BRÜSSEL. Nach der Vize-Parlamentspräsidentin Eva Kaili und drei Komplizen hat die belgische Polizei im Zusammenhang mit dem EU-Korruptionsskandal sechs weitere Personen verhaftet. Alle gehören zum EU-Parlament oder dessen Umfeld. Außerdem haben die Beamten mindestens eine weitere Million Euro Bargeld sichergestellt. Nun geht die Angst in Brüssel um, der Skandal könne noch viel größere Dimensionen annehmen.
„Sicher ist, daß nicht nur Katar und nicht nur die genannten Personen in ausländische Einflußnahme verwickelt sind“, sagte Raphaël Glucksmann, ein sozialistischer Abgeordneter aus Frankreich, gegenüber Politico. Er nannte auch Rußland, Georgien und Aserbaidschan. Diese Länder hätten bereits in der Vergangenheit versucht, Entscheidungen im EU-Parlament zu kaufen.
EU-Korruption: Weitere Verhaftungen erwartet
Der Fehler liege im System. Für die Aufsicht über die Finanzen der Abgeordneten sei ein Ausschuß zuständig, der sich selbst reguliere. Außerdem müßten Parlamentarier ihre Treffen mit Akteuren von Drittstaaten nicht offenlegen, kritisiert Glucksmann.
Der Chef des EU-Büros von Transparency International, Michiel van Hulten, selbst ehemaliger niederländischer Abgeordneter, vermutet ebenfalls, „daß es in diesem Skandal Namen gibt, von denen wir noch nichts gehört haben.“ Viel ist nun bei den aktuellen Verhaftungen nur von der „Spitze des Eisberges“ die Rede.
Von der Leyen verweigert Antworten
Inzwischen halten es Beobachter sogar für möglich, daß die von Ursula von der Leyen (CDU) geführte EU-Kommission in den Skandal verwickelt sein könnte. Der griechische Kommissar Margaritis Schinas hatte in den vergangenen Monaten mehrfach öffentlichkeitswirksam Katars Arbeitsmarktreformen gelobt. Von der Leyen weigerte sich bei einer Pressekonferenz nun, Fragen dazu zu beantworten. (fh)