Erwin Huber, der Wahlverlierer, ist rehabilitiert. Der frühere CSU-Chef und Ex-Finanzminister hatte monatelang dafür geworben, die alte Pendlerpauschale für Arbeitnehmer wieder einzuführen, und von der CDU nur Spott geerntet. Jetzt bestätigte das Bundesverfassungsgericht den Polit-Ruheständler Huber und ließ die CDU alt aussehen. Mehr noch: Mit dem Wechsel von Huber zu Horst Seehofer scheint der erloschene Mythos CSU revitalisiert worden zu sein. Jedenfalls hatten bayerische Politiker lange nicht mehr so großen Aufmerksamkeitswert wie seit der Inthronisierung von Seehofer in den Ämtern des Parteichefs und Ministerpräsidenten. Bei einer Feier zum zehnjährigen Bestehen der Vertretung des Freistaats in Berlin brachte Seehofer die neue Linie auf den Punkt: Es sei eine besondere Gabe der CSU, bei einem Thema dafür und gleichzeitig dagegen zu sein. Das ist eine sehr komfortable Situation, so Seehofer. Diese Vorgehensweise ist nicht neu, sondern direkt bei Franz Josef Strauß abgekupfert. Der schaffte es locker, in der Großen Koalition in Bonn Entscheidungen mit zu beschließen, die er anschließend in München mit großem Donnerhall kritisierte. Wie damals bei FJS gibt es auch jetzt wieder den Eindruck, daß dieses Armdrücken und Fingerhakeln beim bayerischen Wähler ankommt und in der Partei zur Geschlossenheit beiträgt. Zwar betreibt Seehofer nicht unbedingt ein Mannschaftsspiel in seiner CSU, aber seine Angriffe auf Berlin, die gleichermaßen auf den Koalitionspartner SPD wie auch auf die Schwesterpartei CDU zielen, locken Nachahmer hervor. So präsentierte der fast schon in Vergessenheit geratene Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) ein Konjunkturprogramm mit einem Volumen von 25 Milliarden Euro. Glos will unter anderem den steuerlichen Grundfreibetrag erhöhen und den Steuertarif leistungsfreundlicher gestalten, damit bei Gehaltserhöhungen von jedem Euro nicht mehr sofort 50 Cent an das Finanzamt gehen. Auch staatliche Investitionen sollen ausgeweitet werden. Damit treiben die Bayern die abwartende CDU vor sich her – ein Spiel, das Strauß und Stoiber begnadet gut beherrschten, während die einst getriebene CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel in der Zeit des bayerischen Interregnums den Spieß vorübergehend umgedreht hatte und zur Jägerin der schwachen Epigonen Huber und Günther Beckstein wurde. Seehofer verlangte ein konsequentes Gegensteuern gegen die Auswirkungen der Krise: Wenn wir jetzt weiter abwarten, wird der Schaden für die Volkswirtschaft noch größer und teurer. Man kann das Haus nicht mehr sanieren, wenn es schon abgebrannt ist. Solche Sätze richten sich nicht nur gegen die SPD, sondern gehen gleichzeitig auch an die Adresse der CDU. Schon bei der Erbschaftsteuer-Reform hatte Seehofer ein großes Kunststück vollbracht – jedenfalls aus bayerischer Sicht. Erst war es ihm gelungen, den ursprünglich in der Koalition von Union und SPD gefundenen Kompromiß wieder aufzuschnüren. Es wurde nachverhandelt und den bayerischen Forderungen nach Schutz von Hauserben und Betriebsvermögen in den meisten Punkten entsprochen. Zuerst lobten Seehofer und Landesgruppenchef Peter Ramsauer den neuen Kompromiß. Die Tinte war noch nicht ganz trocken, da machten beide schon klar, daß sie in der nächsten Koalition, die sie mit der FDP eingehen wollen, vor allem ein Ziel haben: die Erbschaftsteuer-Reform zu ändern. Der alte Franz Josef hätte seine Freude daran gehabt. Und der bayerische Wähler, der ohnehin mit einem gesunden Mißtrauen gegen Berlin ausgestattet ist, hat sein Vergnügen an dem Spektakel, das Seehofer und andere führende CSU-Politiker aufführen. Politik – und besonders bayerische Politik – muß einen hohen Unterhaltungswert haben, damit sie vom Wähler honoriert wird. Seehofers Ziel ist klar, und darin wird er von jedem Funktionsträger in der Partei unterstützt: Bei der Europawahl am 7. Juni 2009 muß bayernweit ein Ergebnis von weit über 50 Prozent her, um die Schmach der Landtagswahl wegzubügeln und gleichzeitig die Signale für die Bundestagswahl am 27. September 2009 richtig zu stellen. Die Motivation der eigenen Leute ist nachhaltig gestiegen. Und die Erkenntnis aus dem Fußball, daß nur eine motivierte Mannschaft auch gewinnt, gilt genausogut in der Politik. Foto: Horst Seehhofer am Montag im Wiener Hotel Sacher: Man kann das Haus nicht mehr sanieren, wenn es schon abgebrannt ist