As ick hört hev, dat Du umfallen büst, min leeven Peter Harry, dor har ick Di in Mors petten kunnt!“ Noch nie zuvor hat wohl auf einem Landesparteitag ein hochangesehener Delegierter dem Landesvorsitzenden und Ministerpräsidenten offenbart, er hätte ihn in den Hintern treten können angesichts seines Umfallens. So geschah es vor zwei Wochen auf dem Parteitag der schleswig-holsteinischen CDU in Kiel, als der ehemalige Landtagsabgeordnete und Bürgermeister Thomas Lorenzen die Diskussion um den einsamen Entschluß des Landesvorsitzenden Peter Harry Carstensen, ein Gesetz zu ändern, abschloß – und das unter dem donnerndem Beifall der Delegierten. Carstensen hatte es in der Tat seiner Basis schwergemacht. Die Große Koalition, die seit zwei Jahren das Land regiert, hatte sich vor allem die Konsolidierung des Haushalts ebenso wie den Abbau der Schulden zum Ziel gesetzt. 22 Milliarden Euro Schulden belasten das kleine Land, wovon allein 12 Milliarden auf das Konto der ehemaligen SPD-Ministerpräsidenten Björn Engholm und Heide Simonis gehen. Im Ziel waren sich CDU und SPD einig, doch als es an die Umsetzung ging, da knirschte es in der Regierungsmaschinerie, und das von Jahr zu Jahr mehr. Eine der Sparmaßnahmen sollte die Übernahme von bis zu 30 Prozent der Fahrtkosten der Kinder zur Schule in ländlichen Gebieten durch die Eltern sein. Darin waren sich beide Parteien im Koalitionsausschuß als auch im Landtag einig. Die Große Koalition glaubte, eine solche unpopuläre Maßnahme durchsetzen zu können. Als aber die Kreise diese Regelung umsetzen sollten, regte sich heftiger Widerspruch. Die SPD, an ihrer Spitze der Landesvorsitzende und Innenminister Ralf Stegner, nutzte den Unmut der betroffenen Eltern, um sich auf deren Seite zu schlagen und gegen ihren eigenen Beschluß Propaganda zu machen. Nun stand die CDU allein im Regen und mußte den Ärger der Wähler – am 25. Mai 2008 ist Kommunalwahl – aushalten. Als gar der Kreistag von Nordfriesland, dem Heimatkreis des Ministerpräsidenten, beschloß, den Fahrkostenbeitrag von den Eltern nicht zu erheben – also ein Gesetz zu brechen, und das auf Antrag der CDU-Fraktion -, da kippte Carstensen, der gerade auf einer Dienstreise in Indien war, um. Per Handy ließ er wissen, daß unter diesen Umständen das Gesetz geändert und auf den Beitrag der Eltern verzichtet wird. Vor dem Landesparteitag begründete er das: Die CDU würde den Kampf der geschlossenen Front der Gegner, an der Spitze ihr Koalitionspartner SPD, gegen die Elternbeteiligung bis zur Kommunalwahl nicht durchstehen. Nun soll das Gesetz geändert werden. Die bisher im Gesetz festgelegte zwingende Elternbeteiligung von bis zu 30 Prozent soll aufgehoben werden. Zähneknirschend hatten die Delegierten des Landesparteitages zugestimmt, unter einer Bedingung: Die dadurch fortgefallene Entlastung der Kreise muß aufgefangen werden durch Entlastung auf anderen Gebieten. Was das sein soll, ist angesichts der maroden Finanzlage bislang rätselhaft. Stegner (der nach den Worten des SPD-Generalsekretärs Hubertus Heil zur „A-Klasse der Politiker in Deutschland“ gehört) triumphierte lauthals. Bereits im Herbst hatte es zwischen der CDU und der SPD heftig gekracht, weil der „rote Rambo“ Stegner, der sich durch das Tragen einer Fliege auszeichnet, ganz offenkundig den Landtag zu Lasten der CDU handfest belogen hatte. Damals konnte Stegner die Koalition nur retten, indem er sich nicht nur öffentlich entschuldigte, sondern auch zusagte, das Amt des Innenministers zum 15. Januar 2008 aufzugeben. Jetzt hat die Krise ihren Höhepunkt erreicht. Beobachter sind der Ansicht, daß sich CDU und SPD in der Koalition aneinander aufgerieben haben. Es sind nicht nur die grundlegenden Meinungsunterschiede, sondern auch die gegensätzliche Charaktere der beiden Spitzenpolitiker, des Provokateurs Stegner und des ebenso leutseligen wie lebenslustigen Carstensen. Nahezu alle gehen davon aus, daß die Koalition ihre auf vier Jahre angelegte Zusammenarbeit nicht durchhalten wird. Am 13. Dezember wird auf Antrag der CDU der Koalitionsausschuß zusammenkommen. Auf der Tagesordnung steht an erster Stelle die Schülerbeförderung. Aber damit ist es nicht genug. Eine zweite der wichtigsten Koalitionsaufgaben, die Kreisgebietsreform, auf die besonders die SPD drängt, ist vom CDU-Landesparteitag auf die nächste Legislaturperiode verschoben worden, weil sie in weiten Gebieten Schleswig-Holsteins mit dem Aufstand ihrer Basis rechnen muß: Nicht nur die dickköpfigen Dithmarscher (JF 51/06) wollen ihren eigenen Kreis behalten. Viele CDU-Mitglieder aus der zweiten Führungsreihe haben von Anfang an die Koalition mit äußerstem Mißvergnügen betrachtet. Wenn es nach dem Platzen zu Neuwahlen kommt, hoffen sie auf eine CDU/FDP-Mehrheit. Riskant ist das Verfahren allemal, denn nach der letzten Befragung von Mitte September würden heute 39 Prozent die CDU wählen, 35 Prozent die SPD, sieben Prozent die FDP, acht Prozent die Grünen und vier Prozent die Partei der dänischen Minderheit, den SSW.