BRÜSSEL. Der Widerstand gegen einen verpflichtenden Sexualkunde-Unterricht für Grundschüler in Belgien nimmt weiter zu. In der belgischen Hauptstadt Brüssel demonstrierten am Sonntag etwa 2.000 Menschen gegen das Schulprojekt, das in Brüssel und der Wallonie im neuen Schuljahr umgesetzt werden soll. Der Protest in der Hauptstadt wurde von der in Paris geborenen muslimischen moslemischen Influencerin Radya Oulebsir organisiert.
Auch an der Demonstration nahmen zu großen Teilen Moslems teil, doch auch konservative Christen waren anwesend. Das Programm heißt „Erziehung zum Beziehungs-, Gefühls- und Sexualleben“ („Evras“).
Bruxelles se lève
Les manifestants se sont rassemblés dans le centre de Bruxelles pour exiger l’abolition du programme très controversé d’éducation sexuelle dans les écoles.
Les opposants à cette question craignent que l’hypersexualité et le changement d’orientation sexuelle… pic.twitter.com/mo8ThCv114
— SILVANO TROTTA OFFICIEL (@silvano_trotta) September 17, 2023
Künftig sollen Schüler in zwei Stunden in der vierten Klasse und in zwei Stunden in der sechsten Klasse über Sexualthemen unterrichtet werden. „Ziel von Evras ist es, Kinder und Jugendliche bei der Entwicklung ihres Beziehungs-, Gefühls- und Sexuallebens zu unterstützen“, heißt es auf der Website des Programms. Kritiker befürchten eine Frühsexualisierung von Kindern und Jugendlichen durch die Anfang September eingeführte Regelung.
Belgiens Regierung gibt Desinformation die Schuld
Das Thema beschäftigt Belgien seit langem, die Proteste blieben nicht immer friedlich. In der vergangenen Woche wurden in der französischsprachigen Region Wallonien, in der das neue Lehrprogramm in Kraft treten soll, sechs Schulen angezündet. Den belgischen Behörden zufolge wurden an einigen Tatorten Schilder und Graffitis mit Anti-Evras-Parolen gefunden. Die Polizei vermutet daher einen Zusammenhang, bisher gibt es weder Bekennerschreiben noch Tatverdächtige.
Die belgische Politik reagierte empört auf die Brandstiftungen und kündigte Konsequenzen an. Ministerpräsident Alexander De Croo (Open Vlaamse Liberalen en Democraten) sagte, er habe die für Terrorismus zuständigen Behörden um eine Analyse der Lage gebeten und betonte: „Wir leben in einem Land der Toleranz, und Toleranz bedeutet, daß wir debattieren und unterschiedliche Standpunkte vertreten können.“ Das dürfe jedoch niemals zu Gewalt führen, „insbesondere nicht an Orten, die unseren Kindern nutzen“. Er werde niemals hinnehmen, daß Schulen zur Zielscheibe gemacht würden.
Die Bildungsministerin von Wallonie-Brüssel, Caroline Désir (Parti Socialiste) machte Desinformationen über das Evras-Programm für die aufgeheizte Stimmung im Land verantwortlich. „Ich möchte alle dazu aufrufen, sich zu beruhigen und noch einmal zu versuchen, die Lügen über das Evras-System zu entkräften“, sagte sie mit Blick auf die aktuelle Situation. (lb/st)