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Schaden vom deutschen Volk abwenden

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Früher als geahnt, sieht sich die deutsche Außenpolitik zwei brisanten Herausforderungen gegenüber – dem Atomstreit mit dem Iran und der Entführung zweier deutscher Ingenieure im Irak. Beide haben verschiedene Aspekte, aber im Grunde geht es um Auseinandersetzung der internationalen Gemeinschaft mit der Welt des Islam. Während etwa Uno-Generalsekretär Kofi Annan im Streit mit dem Iran für Deeskalation wirbt, droht der deutschen Außenpolitik mit falsch verstandenen Prinzipien eine Prinzipienstreiterei, an der sich die Beteiligten leicht die Finger verbrennen können. Kein Staat verzicht auf ihm zur Verfügung stehende Mittel Prinzip eins ist die These, im Kampf gegen den Terrorismus müßten alle Mittel, „auch militärische“, eingesetzt werden (Kanzlerin Angela Merkel beim Neujahrsempfang für das diplomatische Korps). SPD-Außenexperte Hans-Ulrich Klose sekundierte ihr: „Wenn man eine friedliche Lösung wolle, dürfe man keine Option ausschließen.“ Letzteres klingt fast dialektisch, ist aber logisch ebenso falsch wie die These Merkels. Denn erstens ist es selbstverständlich, daß kein Staat bei einer drohenden Gefahr auf irgendein ihm zur Verfügung stehendes Mittel der Abwehr von vornherein verzichten kann. Zweitens begegnet man einer Gefahr nicht dadurch wirksam, daß man mit allen Mitteln droht, sondern oberstes Gebot muß sein, den Frieden zu erhalten, Opfer zu vermeiden, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden und einer friedlichen Lösung den Weg zu bereiten. Drittens kann niemand voraussagen in welcher Reihenfolge welche Mittel am Platze sind. Deshalb ist auch Merkels These von den militärischen Mitteln als „Ultima ratio“ zumindest zweifelhaft. Auch übersieht eine solche Drohgebärde, daß Deutschland selbst gar nicht über alle militärischen Mittel verfügt, deren Anwendung vielleicht in Frage steht. Worauf es gegenwärtig ankommt, ist Besonnenheit, Deeskalation und maximale Anstrengungen, um auf dem Verhandlungswege zu einer friedlichen Lösung zu kommen. Zwiespältig ist auch die Berufung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier auf das Völkerrecht: „Wir wollen Iran auf den Boden des Völkerrechts zurückführen.“ Erstens ist der Iran völkerrechtlich an einen Verzicht auf Atomwaffen nur so lange gebunden, wie er dem Atomsperrvertrag angehört. Wenn es aber nicht gelingt, Iran zur Annahme des russischen Vermittlungsangebotes zu bewegen und er aus dem Atomwaffensperrvertrag austritt (was Nordkorea getan hat), gibt es keine völkerrechtliche Norm, die dem Iran den Besitz von Atomwaffen verbietet (siehe Pakistan, Indien, Nordkorea, Israel). Dann gibt es aber auch keine völkerrechtliche Norm, die den Einsatz militärischer Gewalt gegen den Iran erlaubt, folglich auch keine Sanktionierung solcher Gewalt durch den Uno-Sicherheitsrat. Vielleicht ist das der Hintergrund, wenn Merkel ihrem Bekenntnis zum Einsatz militärischer Gewalt hinzufügte: das müsse „wenn immer möglich unter dem Dach der Vereinten Nationen“ erfolgen? Der Umkehrschluß hieße: wenn nicht, dann auch ohne Uno (wie beim Nato-Angriff auf Jugoslawien). Einiges anzumerken gäbe es auch zum Streit um die anti-islamistischen Karikaturen und die Pressefreiheit. In jedem Rechtsstaat sind den Freiheiten und Grundrechten Schranken gesetzt – durch Verfassung und Gesetz. Verunglimpfung und Beleidigung religiöser Gefühle und Symbole werden in den europäischen Staaten – unterschiedlich streng zwar – aber grundsätzlich verfolgt. Zweifellos wurden die veröffentlichten Karikaturen nur als willkommener Anlaß genommen, um weltweite Proteste zu befördern. Doch das Problem auf die Verteidigung der Pressefreiheit zu reduzieren, verharmlost nur den eigentlichen Konflikt: die dahinter stehenden politischen Kräfte wollen so nur deutlich machen, wie mächtig sie sind und daß die Dominanz der bisherigen Weltmächte zu Ende geht. Deutschland ist nicht nur im Irak erpreßbar Auch das Prinzip „Wir lassen uns nicht erpressen“ hat letztlich einen mehr als schalen Beigeschmack. Es wird immer wieder trotzig vorgetragen, wenn es um die Freiheit der beiden Leipziger Ingenieure geht. Würde es sich um einen rein kriminellen Fall der Lösegeld-erpressung handeln oder um eine Bedrohung der inneren Ordnung der Bundesrepublik, wäre solcher Grundsatz gerechtfertigt. Aber so lange deutsche Staatsangehörige im Irak sind (in welcher Funktion immer) und weder die jetzige irakische Regierung, noch die dort stationierten ausländischen Truppen geschweige denn Deutschland deren Sicherheit garantieren können, sind wir erpreßbar. Der frühere Regierungssprecher Klaus Bölling (SPD) hat mit seiner Forderung an den Sicherheitsstab im Außenministerium, den politischen Forderungen der Entführer (etwa keine irakischen Polizisten mehr auszubilden) in irgendeiner Weise nachzukommen, natürlich recht; auch wenn dies nicht einfach sein dürfte. Unabweisbar ist nach Lage der Dinge aber die Fürsorgepflicht der Bundesregierung, deutsche Staatsangehörige aus diesem Krisengebiet abzuziehen (und keine nach dort zu entsenden), so lange die Sicherheitslage dort für Deutsche so unsicher ist, wie sie ist. Ohnehin spricht manches dafür, daß die Herausforderungen deutscher Außenpolitik in der Iran -und Irakfrage Schwarz-Rot in einer Weise belasten, daß aus einer für die Innenpolitik vielleicht sinnvollen Großen Koalition, außenpolitisch ein widernatürliches Bündnis wird, das daran zerbricht. Ein Ausweg aus der angespannten internationalen Lage könnte gefunden werden, wenn Kofi Annan alle „offiziellen“ und „nichtoffiziellen“ Atommächte an einen Tisch brächte, um sich über eine umfassende Abrüstung der Atomwaffen zu einigen, die es den Nichtatomwaffen-Staaten erleichtern würde, auch weiterhin auf solche Waffen zu verzichten. Dies mag als „zu groß“ angesehen werden, doch „kleiner“ wird eine friedliche Lösung nicht zu haben sein. Prof. Dr. Wolfgang Seiffert war Direktor des Instituts für osteuropäisches Recht in Kiel und lehrte am Zentrum für deutsches Recht der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau. Er verfaßte das Buch „Wladimir W. Putin – Wiedergeburt einer Weltmacht?“

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