Nur drei Tage vor dem zwanzigsten Jahrestag des Mauerfalls hat in Brandenburg eine Koalition aus SPD und der Linkspartei ihre Arbeit aufgenommen. Am vergangenen Freitag wurde in Potsdam Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), der bislang einer Regierung mit der CDU vorstand, mit den Stimmen von SPD und Linkspartei in seinem Amt bestätigt.
Neben Platzeck wurden auch die Minister der neuen Koalition im Landtag vereidigt. Unter ihnen befindet sich Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke), der noch 2002 in einem Aufsatz die Prozesse gegen ehemalige Todesschützen an der innerdeutschen Grenze kritisiert und die Bezeichnung „Unrechtsstaat“ für die SED-Diktatur als „unwissenschaftliche, moralisierende Verdrängungsvokabel“ abgelehnt hatte. Dennoch hatte der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Platzeck gegen dessen Berufung keine ernsthaften Bedenken, obwohl er dafür selbst von SPD-Politikern Kritik einstecken mußte.
Offensichtlich im Gegenzug ließ sich die Linkspartei auf eine Reihe von inhaltlichen Kompromissen ein. So ist etwa eine massive Ausweitung des öffentlichen Beschäftigungssektors auf 15.000 Personen, die ein zentrales Wahlversprechen der Partei darstellte, im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen. Statt dessen ist von der Sicherung von 8.000 entsprechenden Arbeitsplätzen die Rede, deren Zahl damit nur vergleichsweise knapp über den ursprünglichen Vorstellungen der SPD liegt. Ebenso wurde die von der Linken geforderte Klage gegen die „Schuldenbremse“ des Landes nicht in das gemeinsame Papier aufgenommen. Aus diesen Gründen hatte etwa die sogenannte „Sozialistische Linke“ innerhalb der Linkspartei in einer Stellungnahme die Ablehnung des Vertrags gefordert, da die zentrale Aufgabe von „rot-roten Koalitionen“ nicht in einem „Stellenabbau“ und „Kürzung sozialer Leistungen“ bestehen dürfe. Vielmehr müsse „die Politik der finanzpolitischen Austrocknung des Sozialstaats und der Länder- und Gemeindehaushalte, wie sie von Rot-Grün, Schwarz-Rot und jetzt der schwarz-gelben Koalition im Bund betrieben wurde und wird“, „massiv skandalisiert“ und „dagegen vorgegangen werden“, so das Papier, dessen Verfasser sich ausdrücklich auf die Parteispitze berufen. Die Finanzierung umfangreicher zusätzlicher sozialer Leistungen solle durch „eine höhere Besteuerung hoher Einkommen, großer Erbschaften und finanzkräftiger Unternehmen“ erfolgen.
Einig sind sich die Koalitionäre hingegen, die zahlreichen Förderprogramme des Landes gegen Rechtsextremismus nicht nur weiterzuführen, sondern auszubauen. Dabei waren in Brandenburg bereits in der Vergangenheit mehrfach deutliche Probleme bei der Vergabe solcher öffentlichen Mittel aufgetreten. So wurden mit den Geldern auch Projekte und Institutionen des äußersten linken Randes unterstützt.
Nicht nur vor diesem Hintergrund kam es seit der Vereidigung der neuen Regierung bereits zu massiven Protesten. So trug der CDU-Abgeordnete Dieter Dombrowski, während Platzeck den Amtseid leistete, im Plenarsaal eine DDR-Häftlingsjacke. Auf diese Weise wollte der einstige politische Gefangene seine Empörung über die neue Regierung aus SPD und Linken, die er als „nationale Schande“ bezeichnete, zum Ausdruck bringen. „Es ist ein Schlag ins Gesicht der Opfer, wenn zwei ehemalige Stasi-Mitarbeiter den Koalitionsvertrag unterzeichnen“, so Dombrowski. Gemeint waren damit der Landesvorsitzende der Linken, Thomas Nord, sowie die Fraktionsvorsitzende Kerstin Kaiser.
Ähnlich wie Dombrowski äußerten sich auch die Redner auf einer Kundgebung, welche die Union der Opferverbände der kommunistischen Gewaltherrschaft (UOKG e.V.) unter dem Motto „Keine Macht den Tätern“ am vergangenen Montag gegen die neue brandenburgische Regierung veranstaltete. Der UOKG-Vorsitzende Rainer Wagner kritisierte, daß sich die brandenburgische SPD „ohne jeden Zwang“ in die „Abhängigkeit einer Partei begeben habe“, die nicht nur regelmäßig die SED-Diktatur verharmlose, sondern tatsächlich bis heute viele aktive Täter in ihren ersten Reihen aufweise.