Axel Köhler sieht zwar aus wie preußischer Beamter, ist aber der derzeit meistgehörte Muslim in Deutschland. Der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD) hat aus den vier muslimischen Dachverbänden ZMD, Türkisch-islamische Union (Ditib), Islamrat und dem Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) den Koordinierungsrat der Muslime (KMR) geschmiedet. Sinn und Zweck des KMR soll sein, muslimische Interessen in Deutschland künftig „mit einer Stimme“ zu vertreten. Für Köhler gehe damit „ein Traum in Erfüllung“, schwärmt er in im WDR. Dabei scheint dieser Zusammenschluß nicht ausschließlich auf freiwilliger Basis der Muslime zu geschehen. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), der auf der sogenannten Islamkonferenz die Beziehungen der Muslime zum Staat regeln möchte, unterstützte ausdrücklich die Bildung des KMR, da sich damit für ihn die Zahl der muslimischen Ansprechpartner verringert. Der Zusammenschluß komme „zum richtigen Zeitpunkt“, sagte Schäuble. Dennoch hagelt es Kritik am KMR. Die Islam-Beauftragte der SPD, die türkischstämmige Bundestagsabgeordnete Lale Akgün, griff die neue Dachorganisation an. Wenn die vier einzelnen Verbände als gemeinsamer Dachverband eine Definitionsmacht über den Islam bekämen, würde ihr das „schlaflose Nächte“ bereiten, sagte sie dem Rheinischen Merkur. „Diese vier Verbände zusammen würden einen sehr konservativen Islam vertreten. Da wäre kein Platz mehr für liberale Ansichten.“ In der Tat sind alle vier Verbände umstritten. Der ZMD, in dem vor allem arabischstämmige Muslime organisiert sind, gilt als äußerst orthodox, die Ditib als Ableger des türkischen Religionsministeriums, in welchem derzeit die religiös-konservative Partei Recep Tayyib Erdoğans das Sagen hat. Im Islamrat ist die türkische Vereinigung Mili Görüs organisiert, die immer wieder als „fundamentalistisch“ bezeichnet wird, und der VIKZ wollte islamische Internate in Deutschland etablieren. „Wir haben keine Berührungsängste“ Doch auch ein weiteres Problem wird auf den KMR zukommen: Die Bundesregierung erwartet, daß es früher oder später ein Bekenntnis zu einer Art „säkularisiertem Islam“ geben wird. Mit dem deutschen Muslim Köhler glaubt man für ein solches Ansinnen den richtigen Ansprechpartner zu haben. Sein Vorgänger als ZMD-Vorsitzender, der 1945 im arabischen Mekka geborene Arzt Nadeem Elyas, galt da schon als schwieriger, sperriger. Köhler ist FDP-Kommunalpolitiker und wirkt wie ein „deutscher Muslim“ und eben nicht wie ein „Muslim in Deutschland“. Dennoch dürfte es ihm schwerfallen, auch inhaltlich den Erwartungen Schäubles zu entsprechen. Denn der Islam kennt die Trennung von Staat und Religion nicht. Der sogenannte Euro-Islam, die quasi „aufgeklärte Version“ des Islams, wie sie sich beispielsweise der syrischstämmige Hochschulprofessor Bassam Tibi wünscht, ist alles andere als mehrheitsfähig unter den Muslimen. Die Etikettierung als „zu konservativ“ ist indes leicht zu erhalten, denn die meisten Muslimen dürften bei Themen wie beispielsweise Gender Mainstreaming und Homo-Ehe ähnliche Positionen vertreten wie die Deutsche Bischofskonferenz. Doch Köhler ist selbstbewußt. Den immer wieder wiederholten Vorwurf der Beobachtung durch den Verfassungsschutz verschiedener Mitgliedsorganisationen läßt er nicht gelten. Auf Mili Görüs bezogen sagte er: „Wir haben keine Berührungsängste untereinander. Es werden fast alle Organisationen vom Verfassungsschutz seit Jahrzehnten beobachtet. Bis jetzt ist noch nichts rausgekommen, was zu einem Verbot oder zu einem konkreten Vorwurf geführt hat. Wir können also von der Unschuldsvermutung ausgehen.“ Hier tauchen also schon die ersten Sollbruchstellen auf, denn Schäuble und die Innenminister der Länder dürften darauf eine andere Sichtweise vertreten.