Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) scheint den Bezug zur Realität zu verlieren. So entfachte sie nach der Libyen-Konferenz in Berlin eine öffentliche Diskussion über einen Bundeswehreinsatz in dem Bürgerkriegsland. Dabei stellt sich die Frage: Mit welchen Kräften sollte das bitteschön geschehen?
Seit Jahren kämpft die Armee mit Personalmangel und der Belastung durch Auslandseinsätze von Afrika bis Afghanistan. Gerade erst hat Deutschland der Nato 7.000 weitere Soldaten für die Nato Readiness Initiative versprochen, um die Task Force, die Speerspitze des Bündnisses, zu unterstützen. Außerdem hat die Bundesregierung ihren Nato-Partnern zugesagt, ab diesem Januar unter anderem 40 Kampfflugzeuge und drei Kampfschiffe bereitzuhalten.
Da mutet die Antwort der Großen Koalition auf eine Anfrage der FDP entsprechend peinlich an. Denn das Verteidigungsministerium mußte zugeben, es handele sich „bei diesen Kräften überwiegend um noch nicht voll ausgestattete und einsatzbereite Verbände“, zitiert die Welt aus dem Schreiben.
Die Rede ist vom „Papiertiger“
Im Klartext: Kramp-Karrenbauer meldet Einheiten an die Nato, die gar nicht verwendet werden können. Bleibt zu hoffen, daß der Ernstfall nie eintritt. Andererseits scheint die Parole zu gelten: Es ist ja noch immer gut gegangen.
Bereits vor Weihnachten mußte das Verteidigungsministerium zugeben, bis Ende 2031 doch nicht die vereinbarten drei voll ausgerüsteten Heeresdivisionen mit jeweils 20.000 Mann aufstellen zu können. Aber immerhin wolle man den dritten Großverband im Bedarfsfall mit Reservisten auffüllen. Schon macht unter Verteidigungsexperten der Parteien das Wort vom „Papiertiger“ oder „Geisterdivision“ die Runde.
Nun könnten Zyniker einwerfen, es sei doch die letzten Jahrzehnte nicht anders gewesen. Großen Worten der Verteidigungsminister seien keine entsprechenden Taten gefolgt. Doch Kramp-Karrenbauer läßt seit Monaten mit immer neuen Gedankenspielen aufhorchen.
Prioritäten setzen
Erst im November sprach sie in einer Rede an der Bundeswehr-Universität München davon, Deutschlands Partnern im Pazifikraum gegen den Machtanspruch Chinas beistehen zu wollen. Das erscheint angesichts von Chinas Militärpotential mit insgesamt gut zwei Millionen aktiven Soldaten, und zur See unter anderem mit zwei Flugzeugträgern, 150 U-Booten und über 200 Kampfschiffen geradezu grotesk an.
Von solchen geopolitischen Phantastereien abgesehen, sollte das deutsche Hauptaugenmerk darauf gerichtet werden, zunächst für die derzeit im Sold stehende Truppe die benötigte Ausrüstung zu beschaffen. Das wäre ein Anfang, anstatt auf der Weltkarte mit Phantasie-Verbänden zu operieren.