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Jagd auf einen Priester

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Jagd auf einen Priester

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Braunes Sakko, weißes Hemd. Den Laptop dabei und als Firmenwagen einen silberfarbenen Mercedes. Wenn jemand Aleksejs Ribakovs nach seinem Beruf fragt und der 33jährige „IT-Manager“ antwortet, dürften viele sagen: „Ja, das paßt zu ihm.“ Doch der gebürtige Lette betreut nicht nur die Software von Altenheimen. Nach Feierabend tauscht Ribakovs Anzug und Krawatte gegen Kreuz und Soutane. Er ist russisch-orthodoxer Priester. 

Ribakovs sitzt in einem Lokal nahe der Ruhr-Universität in Bochum. Wehmut liegt in seinem Blick, wenn er durch seine Brillengläser nach draußen schaut. Ein Blick, der nicht auf die vorübergehenden Menschen, sondern auf die Vergangenheit gerichtet ist. Vor zehn Jahren war er nach Deutschland gekommen, nahm sich eine Wohnung im „Ruhrpott“, im Bochumer Stadtteil Querenburg. Wenn er von damals spricht, blüht Ribakovs auf, erzählt Anekdoten aus der Nachbarschaft. Zahlreiche Osteuropäer lebten hier mit ihm zusammen: in der Gropiusstraße, in der er sich einst wohlfühlte. Wenn er davon erzählt, verfliegt die Wehmut, liegt ein Leuchten in den Augen, eine Leichtigkeit in der Stimme.

„Meine Frau hatte einmal ihr Portemonnaie auf dem Autodach liegengelassen“, erinnert er sich. Eine Nachbarin legte einen Stein drauf, damit die Geldbörse nicht herunterweht. „Sie leben aber gefährlich“, hatte die Frau noch hinzugeschrieben. Das ist Vergangenheit. Die meisten einstigen Nachbarn haben die Gegend verlassen. Heute sind die grauen Wohnblöcke oft heruntergekommen, hinter zahlreichen Fenstern fehlen die Gardinen. „Zu vermieten“ ist häufig zu lesen. An einem leerstehenden ehemaligen Asylbewerberheim sind die Fenster verbarrikadiert, auch mit Gitterstäben. Die Angst vor Kriminalität ist gestiegen.

Die Wehmut kehrt in Ribakovs’ Blick zurück. Heute wäre das Portemonnaie wohl gestohlen worden, der Stein womöglich in der Scheibe seines Mercedes gelandet. Vorgekommen ist das in den vergangenen Jahren mehrfach. „Die Gegend hat sich verändert“, sagt er. Der Anteil der muslimischen Bevölkerung sei stark gestiegen.  Zudem habe die Kriminalität zugenommen. Ribakovs will darin keinen zwingenden Zusammenhang sehen. „Wir haben muslimische Nachbarn, die absolut freundlich und hilfsbereit sind“, sagt er.

Angefangen hatte alles vor fünf Jahren – ganz harmlos. Kinder hatten sich über ihn lustig gemacht. „Bist du Batman?“ hatten sie ihn gefragt, wenn er in schwarzer Priesterkleidung unterwegs war. Ribakovs nahm es mit Humor. Doch die Sache wurde ernster. „Bald wurde ich von in Burka gekleideten Frauen beleidigt“, schildert er. Dann wurde der Priester zum ersten Mal angespuckt. Es folgten Einbrüche in seinen Mercedes. Die Täter klauten das Navigationsgerät, nahmen seine christlichen Musik-CDs aus dem Wagen und zertraten sie auf dem Boden. Dreimal mußte er im vergangenen Jahr deswegen zur Polizei. Von dem guten Dutzend Autos auf dem Parkplatz vor seiner Wohnung hatten die unbekannten Täter es stets auf seinen Wagen abgesehen. Das Fahrzeug wurde auch mit Fäkalien beschmiert.

Es war an einem Sonntagabend, als das geschah, was für Aleksejs Ribakovs das Faß zum Überlaufen brachte. Er war nach Hause gekommen, in die Gropiusstraße, wo er zur Miete wohnt. Er kam vom Gottesdienst, trug noch seine schwarze Priestersoutane und ein großes Silberkreuz. Einen Koffer mit religiösen Insignien hatte er in der linken, sein großes Gewand für den Gottesdienst in der rechten Hand.

Vor dem Eingang zu seinem Wohnhaus stehen drei Jugendliche. „Ich weiß nicht, ob die nur so dastanden und abhingen, wie man sagt, oder ob die auf mich gewartet haben“, erzählt Ribakovs. Einer von ihnen ist Türke, 17 Jahre alt. Ein weiterer habe einen libanesischen Akzent gehabt, erinnert sich der Priester, der sich mit den Sprachen des Nahen Ostens auskennt. Der Dritte sei blond gewesen, europäischer Typ. „Er war das, was man einen Mitläufer nennen würde, einer, der Anschluß sucht“, glaubt Ribakovs. „Was trägst du für ein Kleid, so kannst du nicht vor uns auftauchen“, soll der Jugendliche mit libanesischem Akzent gesagt haben. „Ich schlage dich so, daß du keine Anzeige machen kannst“, drohte er weiter. Ribakovs dreht sich zur Tür, will aufschließen. Plötzlich stößt ihn jemand in den Rücken. Dann prasseln Faustschläge auf ihn ein – gegen die Brust und in die Seite. Er wird bespuckt, als „Scheiß-Christ“ und als „Scheiß-Priester“ beschimpft.

Ribakovs kann sich nicht wehren. Er versucht den Koffer mit den religiösen Insignien zu schützen und hat dadurch keine Hand frei, um die Schläge abzuwehren. Nur mühsam gelingt es ihm schließlich, mit seinem Mobiltelefon die Polizei zu rufen. Die Täter lassen daraufhin von ihm ab, laufen weg – geradewegs in eine Sackgasse. Doch einer von ihnen hat offenbar einen Schlüssel, mit dem er eine Eisengittertür zu einem Innenhof des Wohnkomplexes öffnet. Ribakovs wird klar: Die Täter müssen in seiner Nachbarschaft wohnen. Tatsächlich erkennt er einen von ihnen wenige Tage später in einer benachbarten Straße. Es ist der 17 Jahre alte Türke. Er ruft die Polizei, der Jugendliche wird gefaßt.

Auf der Wache kennt man ihn. „Vier-  oder fünfmal haben wir mit ihm wegen Gewaltdelikten bereits zu tun gehabt“, sagt Bochums Polizeipressesprecher Frank Plewka. Und sagt dann etwas Überraschendes: „Die Tat hat keinen religiösen Hintergrund.“ Der junge Türke wurde wieder nach Hause gelassen, bei den Mittätern laufen noch die Ermittlungen. Auch bei den Einbrüchen in den Mercedes sowie der Zerstörung christlicher Musik-CDs sieht die Polizei offenbar keine Belege für ein religiöses Motiv. Plewka: „Der hat ja auch nur christliche CDs in seinem Wagen.“ Ribakovs will jetzt aus der Gegend wegziehen. Er müsse seine Frau und seine Kinder schützen.

Ein russisch-orthodoxer Priester, der aufgrund seines Glaubens sein Stadtviertel verlassen muß? Polizeipressesprecher Frank Plewka schildert die Situation anders. Querenburg sei ein Viertel mit zahlreichen Kulturen, die Zahl der Muslime wachse nicht. Und die Kriminalitätsrate sei rückläufig. Wie das Opfer dann zu solchen Aussagen komme? „Er hat vieles bereits relativiert“, erklärt Plewka.

Von einem „Kollegen“ will Plewka erfahren haben, daß Ribakovs mit einem Team des Fernsehsenders RTL in einem Düsseldorfer Kindergarten aufgetaucht sei, als er seinen Sohn dort anmelden wollte. Eine Kindergärtnerin habe sich unter Druck gesetzt gefühlt, so Plewka weiter. Ohnehin sei die ganze Sache nur deshalb so „hochgekocht“, weil sich ein  Ratsmitglied der CDU sowie die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in den Fall eingeschaltet hätten. Sowohl sie als auch Ribakovs selber hätten dann „alle möglichen Medien angeschrieben“.

Mit den Aussagen konfrontiert, fällt Ribakovs aus allen Wolken: „Das ist absoluter Quatsch!“ Mit einem Fersehteam von RTL habe er nie gesprochen. Der Priester zeigt sich über die Aussagen der Polizei entsetzt, kann sie nicht nachvollziehen. In den GUS-Staaten wüßte er, wie er so einen Vorfall regelt. „Da brauche ich nur zum Imam zu gehen, und der spricht mit den Jugendlichen.“ Aber hier in Deutschland funktioniere das nicht. „Ich weiß auch nicht, was man tun kann, aber so geht es doch nicht weiter“, seufzt Ribakovs. 

Foto: Ribakovs’ Wagen nach einem nächtlichen Angriff: Mit Fäkalien beschmiert, Aleksej Ribakovs während eines Gottesdienstes: Von Jugendlichen als „Scheiß-Christ“ beschimpft

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