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Hayek-Medaille: Milei: „Wie ich zu den Ideen der Freiheit kam“

Hayek-Medaille: Milei: „Wie ich zu den Ideen der Freiheit kam“

Hayek-Medaille: Milei: „Wie ich zu den Ideen der Freiheit kam“

Javier Milei, argentinischer Präsident in Hamburg am 23. Juni 2024 neben Gegendemonstranten
Javier Milei, argentinischer Präsident in Hamburg am 23. Juni 2024 neben Gegendemonstranten
Der argentinische Präsident Javier Milei hält seine Dankesrede zur Verleihung der Hayek-Medaille in Hamburg am 23. Juni 2024 / Demonstration gegen Milei an den Landungsbrücken in Hamburg | Fotos: picture alliance/dpa | Daniel Bockwoldt
Hayek-Medaille
 

Milei: „Wie ich zu den Ideen der Freiheit kam“

Einen Tag vor dem Empfang bei Bundeskanzler Olaf Scholz hielt Javier Milei, Präsident Argentiniens, in Hamburg eine Ansprache. Er schildert seinen Weg zum libertären Denken und wie er gegen massive Widerstände seinen Aufstieg erkämpfte. Die JF bringt exklusiv die vollständige Dankesrede zur Verleihung der Hayek-Medaille im Wortlaut auf Deutsch.
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HAMBURG. Die Linke protestiert, viele Medien warnen vor Argentiniens Präsident Javier Milei. In Hamburg hat er vor der Hayek-Gesellschaft in seiner Dankesrede zur Verleihung der Hayek-Medaille seinen intellektuellen Werdegang beschrieben, warnt vor dem Sozialismus und beschreibt, was er schon erreicht hat. Die JUNGE FREIHEIT dokumentiert die Rede auf Deutsch.

Vorbemerkung: Im ersten Teil schildert Javier Milei seine Ausbildung zum Wirtschaftswissenschaftler, im zweiten Teil seine Karriere als Politiker und was er in Argentinien vorhat.

Hallo an Alle!

Zuallererst möchte ich Ihnen für die Anerkennung dieses Kampfes danken, den wir vor vielen Jahren begonnen haben und der unerwartete Früchte trägt. Ich möchte Ihnen also zum einen für die Anerkennung dieser Aufgabe danken, die wir wahrnehmen. Andererseits möchte ich Ihnen von meiner Erfahrung erzählen, wie ich zu den Ideen der Freiheit gekommen bin, denn es ist nicht so, daß ich von Anfang an liberal war.

Allerdings fühle ich mich trotzdem nicht schlecht, weil auch Hayek ursprünglich Sozialist war. Und wie Mises zu Recht sagte, führte ökonomisches Wissen zum Liberalismus. Wie Hayek sagte, wären die Sozialisten keine Sozialisten, wenn sie die Wirtschaftswissenschaften kennen würden. Als ich also Wirtschaftswissenschaften lernte, wurde ich ein Liberaler. Schon vorher habe ich erzählt, wie schwierig es für die Ideen der Freiheit in akademischen Kreisen ist.

Ludwig von Mises – ein Fußballspieler?

Wenn Sie uns oder irgendeinen Wirtschaftswissenschaftler von einer öffentlichen oder privaten Universität in Argentinien fragen, wer Ludwig von Mises ist, der wird antworten, dass er glaubt, das könnte die Nummer 9 der niederländischen Fußballnationalmannschaft sein.

Ludwig von Mises
Ludwig von Mises (1881-1973), österreichischer Wirtschaftswissenschaftler und einer der Schöpfer des Denkens der Österreichischen Schule | Foto: Wikipedia/Ludwig von Mises Institut

Und in diesem feindlichen Umfeld wurden wir Wirtschaftswissenschaftler in Argentinien ausgebildet. Die Ausbildung, die ich ursprünglich erhielt, war im Wesentlichen von der sogenannten postkeynesianischen oder spätkeynesianischen Schule, einem Zweig der Keynesianer, der einige quasi-marxistische Elemente enthält.

In diesem Sinne wurde ich mit vielen schlechten Ideen kontaminiert, wie zum Beispiel, dass staatliche Intervention notwendig ist, dass Regulierung notwendig ist, dass Unternehmer Schurken sind und dass Inflation multikausal ist, dass aber nicht die Geldemission schuld ist. Und in diesem Kontext wurde ich ausgebildet. Mehr noch, als ich meinen ersten Kurs über wirtschaftliches Wachstum belegte, lehrte uns der Professor im Grunde wenig über Wirtschaftswachstum und brachte uns viele Autoren der Entwicklung bei, die wenig mit dem zu tun haben, was wir heute unter Wirtschaftswachstum verstehen.

Aber mir blieben einige Bemerkungen, vereinzelte Professoren oder das Lesen von Büchern und das Studieren der Zitate oder der Gang in die Bibliothek der Zentralbank, die damals die größte Wirtschaftsbibliothek Argentiniens war. Dort schloss ich mich allein ein, um Alternativen zu lesen zu dem, was man an der Universität lehrte. Und dort lernte ich andere Autoren kennen.

Anfänge in keynesianischer Ökonomie

Mein erster Master-Abschluss war in keynesianischer Ökonomie. Und dort lernte ich die verschiedenen Aspekte des Keynesianismus kennen. Ich hatte also nicht nur diese Post-Keynesianer mit einigen marxistischen Untertönen studiert. Ich habe auch die so genannten stark keynesianischen Modelle studiert und auch einige etwas verbesserte Keynesianer, wie die neoklassischen Keynesianer, was im Grunde die Art von Keynesianismus ist, die man heute kennt. Mit diesem Rüstzeug ging ich dann auf Arbeitssuche und versuchte, meinen Lebensunterhalt als Wirtschaftswissenschaftler zu verdienen.

Die Wahrheit ist, dass es ziemlich frustrierend war. Es war permanente Frustrationen. Obwohl die Dinge, die ich sagte, nicht im Widerspruch zu dem standen, was die übrigen Fachleute in Argentinien sagten, wurde mir klar, dass ich ewig Wiederholungen machte, dass das, was wir Ökonomen erzählten, eine Maschine voller Fehler war. Wir hatten einen Werkzeugkasten, um diese Fehler zu verstecken. Zum Beispiel, die Betonung der Erwartungen. Hayek hat darüber nachgedacht und sich fast darüber lustig gemacht, wie sich die verschiedenen neoklassischen Richtungen rechtfertigen.

Friedrich August von Hayek
Friedrich August von Hayek (1899-1992), österreichischer Ökonom und Sozialphilosoph | Foto: Wikipedia/Mises-Institut

Gleichzeitig begann ich, Mikroökonomie zu unterrichten, und das war ein echter Segen, denn dort lernte ich nicht so sehr das herkömmliche makroökonomische Format, sondern ich begann, mich intensiv mit den mikroökonomischen Grundlagen zu beschäftigen. Und wenn man sich die Struktur eines Mikroökonomie-Kurses anschaut, öffnet das zumindest ein Fenster, um die Ideen der Freiheit zu erschnuppern. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, Mikroökonomie zu unterrichten, und ich habe aktiv daran mitgewirkt, dass der Kurs mit dem allgemeinen Gleichgewicht endet, das gleiche wie in der Makroökonomie, aber mit Mikrofundierung. Heute scheint das selbstverständlich, aber vor 30 Jahren war das noch ganz anders. Denken Sie nur daran, dass wir erst in den 1990er Jahren begannen, mit einer soliden intertemporalen Makro-Grundlage zu arbeiten.

In diesem Zusammenhang war es also sehr nützlich, mit der Mikroökonomie zu arbeiten, das hat Fenster geöffnet. Und dort habe ich mein neoklassisches Denken perfektioniert.

Außerdem mochte ich die Mathematik, so dass ich gut vorankam. Außerdem gab mir die Mikroökonomie eine Menge Werkzeuge an die Hand, mit denen ich arbeiten konnte. So hatte ich viel mehr Spaß an meiner Arbeit und konnte sie kontinuierlich mit mikroökonomischen Grundlagen füllen. Aber es gab auch einige Probleme.

Die fragwürdigen Theorien der vollkommenen Konkurrenz

Im ersten Teil des Mikrokurses in einem Mikroökonomie-Lehrbuch geht es um die Konsumententheorie zur Ableitung der Nachfragetheorie, dann um die Theorie des Unternehmens zur Ableitung des Angebots, dann um die Marktstruktur und schließlich um den Fall des vollkommenen Wettbewerbs. Hayek hat eine hervorragende Kritik der vollkommenen Konkurrenz formuliert. Das Modell der vollkommenen Konkurrenz ist so lächerlich, dass es keinen solchen Wettbewerb gibt, sagen wir mal, weil alle Akteure am Ende Gefangene sind. Es ist ziemlich widersprüchlich.

Und von dort aus beginnen Ökonomen über Marktversagen oder konzentrierte Marktstrukturen zu sprechen, es gibt technisch mathematische Modelle dazu. Dann gibt es Verbindungen zum Problem der öffentlichen Güter, zu Externalitäten, asymmetrischen Informationsproblemen, dem Problem des Koordinationsversagens, Spieltheorie. Und dann gehen wir zum Kapitel des allgemeinen Gleichgewichts.

Aber dieser ganze Teil des Marktversagens legt einen sehr wichtigen Keim für Zweifel. Das habe ich in meinem jüngsten Buch „Demokratischer Sozialismus, Kapitalismus und die neoklassische Falle“ direkt angesprochen.

Weil mit meiner Arbeit frustriert war, dass ich mich nur mit Mikroökonomie befassen konnte, beschloss ich, einen zweiten Master zu machen, der nicht mehr auf einer einzigen Denkschule basierte, sondern ein eklektischer Master-Abschluss war. In dieser Zeit wurde ich in meinem Denken immer neoklassischer, und gleichzeitig empfand ich eine tiefe Verachtung für den Staat, die ich aber nicht ausdrücken konnte.

Argentinien befand sich damals in der letzten Phase des Konvertibilitätsprogramms (in den späten 1990ern unter Carlos Menem; bei dem Programm wurde der Pesos an den Dollar angebunden; Anm. d. Red). In diesem Zusammenhang war mir klar, dass der Staat nicht die Lösung war, dass der Staat das Problem war, aber die Instrumente, die er hatte, waren nicht die richtigen. Und so wurde ich immer frustrierter angesichts der zur Verfügung stehenden Werkzeuge.

Die Theorie vom Wachstum

Und als ich diesen zweiten Master-Abschluss begann, stieß ich auf all die neue Literatur über Wirtschaftswachstum, und ich kam auf einige meiner jugendlichen Fehler zurück. Es gab ein wunderbares Zitat von Robert Lucas Jr., möge er in Frieden ruhen, der sagte, dass, wenn man anfängt, sich mit dieser Art von Wirtschaftswachstum zu befassen, die Konsequenzen für den Wohlstand der Menschen so groß sind, dass man an nichts anderes denken kann. Als junger Student der Wirtschaftswissenschaften war mein erster Gedanke: „Oh, noch ein Professor, der sein Fach für das wichtigste von allen hält.“ Als ich jedoch meinen zweiten Master-Abschluss machte, war das sehr aufschlussreich. Und so begann ich, mich aktiv mit Fragen des Wirtschaftswachstums zu beschäftigen. All das führte dazu, dass ich mich nicht nur auf Wirtschaftswachstum spezialisierte, mit und ohne Geld.

Das heißt, ich bereitete mich im Grunde darauf vor zu wissen, wie man die Inflation senkt und wie man eine Wirtschaft zum Wachsen bringt. Durch eine rein spontane Ordnung und die Kraft des Himmels wurde ich dann Präsident in dem Land der Inflation und im Land des Niedergangs. Sagen wir, das wäre eine Ode an Adam Smith und auch an Hayek.

John Maynard Keynes
John Maynard Keynes (1883-1946), britischer Ökonom und Politiker, auf den die Theorie zurückgeht, Wirtschaftskrisen durch vermehrte Staatsausgaben und eine expansive Geldpolitik zu bekämpfen | Foto: Wikipedia

In dieser Logik begann ich, mich auf Wachstum zu spezialisieren, las alles, was über Wirtschaftswachstum geschrieben wurde, und beschäftigte mich sehr aktiv mit allem, was mit der Theorie der realen Konjunkturzyklen zu tun hatte. Ich mochte die Mathematik, ich mochte die Struktur, der Staat störte. In diesem Sinne fühlte ich mich sehr wohl. Ich hatte bessere Erklärung gefunden als vorher. Es war riskant, sie zu 100 Prozent zu übernehmen, aber man kann sie etwas mäßigen, wenn man versucht, Dinge zu erklären. Aber damit fühlte ich mich wohler.

Nun, dann kam die Subprime-Krise (die zur Finanzkrise 2008 führte; Anm. d. Red.) und vor allem die Probleme der globalen Ungleichgewichte und wie sich diese auf die USA, China und Europa auswirkten. Ich sah, wie wir uns einer Katastrophe ähnlich der Großen Depression näherten. Das zwang mich dazu, wieder Autoren wie Keynes und Milton Friedman zu lesen.

In meinem Fall habe ich nicht nur die Allgemeine Theorie gelesen, sondern mehrere Bücher von und über Keynes. Ich gestehe, dass ich die „Allgemeine Theorie“ fast pathologisch fünfmal gelesen habe. Das ging so weit, dass ich sogar ein Buch mit dem Titel „Die Entlarvung der keynesianischen Lüge“ schrieb. Das ermöglichte mir auch, mich wieder mit anderen Teilen der Debatte zu befassen. Aber ich war immer noch frustriert. Ich nahm mir vor, mich mehr mit dem Wirtschaftswachstum befassen, denn da sind die Dinge langfristig gültig. In meiner Arbeit verwende ich die Mikro-Grundlagen und das reicht.

Wachstum in historischer Perspektive

Vor einiger Zeit wurde ich erstmals eingeladen, auf dem Weltwirtschaftsforum einen Vortrag zu halten (2014 in Panama, Anm. d. Red.). Ich wurde eingeladen, über Demografie und Wachstum zu sprechen, und ich wusste keine bessere Idee, als mir die Arbeit von Angus Maddison anzusehen. Ich stieß auf seine Arbeit über die Weltwirtschaft in der Jahrtausendperspektive. Und dort stieß ich auf seine Schätzungen der Bevölkerungszahl und des Pro-Kopf-BIP über 2000 Jahre, vom Jahr Null der christlichen Ära bis zum Jahr 2000.

Was mir die Augen öffneten, war das, was in der Wachstumstheorie als Hockeyschläger bezeichnet wird. Wenn Sie sich die Reihe des Pro-Kopf-BIP vom Jahr Null bis 2000 ansehen, werden Sie feststellen, dass das Pro-Kopf-BIP bis zum Jahr 1800 praktisch konstant ist. Streng genommen steigt es nur im 16. Jahrhundert, kurz nach der Entdeckung Amerikas, an.

Das Pro-Kopf-BIP in dieser Reihe stieg anfangs sehr langsam, die Wachstumsrate betrug 0,02 Prozent. Mit anderen Worten: Es würde 3.500 Jahre dauern, bis das Pro-Kopf-BIP sich verdoppelt. Aber dann kam die Industrielle Revolution im 19. Jahrhundert. Die Wachstumsrate stieg um das 33-fache auf 0,66 Prozent. Das Bevölkerungswachstum hat zum großen Teil mit der Verbesserung der sanitären Einrichtungen sowie der Gesundheit und Ernährung der Menschen zu tun.

Und im 20. Jahrhundert beschleunigte sich das Wirtschaftswachstum weiter. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschleunigte es sich auf 1,1 Prozent und in der zweiten Hälfte auf 2,1 Prozent. Wenn man die Unterschätzung in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung korrigiert, könnte das Wirtschaftswachstum sogar bei 3 oder 3,5 Prozent pro Kopf liegen.

Mit anderen Worten, in den letzten 200 Jahren dieser Reihe hat sich viel, viel mehr getan als in den ersten 1800 Jahren dieser Reihe, wo das Wachstum insgesamt 40 Prozent betrug, im zweiten Teil hat sich das Pro-Kopf-BIP fast verzehnfacht. Um genau zu sein, um das Achtfache, nein Neunfache.

Gleichzeitig nahm die Bevölkerung um das Achtfache zu. Mit anderen Worten: Das BIP (der Welt, Anm. d. Red.) hat sich in den letzten 200 Jahren dieser Reihe um das 72-Fache erhöht.

Ob man es nun als eine Geschichte des Fortschritts erzählt oder nicht, das ist ein großes Problem für die Wirtschaftstheorie. Wenn man mit neoklassischen Instrumenten arbeitet, geht man von konstanten Skalenerträgen oder abnehmenden Grenzerträgen aus. Das heißt, wenn man eine Einheit eines Faktors hinzufügt, wächst die Produktion, aber sie wächst nicht proportional dazu. Und das ist das Problem: Die Bevölkerung ist um das Achtfache gestiegen, die Produktion um das Neunfache. Das macht also eindeutig keinen Sinn.

Das theoretische Gegenstück dazu ist, dass die Existenz steigender Erträge konzentrierte Marktstrukturen impliziert, der extremste Fall wäre das Monopol. Aber jede Situation mit konzentrierten Marktstrukturen impliziert aus Sicht der Paretoeffizienz etwas, das schlecht ist. Wir sahen uns also mit einer Reihe von Daten konfrontiert, die uns sagten, dass eine solche Situation, wenn man sich die mikroökonomischen Grundlagen ansieht, schlecht für die Wohlfahrt ist. Die Frage war: Wie kann etwas, das die Weltbevölkerung von 95 Prozent extremer Armut auf etwa 10 Prozent gebracht hat, wie konnte die Wirtschaftstheorie sagen, dass dies schlecht war.

Ein intellektueller Schock

Diese Frage war wirklich eine große Herausforderung. Ein starker Schock, worüber ich nachdachte. Das heißt, etwas, von dem die Wirtschaftstheorie sagte, es sei falsch, hat die Menschen auf fabelhafte Weise aus der Armut befreit, und die Lebensqualität der Menschen war noch nie in der Geschichte der Menschheit so hoch wie jetzt.

Murray Newton Rothbard
Murray Newton Rothbard (1926-1995), US-amerikanischer Ökonom und Philosoph, Vordenker der anarchokapitalistischen Bewegung | Foto: Wikipedia/Mises Institut

Angesichts dieser enormen Situation begann ich nach Antworten zu suchen, und glücklicherweise hatte ein ehemaliger sehr guter Student der mathematischen Ökonomie, den ich zu meiner Arbeit mitgenommen hatte, dieser ehemalige Student von mir hatte die Angewohnheit, österreichische Autoren zu lesen. Er gab er mir einen Artikel von Murray Newton Rothbard mit dem Titel „Monopoly and Competition“. Das war eine wirklich wunderbare Erfahrung, ein 140-seitiger Artikel. Nachdem ich ihn in drei Stunden gelesen hatte, sagte ich mir, dass alles, was ich über Marktstrukturen gelehrt hatte, völlig falsch war. 25 Jahre lang habe ich Marktstrukturen gelehrt, so falsch. Es war eine Farce.

Und die Wirkung war so stark, dass ich fragte, wo ich Bücher von diesen Autoren bekommen könnte. Und denken Sie daran, dass Ludwig von Mises der 9. Mann in der holländischen Fußballmannschaft war, als ich in die Wissenschaft ging. Es war also schwierig.

Ich fragte den ehemaligen Studenten, wo man solche Bücher kaufen könne, wenn sie nirgends zu finden seien. Er empfahl mir eine Buchhandlung, die Bücher des Verlags Editorial Unión verkaufte, in dem zum Beispiel Professor Jesús Huerta de Soto, den ich so sehr bewundere, und viele andere wunderbare Autoren verlegt werden. Und dann fing ich an, alle Bücher zu kaufen, die ich sah. An diesem Tag kaufte ich etwa 20 Bücher, mehr Geld hatte ich nicht. Ich brauchte das Geld für die Heimfahrt.

Rothbard, Mises und Hayek

Zu den Büchern, die ich kaufte, gehörte „Mensch, Wirtschaft, Staat“ von Murray N. Rothbard, Band eins, Band zwei, und auch Band drei, „Macht und Markt“, in dem Rothbard zum Anarchokapitalisten wird oder den Anarchokapitalismus begründet.

Und ich habe den Besitzer der Buchhandlung gefragt, ob er am nächsten Tag wiederkommen würde. Und er sagte ja. Also zählte ich, wie viel ich zum Essen brauchte, wie viel ich fürs Taxi brauchte, wie viel ich brauchte, um zur Arbeit zu gehen, und ich gab das ganze Geld aus, das ich noch hatte. Ich muss in diesen zwei Tagen 50 Bücher gekauft haben. Und so begann ich zu lesen, und ich begann, die Autoren der Österreichischen Schule zu lesen. Es war eine wunderbare Erfahrung. Ich entdeckte eine neue Welt. Und ich habe einige Anekdoten mit einigen Büchern, die wunderbar sind. Eines der Bücher, die ich kaufte, war „Human Action“. Ich erinnere mich, dass ich mich vor „Human Action“ setzte, eine Taschenbuchausgabe, und es von vorne bis hinten durchlas.

Ich weiß nicht mehr, wie lange ich dafür gebraucht habe, aber ich glaube, ich war zwei oder drei Tage eingeschlossen, bis ich es zu Ende gelesen hatte, und ich bin nur aufgestanden, um zu essen, auf die Toilette zu gehen und mit Conan spazieren zu gehen. Und ich war geblendet von diesem Buch. Ich habe das Buch mit Notizen vollgeschrieben. Also kaufte ich noch eines. Aber ich wollte ein weiteres Exemplar, um damit arbeiten zu können. Eines ließ ich intakt, für den Notfall, im Zellophan eingepackt. Eines nahm ich mit ins Büro.

Jeden Tag Lektüre und dann der Einstieg in liberale Kreise

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Wenn ich mich dann im Büro langweilte, schlug ich wahllos irgendeinen Teil von Mises‘ Buch „Human Action“ auf, ging an den Kapitelanfang und las es. Und das tat ich über mehrere Tage hinweg. Und eines Tages öffnete ich es, es war unterstrichen, ich öffnete es wieder und es war unterstrichen, ich öffnete es wieder und es war unterstrichen. Nun, ich stellte fest, dass ich „Human Action“ zum dritten Mal gelesen hatte. Mises ist ein Autor, der einen enormen Einfluss auf mich ausgeübt hat. Ich habe auch „Socialism“ gelesen, das auch ein Meisterwerk ist, ebenso „Geld und Bankkredit“.

Es gibt ein wunderbares Buch, das hilft, viele der Probleme zu verstehen, mit denen wir Liberalen konfrontiert sind, nämlich „The Anti-Capitalist Mentality“ (von Mises, Anm. d. Red.), das erklärt, warum die Menschen den Kapitalismus der freien Marktwirtschaft hassen. Ich ergänzte dies auch mit Huerta de Sotos Vorträgen auf YouTube und begann, liberale Kreise zu besuchen.

Und als ich anfing, Hayek zu lesen, war das für mich ziemlich schwierig. Aber mit der Zeit habe ich es dann in den Griff bekommen. Es gibt Bücher, die mir leichter gefallen sind, wie „Produktion und Preise“. Es gibt Momente, die ich von Anfang an genossen habe wie „The Road to Serfdom“, das ich oft zitiere, oder was mit dem Thema der fatalen Anmaßung (von Wissen, Anm. d. Red.) zu tun hat, oder „The Economic Foundations of Freedom“, wo es einen der beeindruckendsten Artikel gibt, „The atavism of social justice“, der vielen Menschen gut tun würde, zu lesen.

Ich habe mich auch sehr mit der Lektüre von Rothbard beschäftigt und bin unweigerlich zum Anarchokapitalisten geworden. Und als ich anfing, Rothbard, Jesús Huerta de Soto, Walter Block, Hans-Hermann Hoppe zu lesen, war das eine Einbahnstraße, ich konnte nicht mehr zurück.

Meine Anfänge als TV-Gladiator

Und zwischendurch fing ich an, im Fernsehen aufzutreten. Argentinien hatte ein Problem mit der wachsenden Inflation. Argentinien, das 1895 noch das reichste Land (nach dem BIP-Pro-Kopf, Anm. d. Red.) war, fiel rapide ab und landete schließlich auf Platz 140 in der Rangliste. Die Inflation wurde immer höher und höher. Und ich begann, an Fernsehsendungen teilzunehmen und die Ideen der Freiheit zu verteidigen.

Die Wahrheit ist, dass es am Anfang wie in dem Film Gladiator war, ich gegen alle. Ich hatte es mit 15 Leuten zu tun, die den Staat, den Sozialismus und all diese Dinge verteidigten… und auch die Kirchneristen waren ziemlich brutal, wenn man mit ihnen diskutierte. Wie bei vielen Linken ist es so, dass sie vier oder fünf von ihnen auf mich hetzen. Wenn du versuchst zu reden und zu argumentieren, fangen sie an, über dich hinwegzureden. Dann ist man gezwungen, lauter zu reden, um die Argumentation vorzubringen. Und dann beschuldigten sie mich in der TV-Panels geschrien zu haben. Interessanterweise waren viele derjenigen, die mich beschuldigten, Liberale, die den Liberalismus zu einer Peinlichkeit gemacht hatten und deren Versammlungen nicht genug Leute anziehen, um einen Fahrstuhl zu füllen.

Nun, ich begann, diese titanische Schlacht im Fernsehen zu schlagen, und das ermöglichte mir, an Popularität zu gewinnen. Und irgendwann, als die Pandemie kam, war es, als würde es in der Gesellschaft Klick machen. Denn als wir eingesperrt waren, gab es eine Neubewertung der Ideen von Freiheit.

Corona-Lockdown hat die Jugend für die Freiheit sensibilisiert

Ich werde Ihnen eine Anekdote erzählen, wie es war, ein Liberaler zu sein, als ich begann, diese Dinge im Fernsehen zu diskutieren. Eines Tages hielt ich eine Vorlesung und ein Student kam sehr aufgebracht herein, weil ich ihm null Punkte gegeben hatte. Es war völlig falsch, was er getan hatte, ich konnte ihm nicht einmal einen Punkt geben, das wäre schon zu viel gewesen. Da schrie der Junge mich sehr heftig an, wie eine Beleidigung: „Du bist liberaaaal“. Ich sagte zu ihm: „Komm schon, Kopf hoch und sag es mir noch einmal.“ – „Liberaaaal“.

Javier Milei 2021
Javier Milei spricht bei einem Auftritt seiner Partei La Libertad Avanza zu seinen Anhängern am 14. November 2021 in Buenos Aires | Foto: picture alliance / AA | Walter Manuel Cortina

Aber mit dem Auftreten der Covid-Pandemie und den von der Weltgesundheitsorganisation geförderten Höhlenmenschen-Quarantänen, an die sich Argentinien strikt gehalten hat, haben sich die Ideen der Freiheit zweifellos bestätigt. Und es geschahen einige sehr interessante Dinge, denn viele meiner Anhänger waren junge Leute. Es ist sehr interessant, warum diese jungen Leute eine so große Affinität zu dem hatten, was ich tat. Im Grunde genommen, weil junge Menschen weniger Zeit haben, sich der Gehirnwäsche auszusetzen, die das öffentliche Bildungswesen darstellt, unabhängig davon, ob es sich um ein staatliches oder ein privates handelt, denn die Inhalte werden in der Regel vom Staat vorgegeben.

Junge Menschen als Rebellen gegen den Status Quo

Dadurch wird das Feld abgesteckt, und man hat keinen Zugang mehr zu bestimmter Literatur, weil der Staat versucht, sie zu blockieren. Keinem Staatsmann oder Politiker wird es gefallen, wenn Sie Rothbard lesen, denn stellen Sie sich vor, dass sie Ihre Einkommensquelle torpedieren, und da sie in Wirklichkeit die Macht, das Gewaltmonopol, haben, üben sie es aus, damit Sie keinen Zugang zu diesen Ideen haben.

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Rede von Javier Milei auf der CPAC-Konferenz am 25. Februar 2024

Junge Menschen sind auch Rebellen gegen den Status quo. Der Status quo in Argentinien war sozialistisch. Daher war die natürliche Rebellion der jungen Leute in Richtung Liberalismus gerichtet, und aus irgendeinem Grund gefiel ihnen, was ich tat. Und so begannen sie, uns zu folgen. Und während der Pandemie, als diese jungen Leute bei ihren Eltern und manche bei ihren Großeltern eingesperrt waren, begannen sie mit ihnen über Milei zu sprechen.

Ökonomie-Vorlesungen auf dem Marktplatz

Wenn Ihnen eine Fernsehsendung nicht gefällt, können Sie sie abschalten. Wenn Ihr Kind aber sagt: „Schau Milei“, können Sie es nicht abschalten. Irgendwann haben die Jungen es geschafft. Sie fingen an, sich Videos anzusehen, in denen ich über die Ideen der Freiheit sprach oder wir stellten einige Bücher vor. Wir haben die Bücher so präsentiert, als wäre es ein Konzert der Rolling Stones, um den Wunsch zu wecken, es noch einmal zu sehen. Deshalb kann es vorkommen, dass beispielsweise bei der Präsentation eines Buches von mir über Keynes die Leute rufen: „Keynes, du bist ein Dieb, du bist ein Dieb“.

Und als man in der Pandemie Fortschritte machte und die Regierung von Alberto „Marionette“ Fernández antrat, begann man, all diese brutalen freiheitsfeindlichen Maßnahmen umzusetzen. In diesem Zusammenhang wurde auch der Versuch einer Zensur unternommen. Ein Abgeordneter, sein Name ist Leandro Santoro, trat damals fast als ein inoffizieller Sprecher von Alberto Fernández auf, ging ins Fernsehen und rief offen zur Zensur der Liberalen auf.

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Javier Milei tritt Ende Mai 2024 im Luna Park in Buenos Aires vor Tausenden Anhängern  mit einer Rockband auf, um sein Buch „Kapitalismus, Sozialismus und die neoklassische Falle“ zu präsentieren

„Wie können Sie so einen langhaarigen Verrückten auftreten lassen?“

Es gibt sogar ein Interview, in dem er dem Besitzer eines Medienunternehmens sagte: „Sie sind unverantwortlich. Wie können Sie es zulassen, dass ein langhaariger Verrückter zur besten Sendezeit sagt, dass die Zentralbank geschlossen werden sollte?“ Daraufhin sagt der Moderator: „Sagen Sie mir doch, wer es ist“, und Santoro war so feige, dass er sagte: „Nein, ich sage es Off-Air.“

Das Gleiche passierte in einem anderen Sender, der auch sehr pro-Kirchner ist, die gleiche Situation. Und dort waren sie schon so hingerissen von dem, was sie taten, dass sie sagten, dass wir Libertäre ein Problem seien, dass wir verboten werden müssten, aus der Sendung genommen werden müssten, dass wir nicht auf Sendung gehen dürften, dass wir gefährlich seien.

Wir waren gefährlich, weil wir lesen

Wir waren gefährlich, weil wir gelernt haben. Weil wir lesen. Es war wirklich beeindruckend. Und angesichts des Vormarschs der Zensur hatten wir ein Problem. Ich spreche immer in der ersten Person Plural, denn ohne meine Schwester, „El Jefe“, hätte ich das alles nicht machen können. Und irgendwann sahen wir, dass wir keine Karten für Konferenzen mehr verkaufen konnten (Mileis damalige Einkommensquelle, Anm. d. Red.), wenn wir weniger im Fernsehen präsent waren, und es würde schwierig, ein Einkommen zu bekommen. Da unser Einkommen in Gefahr war, war die Arbeit jener Tage nicht so romantisch. Wir erkannten, dass die einzige Möglichkeit, die Dinge zu ändern, darin bestand, sich (politisch, Anm. d. Red.) zu engagieren und von innen heraus zu kämpfen.

Man muss aufs Spielfeld kommen

Wenn Sie sich ein argentinisches Fußballspiel in Argentinien ansehen, ist das sehr schön. Sie werden die Fahnen sehen, die Gesänge, die Art und Weise, wie die Menschen sich ausdrücken… die Choripán (Bratwurst im Brötchen, Anm. d. Red.). Natürlich muss man sie den Peronisten wegnehmen, die sagen, die Choripán gehört den Peronisten, sie gehört den Argentiniern.

Die Herausforderung besteht darin, dass ich den Ball in die Mitte des Spielfelds spielen kann. Egal wie sehr die Leute schreien und singen und schöne Dinge tun, der Ball bewegt sich nicht. Der Ball bewegt sich nicht. Jemand muss reingehen und den Ball schießen, denn wenn nicht, schießen die anderen ihn und machen weiter Tore.

Lionel Messi, Kapitän der argentinischen Nationalmannschaft, Sieger der Fußball WM 2022
Lionel Messie, Kapitän der argentinischen Nationalmannschaft, nach dem Sieg bei der Fußball WM 2022 am 18. Dezember 2022 mit dem WM Pokal. | Foto: picture alliance / Pressebildagentur ULMER | Michael Kienzler

Und so haben wir beschlossen, in die Politik zu gehen. Da passierte es, dass jemand kam und sagte: „Nun, sagen Sie mir, ob Sie irgendwelche Leichen im Keller haben.“ Meine Schwester und ich sahen uns an und sagten „Nein“. Dann sagte er: „Es ist mir egal, was du mir sagst, ich werde es mir ausdenken.“ Und dann, nach zwei Monaten, kommt diese Person zurück und sagt mir, dass ich gute und schlechte Nachrichten habe.

Da ich Perfektionist bin, sagte ich ihm, er solle mir zuerst das Gute sagen, damit ich an dem Schlechten arbeiten könne. Er sagte zu mir: „Das Gute ist, dass wir nichts über Sie gefunden haben.“ Ich sagte: „Ah, aber das ist doch toll.“ Nein, das ist auch schlecht, denn dann werden sie es sich ausdenken. Wir wissen nicht, was sie sich ausdenken werden, das ein Problem. Sagen wir mal so, wenn wir eine Leiche im Schrank haben, dann sehen wir das, wenn wir sie rausnehmen. Aber hier werden sie es erfinden. Und Junge, haben sie einen Toten gefunden…? Ein ganzer Friedhof, auf dem ich herumlaufe.

Alle sagten, wie haben keine Chance

Ich erinnere mich, dass man uns zu Beginn der Karriere sagte, wir könnten keine Partei gründen, aber wir haben eine Partei gegründet. Dann sagte man uns, dass wir die PASO (Vorwahlen, Anm. d. Redaktion), die ein Minimum von 12 Prozent erfordern, nicht bestehen würden, aber wir haben sie bestanden. Man hat uns gesagt, dass wir nicht mehr als 5 Prozent der Stimmen bekommen würden, dass wir nicht einmal Abgeordnete werden könnten, dass wir gegen die leeren Stimmzettel verlieren würden, dass wir gegen die Linken verlieren würden. Aber in Wahrheit geschah etwas Interessantes.

Damals war es Dr. Patricia Bullrich, mit der ich später bei der Präsidentschaftswahl konkurrierte. Und heute bin ich stolz darauf, dass sie meine Ministerin für Sicherheit ist, die die verdammten Verbrecher in die Knie zwingt… Während mich alle unterschätzten, sagte sie etwas sehr Interessantes. Sie sagte: „Hören Sie, Sie sollten ein bisschen mehr darauf achten, denn jemand, der vor 20.000 Menschen über Hayek spricht, das ist nicht normal.“ Offensichtlich war also etwas im Gange.

Nicht nur das, sondern eines der untypischsten Dinge bei unseren Veranstaltungen war, dass Bücher verkauft wurden, und zwar allesamt Bücher der Österreichischen Schule. Aber nicht nur das, sondern auch als Teil der Kampagne kam meiner Schwester irgendwann der Gedanke, dass ich auf den Marktplätzen Vorlesung halten kann, wenn mich alle als Lehrer schätzen. Und so unterrichteten wir auf den Marktplätzen.

Die Wahrheit ist, dass wir trotz aller Widrigkeiten 17 Prozent der Stimmen bekamen und zwei Sitze in der nationalen Abgeordnetenkammer gewannen (im Jahr 2021, Anm. d. Red.). Meine Vizekandidatin, Victoria Villarruel, hat mich seitdem begleitet. Als wir unsere Mandate antraten, sagte uns ein unfreundlicher Journalist des Fernsehsenders Diputados: „Ihr seid zwei von 157 Abgeordneten, ihr werdet nichts ausrichten können, weil ihr in der Kammer unbedeutend seid.“

David gegen Goliath

Zu dieser Zeit, als wir ins Parlament kamen, etwa Mitte Dezember, war laut jüdischem Kalender Hannukah, an dem das Hannukah-Fest gefeiert wird, das erinnert an die Heldentat der Makkabäer bei der Wiedereroberung des Tempels. Dazu gibt es einen sehr interessanten Satz: „Der Sieg im Kampf hängt nicht von der Zahl der Soldaten ab, sondern von den Kräften, die vom Himmel kommen.“ Das wurde später zu unserem Slogan: „Die Kräfte des Himmels“. Denn wir mussten gegen enorme Widerstände kämpfen, und die Geschichte der Makkabäer hat uns angespornt und uns dazu gebracht, weiterzukämpfen.

Außerdem als gläubiger Mensch erschien mir das alles auch als Geschichte von David gegen Goliath. Wenn Sie Nietzsche lesen, sagt er, dass Sie tatsächlich glauben, dass David der Schwache und Goliath der Starke war. Und Nietzsche sagt: „Nein, du irrst dich. Der Starke war David, weil er den Schöpfer auf seiner Seite hatte.“

Javier Milei mit Karina Milei und Bundeskanzler Olaf Scholz 2024
Die Schwester, „El Jefe“ (der Boss), Karina Milei im Hintergrund: Javier Milei beim Arbeitstreffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz am 23. Juni 2024 in Berlin | Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Markus Schreiber

Mit diesem Glauben machten wir große Fortschritte. Und da kam meine Schwester auf eine wunderbare Idee, wiederum „El Jefe“. Als Liberaler, als anarchokapitalistischer, libertärer Liberaler, konnte ich meine Abgeordnetendiät nicht annehmen, weil dieses Gehalt aus Steuern stammt, die zwangsweise bezahlt werden. Daher stellte es für mich einen Widerspruch dar, ein unauflösbaren. Ich sage nicht, dass jeder das wählen muss, aber als Anarchokapitalist… Es war also gut, der Maulwurf im System zu sein, das System von innen heraus zu brechen, aber kein Gehalt zu beziehen…

Wie meine Schwester auf die Idee kam, meine Diäten zu verlosen

Meine Schwester kam auf die brillante Idee, die Diät zu verloren. Wenn ich das freihändig bestimmt hätte, wären ich wie andere populistische Politiker. Wir haben den Zufall bestimmen lassen. Als wir diese Verlosung in der Stadt Mar del Plata, einer Touristenstadt in Argentinien, durchführten, waren etwa 10.000 Menschen anwesend.

Wir haben die Diätverlosung durchgeführt, das kam auf die Titelseite von mehr als 30 der weltweit führenden Zeitungen. Wir entdeckten, dass es möglich ist, etwas Größeres anzustreben, und wir mischten im Wahlkampf mit. Ich glaube, es ist bereits eine bekannte Geschichte: Wir kamen in die Stichwahl (2023, Anm. d. Red.), gewannen in der zweiten Runde mit großem Vorsprung (55 Prozent, Anm. d. Red.) und fanden uns mit einer Wirtschaft wieder, die im Grunde zerstört war.

Das Erbe der Vorgängerregierung: Extrem hohe Schulden

Aber wir weinen oder bedauern nie, was wir geerbt haben, denn es muss auch gesagt werden, dass sind die Bedingungen, unter denen ein liberaler Liberaler wie ich gewählt würde. Wenn es offensichtlich war, dass das Präsidentenamt nicht der Garten Eden sein würde. Als wir ankamen, fanden wir eine annualisierte Inflationsrate der Großhandelspreise bei 17.000 Prozent, heute ist sie auf 50 Prozent gesunken. Das ist immer noch eine erschreckend hohe Zahl, aber von 17.000 auf 50 ist ein enormer Fortschritt.

Gleichzeitig hatten wir ein Haushaltsdefizit von 15 BIP-Punkten, 5 (BIP-Punkte) in der Staatskasse, 10 (BIP-Punkte) in der Zentralbank. Wir sprachen über die Kettensäge, aber sie sagten, es sei unmöglich, die von uns angesprochene Anpassung vorzunehmen. Sie sagten, dass maximal eine Anpassung von einem BIP-Punkt im Schatzamt vorgenommen werden könne und dass die Zentralbank sich von selbst lösen würde. Ich würde gerne wissen, wie sie repariert werden sollte.

Die Vorgängerregierung hat uns Schulden von vier monetären Basen hinterlassen, die nach Amtsantritt fällig wurden: 50.000 Millionen Dollar Schulden bei Importeuren, 15.000 Millionen Dollar Schulden gegenüber Dividenden, 90.000 Millionen Dollar in Pesos an fälligen Schulden, 25.000 Millionen Dollar an fälligen Auslandsschulden, als die Vereinbarung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zusammengebrochen war.

Inflation senken, Haushalt sanieren

Wir haben beschlossen, die Sanierung vorzunehmen. Und heute kann ich Ihnen sagen, dass wir sechs Monate nach Amtsantritt die größte Haushaltssanierung in der Geschichte Argentiniens vorgenommen haben.

Und nicht nur das, wir haben die Inflation gebrochen, die monatliche Inflationsrate liegt heute bei nur noch etwa 3,5 Prozent. Aber wenn man die Wechselkursabwertungen von 2 Prozent dazu nimmt, so ist die reale Inflation in Argentinien bei etwa 1,5 Prozent. Und das ist auch deshalb sehr wichtig, weil wir im Vergleich zu anderen Fällen einer Stabilisierung nicht erst durch eine Hyperinflation gehen mussten, um die Reallöhne anzupassen.

Gemüsehändler in Argentinien
Menschen kaufen Gemüse bei einem kleinen Händler in Buenos Aires. Lebensmittelpreise legten im Mai um 4,8 Prozent zu. Der jährliche Preisanstieg bei Lebensmitteln liegt in dem südamerikanischen Land bei 289,4 Prozent. | Foto: picture alliance/dpa | Cristina Sille

Wir haben nicht enteignet und gesagt, es gibt eine Art Bonex-Plan (wie 1990, Anm. d. Red.), bei dem die Einleger beraubt und das Recht auf Eigentum verletzt wurde. Wir haben keine direkten oder induzierten Preiskontrollen eingeführt. Wir haben auch nicht den Wechselkurs festgesetzt. Mit anderen Worten, wir haben dies (die Anpassung, Anm. d. Red.) in einem Kontext der vollen Freiheit und der relativen Preisneubildung erreicht, und die Zahlen sind wirklich beeindruckend.

Es war klar, dass dies nicht kostenlos sein würde. Das haben wir den Leuten immer offen gesagt, wir haben ihnen gesagt, dass es kein Geld gibt, dass es schwierig sein wird, dass der Anfang schwierig sein wird. Aber wenn wir es tun, werden wir gute Ergebnisse erzielen, und anders als wir dachten, ist das Ergebnis viel schneller gekommen, als wir uns vorgestellt haben. Das erste Quartal (2024, Anm. d. Red.) war zwar ein sehr harter Fall, aber die Art und Weise, wie wir das Programm konzipiert haben, bedeutete, dass es weniger als die Hälfte von dem war, was es im ersten Quartal 2002 war, nämlich 16 Prozent (2002 war das letzte Sanierungsprogramm in Argentinien, Anm. d. Red.). Und die ersten Indikatoren für April und Mai zeigen, dass sich eine Erholung abzeichnet.

Ja, die Daten sind im Vergleich zum Vorjahr negativ, aber wenn man sich den Monat im Vergleich zum saisonbereinigten Monat ansieht, beginnt man Wachstum und Anzeichen einer Erholung zu erkennen. Tatsächlich haben sich die Indizes, die die Anzahl der Sektoren messen, die sich positiv entwickeln, bereits vor zwei Monaten auf 50 Prozent bewegt.

Der Frühindikator, der die Entwicklung der Wirtschaftstätigkeit vorwegnimmt, erholt sich nun schon zwei Monate in Folge. Wir haben also nicht nur die kulturelle (intellektuelle, Anm. d. Red.) Schlacht geschlagen, sondern wir führen sie jetzt auch in Realität aus. Und der Grund, warum die Sozialisten so gewalttätig sind, ist, dass es funktioniert und ihre Lügen zusammenbrechen.

Unser Ziel: Das freieste Land mit Wohlstand für alle

Zum Schluss möchte ich noch einige Überlegungen anstellen. Eine davon ist, Ideen mit Leidenschaft zu verteidigen und an Ideen zu glauben, weil sie funktionieren. Die Politiker-Kaste war in diesen ersten Monaten gegen uns, sie haben für kein Gesetz gestimmt. Eine Maschine, um uns zu behindern. Vom ersten Moment an haben sie versucht, einen Staatsstreich zu verüben. Und trotz aller Hindernisse, aller Destabilisierungsversuche, aller Angriffe, die wir erhalten haben, kommen wir voran, es gelingt uns, die Inflation unter Kontrolle zu bringen und die Wirtschaftstätigkeit erholt sich.

Das heißt, die Ideen sind so stark, so stark, dass sogar die ganze politische Kaste, die Mehrheit der argentinischen Politik, die alle dagegen sind, die versuchen, das zu verhindern, die im Laufe der Geschichte verschiedene Regierungen beseitigt haben. Wir besiegen sie dank der Ideen der Freiheit.

Und schließlich steht das Basisgesetz (La Ley de Bases y Puntos de Partida para La Libertad de los Argentinos) kurz vor seiner Verabschiedung. Um Ihnen eine Vorstellung davon zu geben: Die größte +Strukturreform, die in Argentinien durchgeführt wurde, war in den 1990er Jahren, während der Regierung von (Carlos) Menem, und dieses Basisgesetz, das zum Teil von der Politik verwässert wurde, ist in seiner heutigen Form fünfmal größer als die Reform von Menem. Und wenn Sie das Notdekret (Decreto de Necesidad y Urgencia) nehmen, das immer noch in Kraft ist, dann sind die Strukturreformen, die wir durchgeführt haben, achtmal größer als die von Menem.

Es lebe die Freiheit, verdammt!

Warum sage ich das? Weil dies bedeuten würde, dass Argentinien auf dem Index der wirtschaftlichen Freiheit um 90 Plätze nach oben klettern würde. Mit anderen Worten: Argentinien hätte dann ein ähnliches Niveau an wirtschaftlicher Freiheit wie beispielsweise Deutschland oder Frankreich. Wir wollen aber mehr wirtschaftliche Freiheit. Ein Vergleichsmaßstab ist also zum Beispiel Irland. Irland, das Land mit der größten wirtschaftlichen Freiheit der Welt (neben Singapur und der Schweiz, Anm. d. Red.), auch wenn es jetzt Rückschläge erleidet, und ein Land, das innerhalb von 35 Jahren vom ärmsten Land (West-)Europas zu einem Pro-Kopf-BIP gelangt ist, das 50 Prozent höher ist als das der Vereinigten Staaten. Das wäre also ein schöner Vergleichswert.

Aber wir haben nicht nur diese 800 Strukturreformen bereits auf dem Tisch, sondern 3200 weitere. Wir wollen also nicht nur die wirtschaftliche Freiheit Irlands anstreben, sondern wir wollen das freieste Land der Welt sein, mit Wohlstand für alle Argentinier, und ein hervorragendes Beispiel für die Welt, dass die Ideen der Freiheit funktionieren.

Also vielen Dank und, es lebe die Freiheit, carajo!

Der argentinische Präsident Javier Milei hält seine Dankesrede zur Verleihung der Hayek-Medaille in Hamburg am 23. Juni 2024 / Demonstration gegen Milei an den Landungsbrücken in Hamburg | Fotos: picture alliance/dpa | Daniel Bockwoldt
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