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Nostalgie und politische Dilettanten

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Die Nachricht schockierte Österreich, sie ging um die Welt: Am 11. Oktober 2008 verunglückte das Enfant terrible der österreichischen Politik, Jörg Haider, bei einem Autounfall nahe Klagenfurt – mit 141 km/h und laut Untersuchungsbericht 1,77 Promille Alkohol im Blut. Die umstrittene Veröffentlichung der staatsanwaltlichen Unfallakten durch das Boulevardmagazin News hat nur Altbekanntes bestätigt. Verschwörungstheoretiker, die über Fremdeinwirkung bei Haiders Tod spekulieren, sind von News allerdings auch nicht „bekehrt“ worden.

Haiders Witwe Claudia hat vor zwei Wochen die Neuauflage seines Buches „Die Freiheit, die ich meine“ von 1993 angekündigt – ob der Erfolg so groß wird wie 1993/94, ist fraglich. Auch einen Jörg-Haider-Park wird es in Klagenfurt wohl nicht geben. Die Haider-Nostalgie in Kärnten erhält angesichts des Jahrestages am Wochenende dennoch einen Schub: Die zur Gedenkstätte gewordene Unfallstelle in Lambichl wird am 11. Oktober regen Zulauf haben, im Klagenfurter Dom wird eine Gedenkmesse für Jörg Haider zelebriert. Die offizielle Landesfeier findet in der Stiftskirche Ossiach statt. Im Klagenfurter Bergbaumuseum wird am Samstag eine Jörg-Haider-Ausstellung eröffnet, die unter anderem persönliche Gegenstände Haiders zeigt.

Politisch sieht es hingegen ganz anders aus. Ein Jahr nach seinem Tod ist das von ihm gegründete Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) zur Kärntner Regionalpartei abgestiegen, es tobt ein Richtungsstreit. Am 4. April 2005 gab der langjährige und politisch erfolgreiche Kärntner Landeshauptmann gemeinsam mit einigen Spitzenpolitikern der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) die Gründung einer neuen Partei bekannt – des BZÖ.

Nach schwachen 4,1 Prozent bei der Nationalratswahl 2006 mit dem Spitzenkandidaten Peter Westenthaler (Ex-FPÖ-Fraktionschef) stieg Haider bei den vorgezogenen Neuwahlen 2008 selbst in den Ring und puschte sein BZÖ auf 10,7 Prozent – trotz der starken FPÖ-Konkurrenz, die auf 17,5 Prozent kam. Das BZÖ überholte bei dieser Wahl sogar die Grünen und ist seither mit 21 Abgeordneten viertstärkste Partei im Nationalrat.

Nach Haiders Tod führte sein ehemaliger Pressesprecher Stefan Petzner für kurze Zeit die Partei. Da der 28jährige Kärntner aber offensichtlich überfordert war, übernahm Ex-Verteidigungsminister Herbert Scheibner das Amt, bis am 21. April der BZÖ-Fraktionschef Josef Bucher bei einem Parteitag in Linz mit 99,4 Prozent der Stimmen zum Obmann gewählt wurde.

Doch nur die Wahlen im März in Kärnten waren ein Erfolg, das BZÖ stellt mit Gerhard Dörfler weiter den Landeshauptmann (JF 11/09). Bei dem zeitgleichen Urnengang im Land Salzburg scheiterte man mit 3,7 Prozent. Im September folgten noch kläglichere Ergebnisse in Vorarlberg (JF 40/09). In Oberösterreich holte selbst Haiders Schwester Ursula Haubner als Spitzenkandidatin nur magere 2,8 Prozent.

Bei den Wahlen zum Europaparlament verpaßte das BZÖ – mit dem ehemaligen Haider-Intimus und Volksanwalt Ewald Stadler an der Spitze – den Einzug ins EU-Parlament mit 4,6 Prozent aber nur knapp. Bei Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags und der damit verbundenen Aufstockung der österreichischen EU-Delegation auf 19 Mitglieder erhält auch das BZÖ ein Mandat.

Dafür tobt nun ein veritabler Richtungsstreit innerhalb des BZÖ. Während Bucher in Richtung Wirtschaftsliberalismus gehen will und eine Partei „rechts von der Mitte“ plant, fordern seine Kärntner Parteifreunde offen, wieder mehr auf die von der FPÖ besetzen Themen wie Heimat und Soziales zu setzen. Hier offenbart sich das Dilemma des BZÖ: in Kärnten Volkspartei, ansonsten fast eine Splitterpartei.

Zwar wird Bucher als Parteichef noch nicht in Frage gestellt, wohl aber sein Weg hin zu einer Art FDP. Die Debatte „rechte Heimatpartei“ oder „liberale Wirtschaftspartei“ wird dennoch weitergehen. Ein CDU/CSU-Projekt mit der FPÖ (die in Kärnten nicht mehr im Landtag sitzt) wird von beiden Seiten derzeit vehement abgelehnt. Dabei stehen im Frühjahr 2010 die nächsten Wahlen an – und in der Bundeshauptstadt Wien ist das BZÖ bislang weder personell noch strukturell wahrnehmbar vorhanden. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wird hingegen zugetraut, die absolute Mehrheit der SPÖ zu brechen und seine „Blauen“ zur zweitstärksten Partei zu machen. Daher kam auch schon die Empfehlung aus Kärnten, das Geld zu sparen und bei der Wiener Wahl erst gar nicht anzutreten.

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