BRÜSSEL. Ungarn das Stimmrecht in der Europäischen Union zu entziehen, hat die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley, gefordert. Das Land mißbrauche angeblich das Einstimmigkeitsprinzip in der EU als Erpressungsmittel, meinte die SPD-Politikerin gestern im MDR.
Um das europäische Demokratieprinzip auszuhebeln, will Barley einen Trick anwenden. Denn das Stimmrecht eines Landes könne wegen Verstößen gegen Rechtsstaatlichkeit ausgesetzt werden. Barley behauptete: „Gerade in Ungarn kann man von demokratischen und rechtsstaatlichen Verhältnissen nicht mehr sprechen.“
Orbán gewinnt Zweidrittel-Mehrheit
Tatsache ist: In dem Land hatten im April Wahlen stattgefunden, die EU-Beobachter nicht beanstandeten. Fidesz, die Partei von Ministerpräsident Viktor Orbán, errang dabei zum Entsetzen der Europäischen Union eine Zweidrittel-Mehrheit. Diesen Wahlsieg münzt Barley nun in einen Vorwurf um: Orban habe das Land „Stück für Stück komplett in seine Hände gebracht“.
Hintergrund: Weil Ungarn dagegen war, hat die EU in einem gestern beschlossenen weiteren Sanktionspaket gegen Rußland darauf verzichten müssen, auch Strafmaßnahmen gegen Patriarch Kirill, das russisch-orthodoxe Kirchenoberhaupt, zu verhängen. Kirill werden enge Kontakte zu Präsident Wladimir Putin vorgeworfen.
Ungarns Regierungschef Viktor Orbán hatte seine Ablehnung „mit der Frage der Glaubensfreiheit ungarischer Religionsgemeinschaften“ begründet. Diese sei „heilig und unveräußerlich“. Auch beim Öl-Embargo gegen Rußland hatte Orbán Ausnahmen ausgehandelt.
Bei wichtigen EU-Entscheidungen müssen alle Mitgliedstaaten zustimmen. Da das Einstimmigkeitsprinzip nur einstimmig aufgehoben werde, müsse Ungarn komplett entzogen werden, fordert Barley. (fh)