewesen sein. Immerhin handelt es sich beim umliegenden Krywbas um die wohl größte, im Jahr 1873 erst neuzeitlich erschlossene Eisenerzlagerstätte der Welt. Rußlands Pläne der Besetzung dieser Schlüsselregion zerschlugen sich jedoch mit der Rückeroberung Chersons durch ukrainische Truppen im November 2022. Für die Reindustrialisierung des Krywbas nach dem Krieg ist die Ukraine allerdings zwingend auf die Steinkohle des Donbas angewiesen. Auch hier entstünde ein starkes Konkurrenzverhältnis, insbesondere zur deutschen Stahlindustrie.

Einer klaren Partnerschaft kam Rußlands Einmarsch jedoch deutlich zuvor. Noch im Juli 2021 hatte die EU den Beitritt der Ukraine zur „Europäischen Allianz für seltene Materialien“ (ERMA) gefeiert. Bis zum Jahr 2050 strebt der Staatenbund mittels erneuerbarer Energien und Elektromobilität Klimaneutralität an. Doch bislang müssen 98 Prozent aller seltenen Erden, die für Batterien wie für Windkraftanlagen unumgänglich sind, von China importiert werden, woraus eine strategische Abhängigkeit der EU erwächst.

„Von diesen 30 seltenen Erden gibt es 21 in der Ukraine“, warb Maroš Šefčovič, EU-Kommissar für Zukunftsforschung, für diesen Beitritt. Der ERMA geht es eigenem Bekunden zufolge besonders um die seltenen Materialien Lithium, Kobalt und Mangan – und von letzterem befinden sich die weltgrößten Vorkommen um die Stadt Nikopol, rund zehn Kilometer vom derzeitigen Frontverlauf entfernt, sowie in der Oblast Saporischschja. Wenn auch noch nicht erobert, hatte Rußland diese Oblast im September 2022 schon einmal provisorisch auf dem Verfassungspapier annektiert.

JF 09/24

Ein Kind in einem Weizenfeld in der Ukraine: Der Krieg hat globale wirtschaftliche Auswirkungen Foto: picture alliance / Zoonar | Kristina Kokhanova
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