BERLIN. Der Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Rolf Mützenich, hat aufgrund aktueller Krisen eine Aussetzung der Schuldenbremse gefordert. Er begründete den Vorstoß unter anderem mit einer mögliche Unterstützung Deutschlands beim Wiederaufbau Gaza-Streifens. „Die Aufgaben, die vor uns stehen, sind ja nicht nächstes Jahr erledigt“, mahnte der Abgeordnete in einem Interview mit dem Stern.
Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen Mittwoch. Die Richter hatten mit diesem den rückwirkend beschlossenen Nachtragshaushalt der Ampel-Koalition für das Jahr 2021 aufgrund der Schuldenbegrenzung im Grundgesetz für nichtig erklärt. Die blockierten Mittel, rund 60 Milliarden Euro, sollten in den Klima- und Transformationsfonds fließen. Mützenich kritisierte das Urteil und sagte, kluge Richter seien „auch zur Selbstreflexion in der Lage, wenn sie die Folgen ihrer unterschiedlichen Urteile bedenken“.
Mützenich bemängelt fehlende Kompromißbereitschaft
Der 64jährige beklagte zudem mangelnde Kompromißbereitschaft unter anderen Ampel-Partnern: „Ich erlebe zu oft eine Koalition, die nicht so agiert, wie ich mir das vorstelle.“ Er sei in den vergangenen zwei Jahren mehrfach bis zur „persönlichen Schmerzgrenze“ gegangen, um Einheit in der Koalition herzustellen. „Das erwarte ich auch von anderen“, merkte er an. Beim Streit um die Schuldenbremse mahnte er die FDP zur Einsicht: „Ich hoffe, daß die Koalition hier geschlossen handelt.“
Das Urteil des Verfassungsgerichts zieht unterdessen weitere Kreise. Die Bundesregierung beabsichtigt, rund 200 Milliarden Euro Schulden für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds aufzunehmen. Die Zuschüsse und Kredite sind für einen Wandel zur CO2-neutralen Wirtschaft vorgesehen. Da der Bundesrechnungshof sowie mehrere Experten jedoch Bedenken geäußert haben, ließ Lindner nicht nur den Fonds, sondern fast den gesamten Bundeshaushalt für das kommende Jahr sperren. (kuk)