Auf der Internetseite des US-Fernsehsenders Fox News hagelte es diese Woche Kritik an Barack Obamas Entscheidung, das Berliner Freudenfest zum Mauerfall-Jubiläum „auszusitzen“. „Eine Tragödie“, wird dazu der frühere Sprecher des Repräsentantenhauses Newt Gingrich zitiert, und die Sicherheitsexpertin Kathleen McFarland fügt in einem Gastkommentar hinzu: „Ob aus politischer Kleinlichkeit, historischer Ignoranz oder Naivität, Obamas Entscheidung ist falsch.“
Bereits am 1. November hatte Fox ein halbstündiges Interview mit dem erzkonservativen Radiomoderator Rush Limbaugh (JF 46/04) ausgestrahlt, in dem dieser gehörig gegen die geplante Gesundheitsreform der Obama-Regierung (JF 39/09), die Wirtschaftspolitik und das aus seiner Sicht unzureichende Engagement in Fragen der nationalen Sicherheit hetzen durfte. Offensichtlich hatte der Sender die Kriegserklärung angenommen, die Barack Obamas Kommunikationschefin Anita Dunn dem Fox-Rivalen CNN am 11. Oktober ins Mikrofon diktierte, indem sie Fox News als „Flügel der Republikanischen Partei“ bezeichnete. Am selben Tag sagte sie der New York Times: „Wir werden sie von nun an als Gegner behandeln.“
Ein solcher Antagonismus zwischen Weißem Haus und den politischen Berichterstattern ist nicht neu. George W. Bush war berüchtigt für seine tiefe Abneigung gegenüber den Mainstream-Medien, die er abfällig „der Filter“ nannte. Sein Vater ließ 1992 im Wahlkampf einen Autoaufkleber drucken, auf dem stand: „Annoy the Media. Vote Bush“ („Ärgert die Medien. Wählt Bush“). Freilich hat sich die Obama-Regierung nun auf einen einzigen Sender eingeschossen, anstatt sich vor der Korrespondentenzunft insgesamt zu schützen oder gegen sie in die Offensive zu gehen.
Viele Beobachter beklagen das Verschwinden einer vermeintlich heilen Welt nüchterner, scheinbar objektiver Berichterstattung und sehnen sich nach Nachrichtensprechern wie dem legendären, im Juli mit 93 Jahren verstorbenen Walter Cronkite zurück, der einst als der vertrauenswürdigste Mann in Amerika galt. Tatsächlich war Cronkite bestenfalls ein mittelmäßiger Reporter, doch seine tiefe Stimme und sein Äußeres, das ihn gütig und onkelhaft wirken ließ, erhöhten ihn zu einer Art Vaterfigur.
Seither ist der gesamte Mediensektor in eine Vielfalt von Nischenmärkten zerfallen, die jeweils ihre eigene Klientel bedienen – eine Entwicklung, die insbesondere durch die Einführung des Kabelfernsehens in den achtziger Jahren befördert wurde. CNN ist bemüht, in diesem Terrain eine Mittelposition zu beziehen, muß sich aber von schärfer konturierten Sendern wie Fox und MSNBC rechts bzw. links überholen lassen. Die Obama-Regierung behauptet nun, Fox sei ein Sprachrohr der Republikaner und als solches ein legitimes Angriffsziel. Die meisten Fox-Kommentatoren sind Konservative, die freilich keineswegs immer einer Meinung sind. Der Sender strahlt regelmäßig Debatten aus, in denen Vertreter gegensätzlicher Standpunkte zu Wort kommen.
Im übrigen entspricht auch die Wahrnehmung der Republikanischen Partei als monolithischer Block nicht der Wahrheit. Genau wie die Demokraten repräsentiert sie vielmehr ein Spektrum politischer Ansichten und Ideologien. So ist MSNBC eindeutig ein liberaler Sender, dessen Berichterstattung über die Obama-Regierung mitunter als kriecherisch bezeichnet werden muß. Dennoch ließe sich schwerlich der Beweis führen, daß der Sender nur Anweisungen der Demokratischen Partei ausführe.
Die wichtigere Frage lautet, ob es politisch klug war, Fox derart offen anzugreifen. Zunächst einmal hat Obama dem Sender damit einen Dienst erwiesen, denn in der Woche nach Dunns erster Attacke konnte Fox eine Steigerung seiner Zuschauerzahlen um 20 Prozent verzeichnen. Als Printmedien noch die Berichterstattung dominierten, besagte ein geflügeltes Wort, man dürfe sich nie mit jemandem anlegen, der die Tinte tonnenweise kauft. Dasselbe gilt heute für das Fernsehen, von dessen Lufthoheit über die öffentliche Meinung Politiker nur träumen können.
Zwar liegt Fox mit 1,2 Millionen Zuschauern am Tag vor CNN und MSNBC zusammen. Sehr viel mehr Amerikaner beziehen ihre Informationen jedoch aus dem Internet, und dort wiederum ist CNN (www.cnn.com) mit über 25 Millionen Benutzern monatlich auf seinen Internetseiten klarer Sieger. Dahinter folgt Yahoo mit 18 Millionen, während Fox (www.foxnews.com) mit 7,5 Millionen an elfter Stelle rangiert.
Kabelsender und das sogenannte talk radio können gewiß eine Menge Lärm machen und ihre überaus treue Anhängerschaft in Aufruhr versetzen. Doch wenn Limbaugh oder Rechtsaußen-Fernsehkommentatoren wie Glenn Beck, Bill O‘Reilly und Sean Hannity tatsächlich so großen Einfluß auf das politische Geschehen hätten – wieso vermochten ihre Tiraden gegen John McCain dann nicht die Nominierung des eher moderaten republikanischen Senators zum Präsidentschaftskandidaten zu verhindern?
Warum konnten sich andererseits radikale Einwanderungskritiker wie J. D. Hayworth und Randy Graff nicht an der Urne durchsetzen, obwohl die Kabelsender den gesamten Wahlkampf hindurch die Trommeln für ihre Positionen gerührt hatten? Warum gelang es diesen medialen Marktschreiern im vergangenen Jahr nicht, viele Unabhängige oder Ex-Republikaner davon abzubringen, ihre Stimme Obama zu geben?
Gerade haben die Demokraten zwar am 3. November die Gouverneurswahl in Virginia und New Jersey verloren – bei der Kongreß-Nachwahl in New York gewann hingegen der Demokrat Bill Owens.
Auch das US-Repräsentantenhaus stimmte vergangenen Samstag mit 220 gegen 215 Stimmen für das 1.990seitige Gesetzesbündel zur Gesundheitsreform – obwohl Fox aus allen journalistischen Rohren gegen den Plan feuerte, der 36 Millionen nicht krankenversicherten US-Bürgern künftig Versicherungsschutz ermöglichen soll. Zwar dürfte der US-Senat, wo die Demokraten auf die Stimmen von Unabhängigen angewiesen sind, die Vorlage noch entscheidend verändern – doch dann wohl eher auf Betreiben einflußreicher Lobbyisten der Versicherungs- und Pharmabranche.
Der Nachrichtensender Fox News Channel (FNC) wurde 1996 von dem australischen Medienmogul Rupert Murdoch als Konkurrenz zu CNN gegründet. Anfangs hatte Fox nur zehn Millionen Zuschauer und blieb auf wichtigen Märkten wie New York oder Los Angeles erfolglos. Doch Fox-Chef Roger Ailes, der seine politischen Erfahrungen als Wahlkampfmanager für Richard Nixon, Ronald Reagan und George H. W. Bush gesammelt hatte, galt nicht umsonst als brillanter Stratege. Immerhin konnte er Nixon 1968 in einen Medienstar verwandeln, nachdem dieser seine Niederlage gegen John F. Kennedy acht Jahre zuvor vor allem seinem Mangel an telegenem Charisma zugeschrieben hatte. Ailes’ Brötchengeber Murdoch hatte mit dem Satellitensender British Sky Broadcasting (BSkyB) bereits 1989 in Europa zu den Pionieren des 24stündigen Nachrichtenzyklus gehört.
Beide Männer begriffen früh, daß das Monopol der öffentlich-rechtlichen Sender in Europa ebenso wie die Marktdominanz der „Big Three“ (NBC, ABC und CBS) in den USA nur zu brechen war, indem sie die Nachrichten sowohl unterhaltsam als auch meinungslastig aufbereiteten. Sie wußten auch um die amerikanische Tradition populistischer, parteipolitischer Meinungsäußerung, die seit langem im talk radio Ausdruck fand, im Fernsehen aber bislang fehlte.
In Europa sind Zeitungen seit jeher Tendenzbetriebe. Leser entscheiden bewußt, ob sie zur FAZ oder zur Frankfurter Rundschau greifen, zum Guardian oder zu Murdochs Times, zur Libération oder dem Le Figaro. In den USA hingegen bröckelte die Fassade der „Objektivität“ in der politischen Berichterstattung erst in den achtziger Jahren. CNN begann als erster Sender damit, Nachrichten rund um die Uhr auszustrahlen. Fox revolutionierte das Gewerbe und machte sie zur politischen Ware.
Nicht weil Fox ein politischer Sender ist, hat die Obama-Regierung ihn angegriffen, sondern weil ihr die politische Richtung mißfällt. Zu behaupten, die Fox-Berichterstattung sei voreingenommen, ist unglaubwürdig – schließlich gibt es nicht nur auf allen anderen Kabelsendern, sondern auch bei den öffentlichen Radionetzwerk NPR und den „Big Three“ Analysten, die das Tagesgeschehen interpretieren. Lou Dobbs von CNN oder Keith Obermann von MSBNC sind nicht weniger voreingenommen als die Fox-Leute. Nicht ganz zu Unrecht bezichtigte Chris Wallace Obamas Stabschef Rahm Emanuel und seinen Chefberater David Axelrod als „Heulsusen“. Diese Schlacht hätten sie niemals anfangen sollen, und es dürfte nicht lange dauern, bis sie einen hastigen Rückzug antreten.
Prof. Dr. Elliot Neaman lehrt Neuere europäische Geschichte an der University of San Francisco.
Foto: Nachrichensendung von Fox News, US-Präsident Barack Obama: Mit durchschnittlich 1,2 Millionen Fernsehzuschauern pro Tag liegt der Murdoch-Sender klar vor Time Warners Cable News Network (CNN) und MSNBC, dem Gemeinschaftssender von NBC-Universal und Microsoft. Im Internet führt hingegen CNN.