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Liberalkonservative unter sich: Wie Jordan Peterson einmal kurz die Welt retten will

Liberalkonservative unter sich: Wie Jordan Peterson einmal kurz die Welt retten will

Liberalkonservative unter sich: Wie Jordan Peterson einmal kurz die Welt retten will

Auf dem Foto befindet sich Jordan B. Peterson, ein kanadischer Buchautor, der nun einen neuen Zusammenschluß von Liberalkonservativen ins Leben ruft. (Themenbild/Symbolbild)
Auf dem Foto befindet sich Jordan B. Peterson, ein kanadischer Buchautor, der nun einen neuen Zusammenschluß von Liberalkonservativen ins Leben ruft. (Themenbild/Symbolbild)
Jordan B. Peterson: Der Mann, der dem westlichen Liberalkonservatismus einen positiven Antlitz verpassen will. Foto: picture alliance/dpa | Mikko Stig
Liberalkonservative unter sich
 

Wie Jordan Peterson einmal kurz die Welt retten will

Seinem Aufruf folgten Unternehmer, Publizisten und Intellektuelle: Der kanadische Buchautor Jordan B. Peterson ruft ein neues Bündnis gegen den Vormarsch der Woken ins Leben. Was hat er konkret vor? Ein Bericht von Liz Roth.
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Unwort, Umfrage, Alternativ

Alarmstufe Rot für die Welt – das sei das Motto unserer Zeit. „Wir befinden uns inmitten eines kulturellen und gesellschaftlichen Wandels, in dem ideologisch linke Politik und die progressiven Denker der Zeit vorgeben, daß wir uns in der Endzeit befinden und alles, was wir einst gewußt haben, nicht mehr richtig ist. Heute sind Geschlechter ein soziales Konstrukt des Patriarchats, Landesgrenzen sind überflüssig, das Klima ist die größte Gefahr für die Menschheit und Geld wird einfach per Knopfdruck neu geschaffen“, erklärte der kanadische Psychologe Jordan B. Peterson.

Und verkündete im Februar, in einer Folge des Joe Rogan Podcasts, die Gründung der Alliance for Responsible Citizenship (Allianz für verantwortungsvolle Staatsbürgerschaft; ARC), ein internationaler Zusammenschluß, dessen Ziel es sei, „so etwas wie eine alternative Zukunftsvision zu entwickeln – eine Alternative zur apokalyptischen Erzählung, die zumindest implizit von Organisationen wie dem Weltwirtschaftsforum verbreitet wird“.

Peterson will eine „positive Zukunftsvision“

Die ARC-Vision ist, die Menschen „maximal gegen Angst und Verzweiflung“ zu stärken und „durch Glauben und Hoffnung“ zu motivieren, damit sie sich im „Streben nach einer blühenden und reichhaltigen Welt vereinen“. Weitere Kernthemen sind verantwortungsvolle Staatsbürgerschaft – selbst denken und Verantwortung für sich und seine Familie übernehmen, Familie und soziales Gefüge – für gestärkte und stabile zwischenmenschliche Beziehungen, einen offenen Austausch und gute Regierungsführung – zur Förderung von  Unternehmertum und Innovation; Energie und Ressourcen sowie Verantwortung für die Umwelt.

Peterson betonte gegenüber Rogan, daß die Gruppe eine „promenschliche Sichtweise an der Umweltverantwortungsfront“ haben würde. „Wenn Sie alternative Energiequellen entwickeln wollen, kein Problem. Denn, hey Mann, je mehr Energiequellen wir haben, desto besser. Aber du kannst deine utopische Vision im Dienste deines Narzißmus nicht den Armen aufzwingen. Wir werden versuchen, die Armen reich zu machen. Wir werden versuchen, die absolute Armut zu lindern“, so Peterson über die Ziele der ARC.

Auf seiner Netzseite schrieb er einige Tage später, daß negative Zukunftsvisionen gefährlich für die Menschheit seien. Das Bündnis will anders sein und „eine positive, hoffnungsvolle, konservative zivilisatorische Vision, statt einer Politik, die die Menschen mit apokalyptischen Visionen erschreckt oder sie durch haßerfüllte Parteinahme manipuliert“.

Zusammenschluß einflußreicher Liberalkonservativer

Hinter der ARC, deren Sitz sich in England befindet, steht nicht nur Peterson, sondern auch ein großer Zusammenschluß von liberalkonservativen Denkern, Politikern, Journalisten und Unternehmern. Die Geschäftsführerin der Organisation ist Philippa Stroud, ehemalige Chefin der „Pro-Brexit“-Denkfabrik Legatum Institute. Ein Blick ins englische Handelsregister zeigt, daß auch Mark Alan Stoleson, der jetzige Chef der Legatum Group, einer Investmentfirma mit Sitz in Dubai, die auch die Denkfabrik finanziert, als eine Person mit erheblicher Kontrolle über die ARC dort aufgeführt wird.

Die linksgerichtete Zeitung The Guardian kritisierte bereits im Juni, daß ein Großteil des Kapitals der Legatum-Gruppe von Öl- und Gasgeschäften mit Rußland, insbesondere mit Gazprom, stammt. Über Legatum ist die ARC auch mit dem rechtsgerichteten britischen Sender GB News verbunden. Legatum ist Miteigentümerin der Muttergesellschaft von GB News und drei ihrer Direktoren, unter anderem Stoleson und Paul Marshall, sind wiederum Personen, die die ARC maßgeblich kontrollieren.

Paul Marshall ist in England überwiegend als Großinvestor bekannt. Laut Sunday Times Rich List 2020 (Liste der Reichen in Großbritannien) verfügt er über ein Vermögen von knapp 1,1 Milliarden Pfund (cirka 1,3 Milliarden Euro). Er investiert seit Jahren in aufstrebende konservativ-gerichtete Medien wie GB News und finanziert die Kommentar-Netzseite Unherd. Die Zeitung Politico berichtet über Gerüchte, daß er kurz davor stehe, die traditionellen englischen Zeitungen The Telegraph und The Spectator zu übernehmen. Sein Sohn Winston Marshall, Grammy-Gewinner und ehemaliges Mitglied der Band Mumford & Sons, gehört dem Beirat der ARC an.

Das rechte Gegenstück zu Davos

Die Liste der bekannten Unterstützer der ARC ist lang und umfaßt viele namhafte Politiker, unter anderem die ehemaligen australischen Premierminister John Howard und Tony Abbott oder auch den US-Abgeordneten Dan Crenshaw und den ehemaligen Sprecher des Repräsentantenhauses Kevin McCarthy. Aus dem deutschsprachigen Raum ist die österreichische Parlamentsabgeordnete und ÖVP-Politikerin Gudrun Kugler im Beirat der Organisation vertreten.

Ende Oktober veranstaltete die ARC ihr erstes großes Event, eine dreitägige Konferenz in London – „Ein Weltgipfel für bürgerlich-konservative Werte“. Dort präsentierte sie zum ersten Mal ausgiebig ihre Pläne. Stimmen auf X (ehemals Twitter) nannten es „eine Gegenveranstaltung zu Davos“ und waren sich nicht sicher, ob sie die Veranstaltung „gut oder schlecht“ finden.

„Wir von der ARC glauben nicht, daß die Menschheit zwangsläufig und unausweichlich am Rande einer apokalyptischen Katastrophe steht. Wir glauben nicht, daß wir Wesen sind, die in erster Linie von Macht- und Herrschsucht getrieben werden. Wir betrachten weder uns noch unsere Mitbürger als zerstörerische Kräfte, die in einer fremden Beziehung zur unberührten und reinen Natur leben. Es ist an der Zeit, daß wir die bessere Geschichte wiederentdecken“, erklärte Geschäftsführerin Stroud während ihrer Rede zur Eröffnung der Konferenz. Sie sagte den Anwesenden, daß sich der Westen in einer Phase des „Niedergangs“ befinde und „die Gesellschaft ihr Ziel verloren“ habe.

Freiheit statt Kulturkrieg als Parole

Laut Stroud geht es bei der ARC darum, die „Grundlagen“ wiederzuentdecken, einschließlich der „Grundlagen des kulturellen Erbes aus unserer liberal-demokratischen Geschichte und der Grundlagen unserer kostbaren jüdisch-christlichen Geschichte“. Es sei an der Zeit, „uns daran zu erinnern, wer wir sind“ und „einen klaren Weg nach vorn zu finden, der auf Stärke, Hoffnung und Vision beruht“.

Petersons Eröffnungsrede klang ähnlich. Er betonte immer wieder die Gefahren einer tiefen gesellschaftlichen Spaltung. „Wir befinden uns inmitten eines sogenannten Kulturkrieges. Es ist ein psychologisches und kulturelles Minenfeld. Und während dieser Konferenz probieren wir, uns durch dieses Minenfeld zu bahnen und etwas anzubieten, das einer Lösung nahe kommt, das sich auszahlt und produktiv und großzügig ist“, so der Kanadier in seiner selbst so bezeichneten „wichtigsten Rede seines Lebens“.

Der schottische Historiker Niall Ferguson ist ein weiterer prominenter Unterstützer und ein Mitglied des Beirats. Er warnte auf der Bühne in London davor, daß die liberalen Demokratien auf der ganzen Welt im Niedergang begriffen seien. In seiner Rede rief er führende Politiker aus dem gesamten politischen Spektrum dazu auf, sich gemeinsam für liberale Demokratien einzusetzen. „Wir müssen uns viel besser organisieren, um die Werte der individuellen Freiheit aufrechtzuerhalten. Die Zivilisation ist eine zu kostbare Errungenschaft, um nur ein konservatives Projekt zu sein.“

Klimawandel als säkulare Religion

Der US-amerikanische Twitter-Files-Journalist, Autor und Energieexperte Michael Shellenberger gehört auch zum ARC-Beirat und widmet sich dem Thema Energiewende, besonders einer solchen, die gegen „die Menschen“ ist. „Die Emissionen sind in den vergangenen zehn Jahren stagniert und leicht zurückgegangen“, betonte der 52jährige und führte Klimaeränderungen auf Wetterextreme und die natürlichen Zyklen zurück.

Er sagte, daß „erneuerbare Energien nicht in der Lage sind, die zuverlässige Energie zu liefern, die wir benötigen“. Er sprach sich für Gas und Kernenergie aus, wobei er behauptete, daß Fracking zur Gewinnung von Schiefergas von Klimaaktivisten einfach nur „verteufelt“ worden sei. Für Shellenberger ist der Klimawandel eine „säkulare Religion“, die den Glauben an Gott ersetzen solle, und er forderte seine Zuhörer auf der Konferenz auf, „die Menschheit zu lieben, wozu unsere Gegner in der menschenfeindlichen Linken nicht in der Lage sind“. Linke Stimmen wie der Guardian nannten diese Aussagen „gefährlich“, „realitäts- und wissenschaftsfremd“.

Wider die Utopisten und Revisionisten

Die konservative Kommentatorin Eva Vlaadingerbroek war auch in London mit dabei. Stolz hatte sie auf X gepostet: „Ich freue mich wirklich, als eine ihrer jungen Führungskräfte der Alliance for Responsible Citizenship beizutreten. Zeit, dem Weltwirtschaftsforum zu zeigen, wer der Boß ist.“  Die Niederländerin erntete dafür viel Kritik auf X, denn viele sahen in der Veranstaltung eine Fortsetzung des jetzigen Establishments. Sie stellte aber klar, daß sie „nicht mit allem, was dort gesagt wurde“, übereinstimmt, aber dennoch „offen für verschiedene Ansichten“ ist und diese Veranstaltung der ARC gute Möglichkeiten des Austausches gebe.

Publikumswirksame Reden bezogen sich insbesondere auf den wirtschaftlichen Status quo des Westens. Der langjährige britische Kabinettsminister Michael Gove sagte, der Kapitalismus sei jetzt durch die „Ressentiment-Industrie“ gefährdet, und warnte, daß das „Verhalten der Privilegierten“ und eine Situation, in der sich die „Gewinne des Wirtschaftswachstums zunehmend in den Händen einiger weniger konzentriert haben“. Auch der republikanische Präsidentschaftskandidat der USA Vivek Ramaswamy, der per Videostream zugeschaltet war, nahm den „woken“ Kapitalismus ins Visier und kritisierte die moralische Überheblichkeit der Wall Street, die seit geraumer Zeit die amerikanische Wirtschaft steuere und eine Gefahr für den Wohlstand und die Demokratie sei.

Für eine familien- und kinderfreudliche Politik

Großinvestor Paul Marshall trat ebenfalls hinter das Rednerpult. Er sprach von der „Legitimationskrise“ des Kapitalismus und davon, wie ein Dreiklang aus Monopol-, Kumpel- und Woke-Kapitalismus die Effizienz und Fairneß der Märkte auffresse. Er prangerte Davos, die Deindustrialisierung des Westens und die monopolistische Politik von Uber, Google, den großen Fluggesellschaften, Apple und der technokratischen Managerklasse an, die sie vorantreibe.

Die britische konservative Abgeordnete Miriam Cates, die ebenfalls dem ARC-Beirat angehört, warnte wiederum vor den sinkenden Geburtenraten, die den Westen auf eine „Zukunft mit wirtschaftlicher Stagnation oder destabilisierender Masseneinwanderung oder beidem“ zusteuern ließen. Sie betonte die Notwendigkeit einer familien- und kinderfreundlichen Politik, die Eltern ermöglicht, ihre Kinder selbst zu betreuen.

Familienwerte wurden in den drei Tagen viel diskutiert. Die Psychologin Erica Komisar sagte in ihrer Rede, daß „die Medien eine wichtige Rolle dabei spielen müssen, das Bild umzukehren, daß Arbeit außerhalb des Hauses wichtiger ist als Mutterschaft“.

Mensch als Abbild Gottes

Für die größte Überraschung sorgte allerdings die niederländische Islamkritikerin Ayaan Hirsi Ali, als sie fast beiläufig erwähnte, daß sie sich jetzt als Christin versteht.

Zum Abschluß forderte Jordan Peterson die 1.500 Teilnehmer auf, sich daran zu erinnern, „wer wir sind“. „Erinnern wir die Menschen daran, wer sie sind, Männer und Frauen, nach dem Abbild Gottes geschaffene Individuen, die ewig bergauf strampeln, zur strahlenden Stadt auf dem Hügel. Wenn genug von uns das tun, dann gibt es nichts, was wir nicht erreichen können.“ Die Konferenz schloß mit einer Botschaft der Hoffnung. Im Februar 2025 wird die nächste ARC-Weltkonferenz stattfinden.

JF 50/23 

Jordan B. Peterson: Der Mann, der dem westlichen Liberalkonservatismus einen positiven Antlitz verpassen will. Foto: picture alliance/dpa | Mikko Stig
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