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ESN-Fraktion, Europa der souveränen Nationen

Aspirin und Currywurst

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Unwort, Umfrage, Alternativ

Erstmals präsentierte sich die Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ am 3. Oktober der Öffentlichkeit. Nach „Du bist Deutschland“ wirbt damit eine zweite semistaatliche Imagekampagne für ein recht diffuses Deutschland-Bild. Das Konzept wurde gemeinsam mit dem Plan für die Fußball-WM 2006 erstellt. Wenn es im kommenden Jahr heißt, die Welt sei „zu Gast bei Freunden“, dann will Deutschland sich als ideenreiches, modernes Land präsentieren. Ursprünglich hatte die rot-grüne Bundesregierung für 2006 eine gewaltige Kampagne geplant, die ein positives Lebensgefühl und Optimismus verbreiten sollte. „Zufälligerweise“ mitten im (regulären) Wahljahr. Zu diesem Zweck wurde die „FC Deutschland 06 GmbH“ ins Leben gerufen. Die Neuwahl hat diesen Plan Schröders zwar zunichte gemacht, aber das von der „FC Deutschland 06 GmbH“ verantwortete Projekt „Deutschland – Land der Ideen“ nimmt nun dennoch seine Arbeit auf. So ist unter anderem in Berlin ein „Weg der Ideen“ vorgesehen (neudeutsch: „Walk of Ideas“), bei dem Erfindungen aus Deutschland zu bestaunen sein werden. Jeden Tag soll eine andere Erfindung oder Forschungseinrichtung aus Deutschland präsentiert werden. So werden auf der Internetseite ( www.land-der-ideen.de ) alle möglich deutschen Erfindungen – von der Aspirintablette bis zur Currywurst – vorgestellt. Finanziert wird diese Kampagne zur Hälfte von der Bundesregierung und von der deutschen Industrie. Diese hat sich auf einem Treffen beim Kanzler vom „Genossen der Bosse“ dazu einspannen lassen, die Hälfte der zwanzig Millionen Euro dafür bereitzustellen. Für Mike de Vries, den Geschäftsführer der FC Deutschland GmbH, der die Initiative koordiniert, läuft daher alles nach Plan. „Einen besseren Start hätten wir uns nicht wünschen können“, erklärte er nach der Einheitsfeier. „‚Deutschland – Land der Ideen‘ betont eine Stärke des Standortes Deutschland und spiegelt wesentliche Eigenschaften der Deutschen wider: Einfallsreichtum, schöpferische Leidenschaft und visionäres Denken“, lautet die Selbstdarstellung der Initiative. Dies zeigt die Stoßrichtung jenseits der heimatlichen Wohlfühlatmosphäre: „Land der Ideen“ soll dem Standortmarketing dienen. Deswegen gibt es auch Unterkategorien namens „Invest in Germany“ und „Made in Germany“. Die „Zeit“ sorgt sich um die Vergangenheitsbewältigung Mike de Vries schlägt in die gleiche Kerbe wie der Kanzler („Deutschland nicht ’schlechtreden'“) oder die Kampagne „Du bist Deutschland“. Er sagt: „Deutschland wird im Ausland viel positiver beurteilt als im Inland und dies zu Recht.“ Und weiter: „Wir müssen unseren Glauben an die eigenen Leistungen und Fähigkeiten zurückgewinnen, denn sonst laufen wir Gefahr, daß sich unser Pessimismus auf das Ausland überträgt.“ Standortmarketing? Dabei käme unter Umständen die notwendige Vergangenheitsbewältigung zu kurz, warnt die Wochenzeitung Die Zeit. So „können deutsche Versuche in Sachen Image schnell als Geschichtsklitterung mißverstanden werden, als Exorzierung der zwölf dunklen Jahre mit Judenmord und Vernichtungskrieg, oder als Rückfall in die Großmannssucht. Mit letzterem wird möglicherweise auch ‚Land der Ideen‘ zu kämpfen haben“, prognostizierte die linksliberale Zeitung, die exklusiv „365 Orte im Land der Ideen“ präsentiert. Die Einschätzung des „Land-der-Ideen“-Kooperationspartners verrät, wohin die Reise gehen könnte: Holocaustmahnmal statt Deutschlandflagge. Im Ausland wurde bislang nur aus einem Land Kritik bekannt. Im britischen Independent on Sunday hieß es mit Blick auf „Land der Ideen“: „Deutsche behaupten, sie hätten ALLES erfunden.“ Am Tag der Deutschen Einheit begannen auch die deutschen Auslandsvertretungen mit ihrer Parallel-Kampagne „Welcome to Germany“. Zusätzlich wird die Fußballweltmeisterschaft 2006 auch noch von einer Kulturinitiative des DFB begleitet, die den Namen „Nationale DFB Kulturstiftung WM 2006 gemeinnützige GmbH“ trägt. Auch hier haben wieder Bundesregierung und Bundestag das Sagen. Diese Initiative kostet weitere dreißig Millionen Euro. Das Herzstück ist der begehbare Fußballpavillon André Hellers (in Form einer Weltkugel), der seit 2003 durch Deutschland „tourt“. 500.000 Besucher haben die Multimediapräsentation bereits besichtigt, die derzeit in Hannover Station macht. Stuttgart und München folgen. Zudem wird eine Zeitschrift namens „Anstoß“ publiziert. Ausgerechnet der extreme Spartensender Arte soll das kulturelle Begleitprogramm des Massenspektakels übernehmen. Und schließlich gibt es eine Fotoausstellung des Goethe-Instituts unter dem Motto „Weltsprache Fußball“, die in über 100 Städten gezeigt werden soll. Nur in Berlin dagegen (im Martin-Gropius-Bau) ist die Ausstellung „Rundlederwelten“ zu sehen. In sieben deutschen Städten und Salzburg soll in Literaturhäusern sogenannte Fußball-Poesie vorgetragen werden. Zudem haben Autoren wie Günter Grass und Elfriede Jelinek Fußballgedichte verfaßt, die auf Plakaten veröffentlicht werden sollen. Und auch die Berlinale ist vom politisch motivierten Fußballfieber nicht verschont geblieben. Bereits Anfang 2005 gab es den Kurzfilmwettbewerb „Shoot Goals! Shoot Movies!“ (Schießt Tore! Schießt Filme). Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Mit Olympiabewerbung kläglich gescheitert Kurzum: Die Bundesregierung und andere halbstaatliche Institutionen haben sich eine Menge einfallen lassen, um die Fußball-WM 2006 propagandistisch zu nutzen. Ob der Standort Deutschland hinterher in der Welt besser dasteht als vorher, wird sich erst zeigen. Bildungsmisere deutscher Schüler, Reformunfähigkeit des deutschen Föderalismus und Anspruchsmentalität deutscher Arbeitnehmer kann die Mega-Werbekampagne jedenfalls nicht übertünchen. Und nach innen verkündet die Kampagne auch nicht mehr als die skurrile Botschaft von „Du bist Deutschland“. FC-Deutschland-06-Chef Mike de Vries wird sich da noch einiges ausdenken müssen, wenn er die Erfolgsaussichten seiner Kampagne erhöhen möchte. Erfahrungen mit Niederlagen hat er ja bereits. De Vries war Chef der Leipzig-2012-Kampagne, die beim Olympischen Auswahlkomitee kläglich gescheitert ist.

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