Es ist gut 600 Jahre her, seit China zuletzt versuchte, sich als Seemacht in Asien einen Namen zu machen. Kaiser Zhu Di befahl 1403 den Bau einer gewaltigen Flotte, um die Seewege rund um das chinesische Festland zu erkunden und den Pazifik zu bereisen. Angeblich seien es die größten Holzschiffe gewesen, die jemals gebaut wurden. Sie sollen bis zu 80 Meter lang gewesen sein. Die gewaltige Armada mit knapp 20.000 Mann unter Führung des Eunuchen Zheng He segelte gen Westen und erreichte Häfen, die heute zu Ländern wie Indonesien und Indien gehören.
Selbst zur afrikanischen Ostküste drangen die Chinesen vor. Dabei ging es keinesfalls ausschließlich um friedliche Exploration, sondern um eine Demonstration der eigenen Macht zur See. Etliche Völker und Städte entlang der Küsten Südostasiens und Südasiens wurden mit der imposanten Flotte zu Tributzahlungen verpflichtet und die chinesische Flotte kehrte mit geraubten und erpreßten Schätzen zurück in die Heimat.
Ein halbes Jahrtausend später greift Peking auf die Geschichte von Zheng He zurück, um seinem Anspruch auf das südchinesische Meer die nötige historische Würze zu verleihen und gleichzeitig zu untermauern, daß China eine traditionelle Seemacht mit Weltgeltung sei. Mehr als 80 Prozent des südchinesischen Meeres wird von China beansprucht. Alte Seekarten, deren Authentizität von etlichen Anrainerstaaten in Zweifel gezogen wird, sollen die Ambitionen untermauern und beweisen, daß China schon immer die Wellen südlich und südöstlich von Hainan und Hongkong beherrschte. Eine Lesart, die freilich von Ländern wie Vietnam, den Philippinen und Indonesien nicht geteilt wird.
China rückt vor, langsam und unnachgiebig
Wo in den 90ern noch sanftere Töne angeschlagen und auf Verhandlungen gesetzt wurde, läßt die Kommunistischen Partei heute keinen Zweifel mehr daran, daß man willens ist, das südchinesische Meer samt seiner unermeßlichen Rohstoffe notfalls mit Gewalt zu nehmen. Die sich häufenden Angriffe der chinesischen Seemilizen gegen vietnamesische Fischerboote sind nur ein Aspekt dieser Strategie der langsamen Expansion zur See. Unter den Argusaugen von Staatschef Xi Jinping entwickelte sich Chinas Marine zu einer der schlagkräftigsten in der Region, während künstliche Inseln mit Unmengen an Sand und Gestein mitten im Meer aufgeschüttet werden, um darauf militärische Basen zu errichten.
Etliche vietnamesische Seemänner verloren bereits bei den von China provozierten Zusammenstößen ihr Leben oder erlitten Verletzungen. Offiziell weist Peking jede Schuld von sich und behauptet, daß die Zusammenstöße zwischen den Seemilizen aus Hainan und den Seeleuten anderer Länder ausschließlich Provokationen der jeweiligen Nationen seien und sich die Chinesen lediglich gewehrt hätten. Die Philippinen und Vietnam halten dagegen, daß sich chinesische Schiffe – zivile und militärische – längst innerhalb ihres Seegebiets bewegten und damit internationales Recht verletzten.
Vietnam sucht die Nähe der USA
Derlei Beschwerden stoßen in Peking derzeit jedoch auf taube Ohren. Dort pocht man auf die sogenannte 9-Punkte-Linie als legitime Eingrenzung, die das südchinesische Meer fast vollständig unter die Kontrolle Pekings stellen würde. Nahezu alle Fischfanggebiete und Orte, an denen weitere Rohstoffe wie Öl und Gas gefunden wurden oder vermutet werden, wären damit unter chinesischer Kontrolle. Daß ein solcher Anspruch bei den Nachbarn nicht auf Gegenliebe stößt, ist kaum verwunderlich. Selbst Küsten der Länder Brunei und Malaysia werden von den Gebietsansprüchen Chinas nicht verschont.
Daher heißt selbst Vietnam trotz seines langen Krieges mit den Vereinigten Staaten im vergangenen Jahrhundert diese mittlerweile als Freunde und militärische Partner im Hafen von Danang willkommen. Daß US-amerikanische Flugzeugträger und Kriegsschiffe mit allen militärischen Ehren im noch offiziell kommunistischen Vietnam empfangen werden, sollte China zu denken geben.