Renate Künast wußte es ganz genau. Arnulf Baring, so ließ die Grünen-Politikerin verlauten, habe bei seiner Rede vor der CDU-Fraktion des Hessischen Landtages über „Eckpfeiler einer bürgerlichen Kultur“ (JF 38/06) den Holocaust als bedauernswerte Entgleisung bezeichnet. Eine Kleinigkeit hatte Künast in ihrer Empörung indes übersehen: Baring hatte bei seiner Rede überhaupt nicht über den Holocaust gesprochen. Das konnte die ehemalige Verbraucherschutzministerin natürlich auch gar nicht wissen, schließlich war sie bei der Rede überhaupt nicht dabei. Verschärfend kam hinzu, daß der Berliner Historiker seine Rede frei gehalten hatte und es kein Redemanuskript gab. Diesen Umstand machten sich Barings Gegner von links zunutze, als sie auf ihn einschlugen – und eigentlich die CDU treffen wollten. Baring konnte sich noch so wortreich verteidigen, seine Gegner verstiegen sich in immer absurdere Beschuldigungen, ohne daß er diese wiederlegen konnte. Es wäre interessant zu wissen, welchen Ausgang diese Kampagne genommen hätte, wenn, ja wenn nicht doch noch ein – zwar qualitativ schlechter – Mitschnitt der Rede aufgetaucht wäre. Durch die Veröffentlichung der wesentlichsten und tatsächlich harmlosen Passagen in der FAZ war den Angriffen die Spitze genommen worden. Die teilweise absurden Behauptungen waren entkräftet. Renate Künast ist seitdem merkwürdig still geworden. In einem Interview mit dem Focus ging der Historiker nun zum Gegenangriff über. Als „widerwärtig“ bezeichnete er es, daß Künast verfälschte Äußerungen zu einem politischen Angriff genutzt habe. „Es ist erstaunlich, wie man sozusagen im Machtbereich der linken politischen Korrektheit versucht, durch Verkürzung und Verfälschung andere Menschen in Schwierigkeiten zu bringen“, sagte Baring, der – anders als der ehemalige Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann in einem ähnlichen Fall – auf die Unterstützung der CDU-Führung bauen konnte.
- Ausland