Im Frühjahr hat die EU-Kommission eine „Transparenz-Offensive“ gestartet. Dabei forderte sie neben der Offenlegung der Empfänger von EU-Förderungen auch einen freiwilligen Verhaltenskodex für das in Brüssel tätige tausendzählige Heer an Lobbyisten. Doch für die Brüsseler Behörde selbst scheint Transparenz weniger zu zählen. So berichtete kürzlich der Internetinformationsdienst „EUobserver.com“, daß die Kommission das Ergebnis einer Eurobarometer-Umfrage zurückgehalten haben soll, weil es nicht ihren Wunschvorstellungen entsprach. Darin hätten sich nur 39 Prozent der Befragten für einen Vorschlag von Kommissionspräsident José Manuel Durão Barroso ausgesprochen, die Energiepolitik auf die EU-Ebene zu verlagern – ein Rückgang um acht Prozentpunkte gegenüber dem Eurobarometer vom Herbst 2005. Neu ist das Zurückhalten von mißliebigen Umfragen allerdings nicht. Im Vorjahr wurde den Bürgern eine EU-Umfrage vorenthalten, in der 95 Prozent angaben, daß die Einführung des Euro zu Teuerungen geführt habe. Überhaupt wirft der EU-Observer-Bericht ein düsteres Licht auf das Eurobarometer. Weil darin die Vorwürfe der Befangenheit und der Einseitigkeit bei der Fragestellung erhoben werden, kommen berechtigte Zweifel auf, ob das Eurobarometer die Meinung der Bürger widerspiegelt. Es drängt sich der Verdacht auf, daß es sich bei den Umfragen um ein EU-amtliches Propaganda-Instrument handelt, das die Richtigkeit der Entscheidungen der EU-Zentrale bestätigen soll. Die offenbare Praxis des Zurückhaltens unerwünschter Umfragen ist denn auch das Sittenbild einer abgehobenen politischen Pseudo-Elite: Daß in der EU der Willen des Bürgers nichts zählt, ist bekannt. Aber nun scheinen Versuche unternommen zu werden, die Bürger bewußt zu manipulieren. Denn diese glauben, weil sonst ihr Wille nichts zählt, wenigstens bei einer Umfrage ihre Meinung sagen zu können. Aber dabei spielen sie, ohne es zu wissen, der Kommission, deren Politik sie zumeist ablehnen, in die Hände. Wie weit die Manipulation der Bürger schon vorangeschritten ist, zeigen die Fragestellungen bei den verschiedenen Eurobarometer-Umfragen. Bei jener Umfrage über die Zukunft Europas, die im Mai 2006 veröffentlicht worden war, standen nur integrationsfreundliche Antwortmöglichkeiten auf dem Fragebogen. Dadurch sollte offenbar verhindert werden, daß sich die Bürger entgegen den Brüsseler Vorgaben für einen stärkeren Einfluß der Mitgliedstaaten aussprechen konnten. Jedenfalls erinnert diese Vorgehensweise an die „Wahlen“ in der untergegangenen Sowjetunion, wo die Kandidaten schon im Vorfeld von der kommunistischen Polit-Nomenklatura ausgewählt wurden. Der von der Kommission betriebene Umgang mit den Eurobarometer-Umfragen wird nicht nur die EU-Verdrossenheit der Bürger noch weiter steigern. Er zeigt vor allem auch, wie sehr die Eurokratie der Auffassung ist, bezüglich der Entwicklung Europas im Besitz des Steins der Weisen zu sein. Als erst kürzlich ein Strategiepapier zur EU-Erweiterung veröffentlich wurde, war es nicht anders. Die Erweiterung, so der Tenor, habe sich geradezu als Segen für die EU erwiesen, während die mit ihr verbundenen Probleme verschwiegen wurden. Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung „Zur Zeit“ und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.
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