Wer im Internet nach seinem Namen sucht, wird augenblicklich fündig. Geradezu eine Überfülle an Hinweisen tut sich auf, eine Überfülle an Beiträgen, an Texten, die ihn zitieren, die sich auf Äußerungen, Feststellungen, Ansichten von ihm beziehen und sich mit ihm zieren. Und wer „online“ gar vorstößt in das Archiv jener deutschen Tageszeitung, die mit ihrem Namen Frankfurter Allgemeine Zeitung einen besonders guten Ruf genießt, ist bereits allein davon beeindruckt, was Friedrich Karl Fromme bloß seit 1993 (denn erst von da an sind FAZ-Texte im Internet verfügbar) in dieser „Zeitung für Deutschland“ alles geschrieben hat und über was alles – von den 29 Jahren davor ganz zu schweigen. Es veranschaulicht die Breite seines Interesses, die Vielseitigkeit seines Talents, die Kraft seiner Beobachtungsgabe, die lebendige Fülle seiner sprachlichen Ausdrucksfähigkeit. An diesem Freitag wird Fromme an seinem Wohnort Mettmann 75 Jahre alt. FAZ wurde ihm berufliche Lebensstation Man tut ihm gewiß kein Unrecht an und verletzt ihn daher auch nicht, wenn man verrät, daß ihm ohnehin länger angelegte Beiträge einst meist zu lang gerieten, weil seine Gedanken ins Ausschweifen kamen, weil ihm, je mehr er schrieb, immer mehr noch dazu einfiel. Wohl kommt das auch bei anderen Zeitungsschreibern vor, aber nicht jedem wird darüber die gutmütige Spottlust der Kollegen zuteil, die zu erringen nicht minder ein Verdienst ist als das ihrer Achtung, der sich Fromme gewiß sein konnte. Desgleichen wird er ergeben die Feststellung hinnehmen, daß er im Gespräch ebenso in verschachtelten Sätzen und mit Einschüben sprechen kann, wie er auch zu schreiben geneigt ist. Denn auch dafür ist er bekannt. Beides aber, das Ausschweifende und das Verschachtelnde, entspringt nicht nur der sprudelnden Fülle seiner gedanklichen Verknüpfungen und Einfälle, die anders zu bändigen ihm nicht oder nicht gleich gelingt, sondern entspricht auch seinem Bedürfnis, dem von ihm dargestellten Gegenstand oder der von ihm porträtierten Person durch Präzision und Vollständigkeit klug wie abgewogen gerecht zu werden – dabei in allem ein Meister der kleinen, der leisen Töne, dem grellen, abgedroschenen Vokabular abhold. Zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung ist Fromme im Sommer 1964 gestoßen – als Mitglied ihrer Politischen Redaktion. Diese Zeitung wurde seine berufliche Lebensstation. Sein Name ist seitdem mit ihr verknüpft: Sie hat ihn geprägt, wie auch er sie mitgeprägt hat in ihrer Qualität und ihrem Ansehen, nicht zuletzt mit seiner Domäne der Rechtspolitik in deren breiter Stoffülle. Das geschah zunächst in der Frankfurter Zentrale, dann von 1968 bis 1972 als Korrespondent in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn und schließlich von 1974 an bis zu seinem altersbedingt üblichen Ausscheiden 1997 als verantwortlicher Leiter des Ressorts Innenpolitik und Koordination. Mit dem, was er schrieb, worüber er schrieb, wie er es schrieb, wie er mit seinen Diskussionsbeiträgen (Erläuterungen, Einwürfen, Ergänzungen) in der Redaktion präsent war, mit seinen unverwechselbaren Zügen, mit seiner beruflichen wie privaten Bescheidenheit, ist er zu einer Institution geworden – freundlich, nie laut, immer skeptisch, sehr distanziert, fern jeglicher Kumpelhaftigkeit auch im Kollegenkreis. Wer ihn dort zum Gegenleser hatte, lernte ihn als sorgfältigen Redigierer kennen und schätzen, konnte sich seiner Hingabe dabei sicher sein, wußte sich gut aufgehoben. Auch verstand er, so geschickt zu kürzen und zu straffen, daß es der Autor kaum merkte oder wenn doch, daß es diesem nicht zu arg wehtat. Immerhin hatte sich auch Fromme selbst schweren Herzens dem Los des Kürzenmüssens eigener Texte immer wieder zu unterwerfen. Bevor er zum Zeitungsschreiber par excellence wurde, hatte er im Herbst 1962 die Redaktion der aktuellen politischen Kommentarsendungen des Süddeutschen Rundfunks übernommen und war Lehrbeauftragter für Politik an der Universität Tübingen gewesen. Schon von 1958 an, in den vier folgenden Jahren seiner Tätigkeit als Assistent am Seminar für Wissenschaftliche Politik der Universität Tübingen, hatte er zu gelegentlicher journalistischer Mitarbeit gefunden, darin seinem akademischen Lehrer und Doktorvater Theodor Eschenburg folgend, der damals regelmäßig mit Zeitungsbeiträgen präsent war. In Tübingen hat Fromme seit 1951 bis zur Promotion 1958 auch studiert: Politikwissenschaften, Öffentliches Recht und Soziologie. Der Titel seiner Dissertation lautet „Von der Weimarer Verfassung zum Bonner Grundgesetz“. Geboren wurde Fromme am 10. Juni 1930 in Dresden, als Sohn einer Ärztin und eines Arztes, der dort ein berühmter Professor für Chirurgie war. Auch seine älteren Schwestern sind Medizinerinnen geworden. In Dresden ging er noch bis 1949 zur Schule, machte am humanistischen Vitzthum-Gymnasium sein Abitur, floh dann in den Westen, studierte in West-Berlin anfangs Physik und Chemie, bis er nach Tübingen übersiedelte. Dresden ist für ihn nach wie vor seine Heimat, über die er manchen Beitrag geschrieben hat. Er hat das Zerbomben der Frauenkirche und des übrigen Dresden erlebt und die eigene Ausbombung überlebt. Von seiner elterlichen Villa konnte er die (inzwischen wiederentstandene und wieder zu bewundernde) Frauenkirche in zwanzig Minuten zu Fuß erreichen. Erschüttert hatte er damals als Junge vor den Ruinen der Baudenkmäler gestanden, hatte die Leichenberge gesehen. Seine Vaterstadt Dresden hat ihn nie losgelassen. Damit, daß auch seiner Familie und ihm von der DDR Unrecht angetan worden ist und daß es der seit 1990 gesamtdeutsche Staat nicht bereinigen wollte, obwohl er es hätte müssen und können, hält er sich dezent zurück; er fühlt sich zu befangen, als darüber anklagend öffentlich zu schreiben. Auch sieht er im selbst erlittenen Unrecht nur einen Teil der gesamten staatlich begangenen Rechtswidrigkeiten nach der Wiedervereinigung und bezeichnet sie als schwärende Wunde des heutigen deutschen Staates. Das Beiwort „rechtsstaatlich“ hat für ihn seitdem an gutem Klang verloren. Vertrautes Einvernehmen mit den Lesern Nicht jeder Zeitungsschreiber ist bei allen Lesern gleich beliebt. Aber jeder hat seine „Fan-Gemeinde“. Auch Fromme hat sie – eine nicht unbeachtliche und eine beachtenswerte. Es ist ein Ausdruck davon, daß sich zwischen Autor und seinen Lesern ein vertrautes Einvernehmen und eine intellektuelle Ebenbürtigkeit herstellen, die Leser an ein Blatt binden, weil (auch) dieser Autor in ihm schreibt. Fromme werden Beachtung und Hochschätzung noch heute geschenkt, wenn er für seine Zeitung immer einmal wieder zur alten mechanischen Schreibmaschine greift. Auch Lesern der JUNGEN FREIHEIT ist Fromme kein Unbekannter. In einem Interview vor eineinhalb Jahren über Pressefreiheit, Liberalismus und Konservatismus hatte er die beiden ersten Begriffe auch auf diesen Punkt gebracht: „Ich kann der These nicht widersprechen, daß zahlreiche der liberalen Blätter in Deutschland ihre Liberalität durch Political Correctness substituiert haben. Der Feind der Pressefreiheit im 19. Jahrhundert war der Fürst. Den Fürsten gibt es heute nicht mehr, dessen Rolle haben – so könnte man sagen – heutzutage die Sachwalter der Political Correctness übernommen.“ Lesen, Gespräche führen, Schreiben sind sein Lebenselixier. Die wache Teilnahme am politischen Geschehen, die Gabe der klaren Beobachtung, der Einordnung und des Erkennens dessen, was der Kern einer Sache ist, haben ihn nicht verlassen – ebenso nicht seine feine Ironie, mit der er seine Äußerungen durchzieht und Distanz zu halten sucht – teils belustigt, teils abgeklärt und milde, nur gelegentlich bitter. Wenn nun seines 75. Geburtstages gedacht wird, wird er sich amüsiert mit selbstironisch verbrämter Distanz dazu äußern, falls ihn jemand auf die Würdigung ansprechen sollte – sich aber doch über sie freuen. Foto: Friedrich Karl Fromme: Lesen und Schreiben als Lebenselixier Klaus Peter Krause arbeitete von 1966 bis zu seiner Pensionierung als Redakteur im Wirtschaftsressort der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ)