Vom unermüdlichen Werken und Weben der Lobbyisten und Ideologen in der Brüsseler Eurokratie erfährt der Normalbürger in der Regel erst, wenn es zu spät ist. Auf die Antidiskriminierungsrichtlinie, deren Umsetzung den Mitgliedstaaten weitreichende Gesetzgebungswerke abverlangt – im Fall Deutschlands bekanntlich mit hundertfünfzigprozentiger schwarz-rot-grüner Planübererfüllung -, folgt jetzt das institutionelle Gegenstück: 2007 nimmt das zunächst mit einem Etat von 52,5 Millionen Euro für den Zeitraum bis 2013 ausgestattete Europäische Institut für Gleichstellungsfragen seine Arbeit auf. Laut Kommissionsentwurf soll das Institut „objektive, zuverlässige und vergleichbare Informationen“ zur Geschlechtergleichstellung erfassen, analysieren und verbreiten sowie ein neues Instrumentarium zur Unterstützung des gender mainstreaming entwickeln. Neben der Ermittlung der „Gleichstellungssituation“ in Europa soll ein europäisches Netzwerk zur Geschlechtergleichstellung eingerichtet und koordiniert werden; weitere Instrumente der Institutsarbeit sind Sitzungen mit Sachverständigen, Konferenzen, Kampagnen und Seminare. Die Einrichtung des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen ist der vorläufige Höhepunkt im Siegeszug der feministischen Ideologie des gender mainstreaming auf EU-Ebene. Bereits 1995 erhob der EU-Ministerrat das mainstreaming zum Aktionsprogramm, im Amsterdamer Vertrag wurde es verbindlich festgeschrieben. Seither ist der EU-Geldsegen für feministische Lobbyorganisationen reicher geworden. Mit „Gleichstellungspolitik“ ist gender mainstreaming unzulänglich beschrieben. Das Konzept stammt aus der feministischen Lesbenbewegung und beruht auf der Annahme, „Geschlecht“ sei nicht biologisch vorgegeben, sondern ein soziales und damit veränderbares Konzept. Heterosexualität ist in dieser Auffassung kein Normalzustand, sondern ein zu überwindender überkommener Zwangsbegriff. Eine deutsche Entsprechung ist bislang nicht gefunden. Volker Zastrow hat in der FAZ „Politische Geschlechtsumwandlung“ als „treffendste Übersetzung“ vorgeschlagen. „Gender mainstreaming“ ist längst offizielle EU-Politik Zu den einflußreichen Vorkämpferinnen des gender mainstreaming in den EU-Institutionen gehört die SPD-EU-Abgeordnete Lissy Gröner, frauenpolitische Sprecherin der sozialdemokratischen EU-Fraktion und Mitglied der interfraktionellen Gruppe „Gay and Lesbian Rights“. Als eine von zwei Berichterstatterinnen des Parlaments für das Institut hat die 52jährige durch ihre Stellungnahme einen Beschluß des EU-Parlaments maßgeblich beeinflußt, der den ursprünglichen Kommissionsentwurf signifikant verändert hat. Die offensiven Instrumente des Instituts, namentlich der Auftrag, ein „Netzwerk“ zu schaffen, gehen im wesentlichen auf diese Entschließung zurück, die die „Unabhängigkeit“ (lies: Offenheit für nichtstaatliche Lobbyisten) des Instituts betont und den Schwerpunkt von der bloßen Datenerhebung auf die Analyse und Auswertung, mithin auf die strategische Arbeit verschiebt. Diese neueste EU-Institution wird also mit beträchtlichen Einwirkungsmöglichkeiten ausgestattet, die in Konzeption und Ausgestaltung denen der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) in Wien entsprechen. Durch die Einbindung von externen Beratern und nichtstaatlichen Interessengruppen sowie die Vergabe von Aufträgen haben solche Agenturen eine große klientelpolitische Macht. Für die EU-Kommission ist diese Form der „Gleichstellungspolitik“, die sich weniger der vielbeschworenen „Vereinbarkeit“ von Beruf und Familie als vielmehr der Überwindung der letzteren verschrieben hat, keineswegs eine Spielwiese für Exoten, sondern ein beim EU-Kommissar für Beschäftigung und Soziales, Vladimír pidla, angesiedeltes, zentrales Politikfeld. Unter seiner Vorgängerin Anna Diamantopoulou hat sich die feministische Lobby dort beträchtlichen Einfluß sichern können. Die Antidiskriminierungsrichtlinie, deren Umsetzung das neue Institut weiteren Nachdruck verleiht, trägt die Handschrift der griechischen Sozialistin (JF 47/03). Mit der Betonung des hohen Stellenwerts der „Gleichstellungspolitik“, die über reine Diskriminierungsbekämpfung weit hinausgehe, hat die Kommission folgerichtig die Kritik des britischen Unterhauses zurückgewiesen, das die Aufgaben des Gleichstellungsinstituts lieber an bestehende Institutionen angegliedert hätte, statt neue zu schaffen. In Deutschland hat einzig der Bundesrat verhaltene Bedenken gegen den damit verbundenen weiteren Bürokratieausbau geäußert. Auf eine kritische Auseinandersetzung mit dem gender mainstreaming, das längst Eingang in die Geschäftsordnung der Bundesregierung gefunden hat und bei der zuständigen CDU-Ministerin Ursula von der Leyen scheinbar noch höher im Kurs steht als bei der SPD-Vorgängerin Renate Schmidt, wartet man bislang vergebens. Nähere Informationen gibt es im Internet unter: https://ec.europa.eu/employment_social/gender_equality/gender_mainstreaming/general_overview_de.html oder: www.gender-mainstreaming.net